Flora im Oderbruch

Die Pflanzenwelt des Odertals und ihre Standorte

Von Armin Herrmann

Zusammenfassung

Nachfolgend wird ein Überblick über typische Biotope im Odertal zwischen Frankfurt/Oder und Hohensaaten gegeben. Zunächst werden wesentliche Standortfaktoren für die Pflanzenwelt in der Flussaue erläutert. Anschließend werden im standörtlichen Zusammenhang die wichtigsten natürlichen sowie die von Nutzung geprägten Vegetationsformen der Überflutungsaue mit jeweils einigen charakteristischen Pflanzenarten vorgestellt. Weitere Abschnitte geben einen Überblick zu den Deichen sowie zu naturnahen Biotopen der ausgedeichten Auenbereiche und der Niedermoorgebiete.

1. Standortfaktoren der Flussaue

Flussauen weisen in der Regel eine hohe Vielfalt an Vegetationsformen auf und zählen bei uns zu den pflanzenartenreichsten Biotopkomplexen mit einer Reihe von ausschließlich hier zu findenden Arten. Ursachen sind eine besondere Kombination verschiedener Standortfaktoren sowie eine aufgrund des gegebenen Überflutungsrisikos oft nur extensiv durchgeführte Nutzung.

Bedeutendster Standortfaktor für die Vegetation in der Überflutungsaue größerer Flüsse ist der von einer starken Dynamik geprägte Wasserhaushalt. Bei nur wenig regulierten Flüssen wie der Oder schwankt die Wasserführung im Jahresverlauf im Mittel- und Unterlauf erheblich. Niedrigwasser (NW) herrscht in Normaljahren vor allem im Hoch- und Spätsommer vor.

Länger anhaltendes Hochwasser (HW) gibt es an der Oder regelmäßig im zeitigen bis späten Frühjahr nach der Schneeschmelze im Einzugsbereich. Nach starken Niederschlägen können aber auch zu anderen Jahreszeiten, vor allem im Sommer, unregelmäßig und dann meist weniger lang anhaltend Hochwasserstände auftreten. Im Winter können Hochwässer durch Eisstau hervorgerufen bzw. verstärkt werden. Als Mittelwasser (MW) wird der (theoretisch errechnete) durchschnittliche Wasserstand des Flusses bezeichnet.

Am Messpegel Frankfurt/O. liegt er bei 2,25 m. Das durchschnittliche Niedrigwasser beträgt dort in etwa 1,60 m, liegt also rund 65 cm unter MW. Beim extremen Sommerhochwasser 1997 wurde ein Wasserstand von 6,57 m und damit 4,30 m über MW erreicht. Beim Rekord-Niedrigwasser 2003 sank dagegen der Pegel im Sommer zeitweilig auf Werte um 0,80 m.

Die natürlichen Wasserstandschwankungen von Flüssen werden durch Einflüsse des Menschen wesentlich verstärkt. Ursprünglich bewaldete Bereiche im Einzugsgebiet der Oder sind großflächig in gehölzarme Kulturlandschaften umgewandelt worden. Das Wasser starker Niederschlagsereignisse wird dadurch in geringerem Umfang zwischengespeichert, gelangt so viel rascher in den Fluss und kann dort gefährliche Hochwasserspitzen verursachen.

Das zu schnell abgeführte Wasser fehlt dann in Trockenperioden. Weiterhin steht dem Fluss durch Ausdeichungen nur noch ein Bruchteil seines ursprünglichen Überflutungsgebietes zur Verfügung, wodurch bei Hochwasser der Wasserstand zwischen den Deichen wesentlich stärker ansteigt als vor dem Deichbau. Weiterhin wirken sich auch die Begradigung und die damit verbundene Laufverkürzung der Oder und ihrer Zuflüsse sowie die Entwässerung von Niedermooren im Einzugsgebiet auf die Dynamik der Wasserführung aus.

Die Vegetation der Flussaue ist entlang des Gradienten der durchschnittlichen Überflutungsdauer im Jahresverlauf differenziert. Diese steht in der Regel im direkten Zusammenhang mit der Geländehöhe des jeweiligen Standorts relativ zum Mittelwasserspiegel des Flusses. Abweichungen kommen durch Wasserrückstau an lokalen Strömungshindernissen und Engstellen zustande. Die ausgedeichten Flächen der Flussaue werden zwar nicht mehr periodisch überflutet.

Dennoch kommt es auch dort zu beträchtlichen Schwankungen im Grundwasserspiegel. Insbesondere in deichnahen Bereichen kann es bei hohen Oderständen durch so genanntes Drängewasser (in sandig-kiesigen Schichten unter dem Deich durchströmendes Wasser) zum zeitweiligen Überstau von Flächen kommen. Vielerorts werden allerdings hochwasserbedingte Vernässungen im Deichhinterland durch Wasserabführung über ein künstliches Grabensystem abgemildert, auf großer Fläche auch ganz unterbunden.

Ein weiterer wesentlicher Standortfaktor ist das Bodensubstrat. Grobporige sandige Böden weisen im Jahresverlauf extreme Schwankungen in der Bodenfeuchte auf (von nass bis trocken). Feinporige lehmige Böden besitzen dagegen eine geringere Durchlässigkeit und können Wasser daher besser halten. Feuchteschwankungen durch Änderungen des Flusspegels werden so stark gedämpft. Darüber hinaus ist die Bindekraft für Nährstoffe in feinkörnigen Böden deutlich höher als in Sandböden. Gut drainierte Auelehmböden, wie sie in weiten Teilen des Oderbruchs in den ausgedeichten Poldergebieten vorherrschen, gehören deshalb zu den fruchtbarsten Ackerstandorten in Brandenburg und werden großflächig landwirtschaftlich genutzt. In der Überschwemmungszone sorgen die vom Fluss mitgeführten Nährstoffe allgemein für eine hohe Bodenfruchtbarkeit.

Das vorhandene Mosaik unterschiedlicher Bodenverhältnisse unterliegt in überfluteten Bereichen (Deichvorland) auch heute noch Veränderungen. Insbesondere in Flutrinnen und an Ufern kommt es örtlich, bedingt durch die bei Hochwasser auftretenden beträchtlichen Strömungen, zu Bodenabtrag (Erosion).

In Bereichen mit geringer Fließgeschwindigkeit, vor allem auf höher liegenden Flächen, im „Strömungsschatten“ hinter Hindernissen sowie allgemein bei sinkendem Flusswasserspiegel lagern sich die mitgeführten Bodenteilchen wieder ab (Sedimentation). Man findet häufig eine Sortierung nach der Korngröße und damit dem Gewicht der mitgeführten Teilchen – Sandkörner lagern sich bereits bei schwacher Strömung ab während feine Tonteilchen und leichte organische Bestandteile nur in nahezu stillstehendem Wasser ausfallen.

Neben dieser charakteristischen Standortdynamik verdanken viele der bei uns ausschließlich in größeren Flussauen anzutreffenden Pflanzen – die sogenannten „Stromtalarten“ – ihr Vorkommen den subkontinental getönten lokalen Klimaverhältnissen. Die meisten dieser Arten besitzen ihr Hauptverbreitungsgebiet in sommerwarmen Gebieten Osteuropas und Nordasiens, einige auch im Mittelmeerraum. Diese Gebiete zeichnen sich weiterhin durch geringe bzw. überwiegend bei relativ kurzen Starkregenereignissen (v. a. Gewitter) auftretende Sommerniederschläge aus. Entsprechende klimatische Tendenzen weist auch das Brandenburgische Odertal auf. Die Temperaturen sind im Sommer im Durchschnitt höher und ausgeglichener als auf den angrenzenden Hochflächen. Zudem gehört das Odertal mit örtlich weniger als 500 mm mittlerem Jahresniederschlag zu den niederschlagärmsten Regionen Mitteleuropas. Das Regen-Maximum liegt im Frühjahr. Für Ostbrandenburg wird als Folge des globalen anthropogenen Klimawandels eine Extremisierung dieser lokalklimatischen Verhältnisse prognostiziert.

2. Natürliche und naturnahe Vegetationsformen der Überflutungsaue

Vom Menschen relativ wenig überformte Biotope des Flusses und in den Auenbereichen des Deichvorlandes sind:

Ganzjährig wasserführende Flussbereiche
Unter den aktuellen stofflichen Belastungen sowie den durch Uferverbau mit Buhnen mitbestimmten Strömungsverhältnissen sind die auch bei NW wasserführenden Abschnitte der Oder weitgehend frei von höheren Pflanzen. Gelegentlich anzutreffende Exemplare sind aus vegetationsreichen Nebengewässern eingespült worden. Vor dem Flussausbau gab es wahrscheinlich in strömungsberuhigten ufernahen Bereichen und in langsam fließenden Nebenarmen Tauchfluren mit Laichkraut- und Wasserhahnenfußarten.

Ganzjährig wasserführende Auengewässer(Altarme, Kolke in Flutrinnen usw.)
Oft beherbergen die auch bei NW noch wasserführenden Auengewässer eine üppige Wasserpflanzenvegetation. Deren Ausprägung ist von verschiedenen Faktoren abhängig wie u. a. Gewässertiefe, Nährstoff-, Temperatur- und Beleuchtungsverhältnisse sowie Dauer der Durchströmung bei Hochwasser. Flussferne Gewässer werden teilweise nur kurzeitig durchströmt. Sie sind dann vielfach nährstoffärmer und durch geringere Algenentwicklung klarer.

Eine verbreitete Vegetationsform ist die Schwimmblattflur. Sie wird aus im Gewässergrund verwurzelten Pflanzen mit auf der Wasseroberfläche schwimmenden Blattspreiten aufgebaut, vor allem aus Teichrose sowie örtlich aus Seerose und Schwimm-Laichkraut. Zumindest in den Uferzonen sind außerdem in nahezu jedem Auengewässer nicht im Boden verwurzelte und dadurch frei bewegliche Schwimmdecken aus verschiedenen Wasserlinsenarten und Froschbiss zu finden.

Die wärmeliebende Stromtalart Schwimmfarn kann im Spätsommer in manchen Jahren die gesamte Oberfläche von Kleingewässern überwuchern. Als weitere Vegetationsform treten Tauchfluren aus verschiedenen Tausendblatt-, Laichkraut-, Wasserhahnenfuß- oder Wassersternarten auf. Die besitzen untergetauchte beblätterte Stängel die in der Gewässersohle wurzeln. Einige Laichkrautarten stellen höhere Ansprüche an die Wasserqualität und die Durchleuchtung des Gewässers und sind daher nur sporadisch zu finden. Untergetauchte, aber nicht am Grund verwurzelte Wasserpflanzenbestände werden als Schwebmatten bezeichnet. Sie bestehen aus Hornblattarten und Dreifurchiger Wasserlinse.

Häufig kommen die genannten Vegetationsformen nebeneinander in einem Gewässer vor. Einige der genannten Wasserpflanzen sind besonders an Wasserstandsschwankungen in der Flussaue angepasst und können zeitweiliges Trockenfallen als Landformen überdauern.

Kurzzeitig trockenfallende Uferbereiche an der Oder und an den Auengewässern
Während sommerlicher Niedrigwasserphasen fallen Flächen an den Rändern der Oder und der Auengewässer einige Wochen bis wenige Monate trocken. Dort entwickeln sich Pionierfluren und Pionierröhrichte aus kurzlebigen und zumeist rasch blühenden und fruchtenden Arten. Diese Vegetationskomplexe sind oft sehr artenreich. Sie enthalten typische Pflanzen der Ruderal- und der Ackerwildkrautfluren, die man auch an stark gestörten Standorten außerhalb der Flussaue häufig antrifft. Darunter sind viele ursprünglich bei uns nicht heimische Arten.

Darüber hinaus enthalten die Uferfluren auch zahlreiche auf die besonderen Verhältnisse in der Flussaue spezialisierte und daher nur hier vorkommende Stromtalarten. Die Vegetation ist oft fein differenziert nach Dauer der Trockenphase und Substrat (Sand, Lehm, organische Sedimente). Durch das variierende Wasserregime sowie Bodenumlagerungen infolge von Erosion und Sedimentation sind diese Vegetationskomplexe von Jahr zu Jahr in unterschiedlicher Flächenausdehnung und Artenzusammensetzung ausgeprägt. Während sie bei den lang anhaltenden Extremniedrigwasserständen 2003 riesige Flächen einnahmen und floristisch voll ausdifferenziert waren, sind sie in niederschlagsreichen Jahren nur kleinflächig und fragmentarisch ausgebildet.

Typisch sind u. a. verschiedene Zweizahn-, Knöterich-, Gänsefuß- und Ampferarten, Schlammling, Braunes Zypergras, Kleinbinsen wie Kröten- und Frosch-Binse sowie die Stromtalarten Elb-Spitzklette, Elbe-Liebesgras, Kleines Flohkraut, Queckenreis, Kleinblütiges Schaumkraut, Polei-Minze und Hirschsprung.

Länger trockenfallende Bereiche an Gewässerufern sowie in Flutrinnen
An Standorten, die aufgrund lang anhaltender Überflutungsphasen noch gehölzfeindlich sind, aber während der Vegetationsperiode über längere Zeit hinweg trockenfallen, wachsen Vegetationsbestände aus ausdauernden Arten. Es herrschen Röhrichte und Seggenriede vor, die von Pflanzen nährstoffreicher Standorte mit hoher Toleranz gegenüber starken Wasserstandsschwankungen dominiert werden.

Vielfach ist eine deutliche Zonierung entsprechend der durchschnittlichen Dauer von Trockenphasen zu erkennen. Häufige Arten sind u. a. Rohrglanzgras, Wasser-Schwaden, Igelkolben, Kalmus, Pfeilkraut, Schwanenblume, Schwertlilie, Ufer-, Schlank- und Blasen-Segge, Salzbinse, Flatter-Binse, Sumpfkresse und Wolfstrapp. Oft kommen in sommerlichen Niedrigwasserperioden Arten der oben genannten Pionierfluren auf. Sonst in Feuchtgebieten vielfach vorherrschende, aber gegen extreme Feuchteschwankungen empfindliche Arten wie Schilf, Rohrkolben und Sumpf-Segge kommen in der Überflutungsaue nur stellenweise auf lehmigen Böden vor oder fehlen ganz.

In Flutrinnen und an anderen häufig starken Strömungen ausgesetzten Bereichen wachsen Flutrasen und flutrasenartige Kleinröhrichte. Diese bestehen aus Gräsern und Kräutern welche aufgrund ihrer niedrigen, oft kriechenden Wuchsform und effektiven vegetativen Regenerationsorganen den mechanischen Belastungen der zeitweiligen Überströmung widerstehen können. Häufig bilden Flutrasen kleinräumige Komplexe mit Röhrichten, Rieden und Pionierfluren. Typische Arten sind Weißes Straußgras, Knick-Fuchsschwanz, Flutender Schwaden, Sumpfsimsen-Arten, Fuchs-Segge, Froschlöffel, Kriech- und Flammen-Hahnenfuß, Gänse-Fingerkraut u. a.

Häufig überflutete Auenstandorte außerhalb der Gewässerbereiche
Aufgrund ihres weichen, sehr biegsamen Holzes, ihres weit verzweigten Wurzelsystems mit  besonderen inneren Strukturen zur Sauerstoffversorgung und ihrer enormen Regenerationsfähigkeit sind verschiedene Weiden wie die Großsträucher Korb-, Mandel- und Purpur-Weide sowie die Bäume Silber- und Hohe Weide die am weitesten in die Überschwemmungszone vordringenden Gehölzarten.

Selbst meterhohe Überflutungen während des mehrere Wochen anhaltenden Extremhochwassers im Sommer 1997 haben bei ihnen nur zu geringen Verlusten geführt. Natürlicherweise wären daher tief liegende und dadurch häufig überschwemmte Standorte über weite Strecken mit lückigen bis geschlossenen Auenwäldern und ‑gebüschen aus diesen Weichholzarten bewachsen („Weichholzauenwald“).

An nicht zu häufig überfluteten Standorten kommen auch Schwarz-Pappel (vorwiegend Sandstandorte) sowie Flatter-Ulme vor. Dagegen fehlen die sonst bei uns in Feuchtgebieten überall verbreiteten Arten Schwarz-Erle und Grau-Weide aufgrund ihrer geringen Toleranz gegenüber Überflutung und starken Feuchteschwankungen. Den teilweise dichten Unterwuchs dieser Auenwälder beherrschen Arten nährstoffreicher Staudenfluren und der Röhrichte.

Die Keimung der kleinen kurzlebigen Weichholzsamen gelingt nur auf während der Keimzeit gut durchfeuchteten vegetationsarmen Offenbodenstandorten. Diese entstehen in der Flussaue immer wieder durch Erosion und Sedimentation bei Hochwässern, in manchen Jahren auch durch winterlichen Eisgang.

Höher liegende, nur kurzzeitig überflutete Auenstandorte
Oberhalb der Mittelwasserlinie herrschten ursprünglich geschlossene Wälder aus den Hartholzarten Stiel-Eiche und Flatter-Ulme vor. Typische Sträucher dieses Hartholzauenwaldes sind u. a. Weißdorn-Arten, Roter Hartriegel und Pfaffenhütchen. An höher liegenden Stellen können auch Schlehe, Kreuzdorn oder Hunds-Rose wachsen. Den Unterwuchs beherrschen stickstoffliebende (nitrophytische) Gräser, Kräuter und Stauden wie Rispengras, Riesen-Schwingel, Brennnessel, Giersch, Kälberkropf und Gundermann. Ausgesprochen feuchteliebende Arten bleiben weitgehend auf Flutrinnen innerhalb der Bestände beschränkt. Im Frühjahr ist vielfach ein Frühblüheraspekt mit Scharbockskraut, Hain-Ehrenpreis, Moschuskraut, Wiesen-Gelbstern und weiteren Arten ausgeprägt.

Lichtungen und Bestandsränder von Auenwäldern
An Bestandsrändern von Auenwäldern findet man stellenweise sogenannte Schleiergesellschaften aus windenden, nährstoffliebenden Arten wie Zaunwinde, Hopfen, Europäischer und Hopfen-Seide, Kleb-Labkraut oder Bittersüßem Nachtschatten.

Verbreitet sind außerdem Staudenfluren, in denen neben allgemein häufigen Nährstoffzeigern wie Brennnessel, Acker-Kratzdistel, Kälberkropf und Wiesen-Kerbel örtlich auch typische Stromtalarten wie Katzenschwanz, Langblättriger Blauweiderich, Weidenblättrige Schafgarbe, Spießblättriges Helmkraut, Sumpf- und Glanz-Wolfsmilch, Wiesenraute oder Steifes Barbarakraut gedeihen. An nasseren Standorten bilden solche Staudenfluren Komplexe mit den oben genannten Röhrichten und Seggenrieden. Typische Röhrichtstauden wie Gilb- und Blutweiderich, Aufrechter Merk oder Wolfstrapp sind dort häufig.

3. Nutzungsbedingte Vegetationsveränderungen in der Überflutungsaue

Die Flussaue wird bereits seit Jahrhunderten durch die Nutzung des Menschen überprägt. In weiten Bereichen wurde der Auenwald beseitigt und durch Grünland ersetzt. Im Bereich des Oderbruchs findet man heute in der Überflutungsaue der Oder oft nur noch kleinflächige Fragmente von Auenwäldern in Form von Kleingehölzen und Baumgruppen aus den oben genannten Arten. Nur auf der Oderinsel Kietz, in der Genschmarer Aue und nördlich Frankfurt finden sich noch größere zusammenhängende Auenwaldkomplexe. Vielerorts verhindert eine zu intensive Beweidung die Verjüngung von Auengehölzen. Gebüsche aus den oben genannten Straucharten der Auenwälder sind als Vorstufen der Waldregeneration anzusehen. In ihrem Schutz gelingt örtlich das Aufwachsen von Bäumen.

In für den Hochwasserschutz sensiblen Bereichen werden Auengehölze teilweise entfernt, da diese dort bei Hochwasser eine Verringerung der Fließgeschwindigkeit und damit Erhöhung des Wasserspiegels verursachen können. Ferner gehört zur Unterhaltung der Bundeswasserstrasse Oder auch eine gelegentliche Beseitigung von Ufergehölzen, wenn die Gefahr besteht, dass Uferbefestigungen (Buhnen, Steinpackungen) durch ihre Wurzeln beschädigt werden oder dass instabile Bäume in den Fluss stürzen.

Die Ausprägung des Auengrünlands variiert ebenfalls sehr stark entlang von Standortgradienten, die durch die mittlere Überflutungsdauer während der Vegetationsperiode, sandige oder lehmige Substrate usw. bestimmt werden. Erheblichen Einfluss auf die Artenzusammensetzung haben außerdem Intensität, Zeitpunkt und Art der Nutzung (Mahd, Schaf- / Rinderweide). Während sich im extensiv genutzten Grünland kleinflächige Standortunterschiede deutlich in der Artenzusammensetzung bemerkbar machen, bestehen intensiver genutzte Flächen hauptsächlich aus wenigen widerstandsfähigen und an die jeweilige Nutzungsform angepassten Arten mit breiter Standortamplitude. Nach der durchschnittlichen Überflutungsdauer lässt sich die Vegetation des Auengrünlands grob wie folgt gliedern:

Grünlandbiotope häufig überfluteter wechselnasser Standorte
Auf den am niedrigsten liegenden und dadurch nassesten ehemaligen Standorten des Weichholzauenwaldes herrschen in den Grünlandgesellschaften Arten der oben genannten Röhrichte und Riede vor. Rohrglanzgras, Wasser-Schwaden, Schlank- und örtlich Blasen-Segge gehören dort zu den vegetationsbestimmenden Arten. Neben anderen Pflanzen treten auch nässeverträgliche Stromtalpflanzen wie Sumpf-Platterbse, Wiesenraute, Sumpf-Rispe und Gräben-Veilchen als Begleiter auf. In intensiver beweideten Flächen treten mechanisch belastbarere Arten der Flutrasen und Kleinröhrichte stärker in den Vordergrund, u. a. Knick-Fuchsschwanz, Weißes Straußgras, Gemeine Simse und Flut-Schwaden.

Grünlandbiotope seltener überfluteter, wechselfeuchter Standorte
Auf den weniger häufig überfluteten Standorten von ehemaligen Hartholzauenwäldern wachsen bei extensiver Nutzung, insbesondere auf lehmigen Standorten, sogenannte „Stromtalwiesen“. Diese können sehr artenreich sein und sind oft in sich fein nach Standortunterschieden gegliedert. Neben allgemein verbreiteten Feuchtgrünlandarten und Wiesengräsern enthalten sie typische Stromtalarten wie Brenndolde, Kantiger Lauch, Spießblättriges Helmkraut, Blauweiderich, Wiesen-Alant, Gottesgnadenkraut, Wiesenraute, Glanz-Wolfsmilch und Gräben-Veilchen. Typisch sind außerdem hohe Anteile der anspruchslosen Süßgräser Rasen-Schmiele und Honiggras. Bei intensiverer Nutzung verschwinden die Stromtalarten und typische Grasarten des Wirtschaftsgrünlandes wie Wiesen-Fuchsschwanz, Rispengrasarten sowie Quecke treten in den Vordergrund. Auch viele heute wieder extensiv genutzte Wiesen sind noch durch frühere Intensivnutzung artenverarmt. Besonders artenreiche Stromtalwiesen gibt es heute u. a. noch in den Auenbereichen zwischen Genschmar und Kienitz.

Grünlandbiotope sporadisch überfluteter, wechselfrischer bis trockener Standorte
Auf hochliegenden und deshalb nur sporadisch überfluteten Auenstandorten ist insbesondere auf sandigen Böden aufgrund der extrem schwankenden Bodenfeuchte die Wiesenvegetation auch bei extensiver Nutzung relativ artenarm. Vorherrschend sind wenige Süßgrasarten, darunter mit hohen Anteilen Quecke und Rispengras, örtlich auch Land-Reitgras. Daneben gehören Strauß-Ampfer und (sporadisch) Wiesen-Margarite zu den charakteristischen Arten. Artenreicher sind aufgrund des ausgeglicheneren Wasserhaushaltes Wiesen auf höher gelegenen Lehmstandorten.

Auf kaum noch überfluteten Flächen (Sandkuppen und -rippen) können mit Rauhblatt-Schwingel, Grasnelke, Heide-Nelke, Gemüse-Lauch u.a. Elemente der Sandtrockenrasen in der Wiesenvegetation enthalten sein.

4. Deiche

Bereits im Mittelalter begann man Siedlungen durch Deiche zu schützen. Eine systematische Eindeichung der Oder erfolgte in mehreren Ausbaustufen ab dem 18. Jh. Der vorerst letzte Ausbau wurde nach dem Katastrophenhochwasser 1997 begonnen und 2006 weitgehend abgeschlossen. Die Deiche wurden nochmals erhöht und mit einem genormten Regelprofil versehen. Die ehemals mehr oder weniger unregelmäßig aus Materialien der Umgebung aufgebauten Dämme sind heute auf der Flussseite mit bindigem Lehm abgedichtet. Dagegen bestehen sie im Kern und auf der Landseite aus grobkörnigen Materialien. Wasser, welches trotz der Abdichtung in den Deich einsickert, kann so geregelt binnenseitig abfließen.

Eine periodisch gepflegte Grasnarbe bewahrt die Deichoberfläche vor mechanischen Beschädigungen. Da dem Deichrasen in erster Linie eine Schutzfunktion zukommt und nicht, wie bei normalem Grünland, die landwirtschaftliche Verwertung des Aufwuchses im Vordergrund steht, werden Deiche nur extensiv und in der Regel ohne Düngung gepflegt (Mahd, selten auch Schafweide). Deshalb können Deichrasen sehr artenreich sein. Am Fuß der flussseitigen Deichböschung findet man häufig Brenndolden-Auenwiesen (s.o.), die böschungsaufwärts in blütenreiche Fuchsschwanz-Frischwiesen übergehen.

Auf den sandigen Böden der Krone und der binnenseitigen Deichböschung können neben Glatthafer-Frischwiesen auch Sandtrockenrasen vorkommen. Durch den jüngsten Deichausbau ist es verbreitet zu einer Zerstörung dieser artenreichen Wiesen-Magerrasenkomplexe gekommen. Typische Stauden extensiver Frischwiesen wie Wiesen-Margerite, Wiesen-Flockenblume, Hahnenfußarten u.a. zeigen jedoch vielerorts eine allmähliche Erholung des Artenbestandes an. Allerdings wird infolge der Homogenisierung des Deichaufbaus und damit der Standortbedingungen für den Bewuchs die einstige Vegetationsvielfalt nicht mehr erreicht werden können. Aufgrund des jetzt auf der Landseite durchgehend sandigen Substrats ist in unbeschatteten Abschnitten eine Ausbreitung von Sandtrockenrasen zu beobachten. Diese bilden nur sehr langsam eine geschlossene Grasnarbe und sind vielerorts auch Jahre nach Abschluss der Rekonstruktion noch stark mit Ruderalpflanzen durchsetzt.

Hinter der aktuellen Deichlinie findet man im Oderbruch örtlich noch Dämme als Relikte früherer Deichbauten („Schlafdeiche“). Sie werden in der Regel nicht mehr unterhalten und sind dann häufig mit strukturreichen Gehölzen bewachsen (z. B. Altdeiche entlang der Wriezener Alten Oder).

Die Oder ist eingebettet in eine über weite Strecken extensiv als Grünland genutzte Überflutungsaue mit vielfältigen Begleitstrukturen (Lebuser Odertal).
Schwaches Frühjahrshochwasser im Auenbereich zwischen Lebus und Frankfurt.
Bereits geringe Höhenunterschiede im Auenrelief verursachen eine verschieden lange Überflutungsdauer und damit vegetationswirksame Standort-unterschiede (Frühjahrshochwasser in der Genschmarer Oderaue).
Erosion und Sedimentation sorgen im Überflutungsgebiet der Oder für eine beträchtliche Standortdynamik (nach Hochwasser abgelagerte Sande im Deichvorland, Ziltendorfer Niederung).
Typische „Stromtalpflanzen“ wie der Langblättrige Blauweiderich bleiben in Mitteleuropa auf die großen Flussauen beschränkt. Ihr Vorkommensschwerpunkt liegt meist in den kontinental geprägten sommerwarmen Gebieten Osteuropas und Nordasiens.
Beidseitige Buhnenfelder aus Stein- oder Schlackeblöcken halten bei Niedrig- bis Mittelwasser den Stromstrich in der Flussmitte und verhindern so ein Versanden der Fahrrinne sowie Seitenerosion an den Ufern. Die Strömung ist zu stark für die Ausbildung von Wasserpflanzenfluren.
Dauerhaft wasserführende Auengewässer im Deichvorland beherbergen häufig üppige Wasserpfanzenbestände, hier u.a. Schwimmblattfluren mit Teichrose.
Schwimmdecken aus frei auf der Wasseroberfläche treibenden Pflanzen können im Spätsommer das gesamte Auengewässer bedecken. Hier mit Kleiner Wasserlinse, Teichlinse, Froschbiß und der wärmeliebenden Stromtalart Schwimmfarn.
In zeitweilig trockenfallenden Bereichen an der Oder und den Auengewässern bilden sich artenreiche Pionierfluren aus kurzlebigen Arten, die in manchen Jahren beträchtliche Flächen einnehmen können (Oderaltarm im Deichvorland nördlich Gieshof).
Uferröhricht an Auengewässer mit Schwanenblume, Salzbinse u. a. (Ziltendorfer Niederung).
Die Vegetation in häufig starken Strömungen ausgesetzten Flutrinnen besteht aus mechanisch belastbaren niedrigwüchsigen Arten (Flutrasen-Kleinröhrichtkomplex mit Sumpfsimse, Knick-Fuchsschwanz, Strand-Ampfer, Flut-Schwaden u. a. nordöstlich Lebus).
Verschiedene Weiden sind die am weitesten in den Überflutungsbereich vordringenden Gehölzarten. Typisch für den Weichholzauenwald sind strukturreiche Komplexe aus Gehölzen, Gebüschen, Röhrichten und Staudenfluren (Ziltendorfer Niederung).
Die Schwarz-Pappel gehört zu den natürlichen Gehölzarten des Weichholzauenwaldes auf sandigen Sedimenten. Sie ist aufgrund ihrer Beschränkung auf größere Flussauen deutschlandweit bedroht. Im Überflutungsbereich der Oder, wie hier auf der Oderinsel Kietz, kommt sie noch zerstreut vor, hat aber Probleme mit der Verjüngung.
Hartholzauenwald war ursprünglich die vorherrschende Vegetation in den höher liegenden und dadurch seltener überfluteten Auenbereichen (Halbmeilenwerder nördlich Frankfurt).
Hochstaudenfluren sind natürliche Bestandteile der Biotopkomplexe der Überflutungsaue. Ursprünglich kamen sie in Lichtungen und Säumen von Auenwäldern vor. Häufig beherbergen sie „Stromtalpflanzen“ wie die Sumpf-Wolfsmilch (Deichvorland bei Kienitz).
Das Deichvorland der Oderaue wird heute über weite Strecken mehr oder weniger extensiv als Grünland genutzt. Meist deuten nur noch Gebüsche, Baumgruppen und Kleingehölze auf die ehemals flächendeckend vorhandenen Auenwälder hin (östlich Reitwein).
Die Vegetation von häufig überflutetem Auengrünland wird von schnitt- und verbissresistenten Arten der Röhrichte und Riede wie Rohrglanzgras und Schlank-Segge geprägt (Oderwiesen südlich Frankfurt).
In extensiv genutzten Auenwiesen kommen örtlich noch „Stromtalarten“ wie die Brenndolde vor.
Artenreiches wechselfeuchtes Auengrünland verwandelt sich bei zu intensiver Nutzung in relativ artenarme Fuchsschwanzwiesen (nordöstlich Lebus).
Auf nur kurzzeitig überfluteten lehmigen Standorten konnen sich bei extensiver Nutzung artenreiche Frischwiesen ausbilden (Blühaspekt von Wiesen-Margarite, Deichvorland bei Sophienthal).
Auf erhöht liegenden und dadurch nur selten vom Hochwasser erreichten Sandflächen sind örtlich Elemente der Trockenrasen wie die Grasnelke in der Wiesenvegetation enthalten (Auenrand nördlich Lebus).
Der oft ungeregelte Aufbau der Altdeiche hat bei der Deichverteidigung vielerorts Probleme bis hin zu Böschungsrutschungen und Brüchen verursacht. Die nach der Hochwasserkatastrophe 1997 rekonstruierten Deiche besitzen einen standartisierten Aufbau. Die Flusseite ist mit einer Lehmschicht abgedichtet. Der Hauptteil des Deiches besteht aus grobkörnigen Materialien. Dennoch in den Deich einsickerndes Wasser kann über ein Schotterband am Deichfuß zur Landseite hin abfließen ohne den Deich im Innern auszuspülen. Zur Beschleunigung der Regeneration von artenreichen Deichrasen wurden verschiedene landschaftspflegerische Maßnahmen ergriffen, u. a. die Verpflanzung von Rasensoden des Altdeiches (Ziltendorfer Niederung).
Rekonstruierter Deich mit Radweg auf der Krone und Deichverteidigungsweg auf der binnenseitigen Berme nordöstlich Lebus. Es ist deutlich zu erkennen, dass auf der mit Lehm abgedeckten Flussseite trotz südlicher Neigung üppige Frischwiesen wachsen während auf der sandigen und dadurch rascher austrocknenden Nordseite nur eine schüttere Vegetation entwickelt ist.
Das Odertal ist von einem komplexen, regulierten Grabennetz durchzogen um Drängewasser der Oder und Hangwasser von den angrenzenden Hochflächen ohne Gefahr für Siedlungen und Infrastruktureinrichtungen abzuleiten sowie für die landwirtschaftliche Bodennutzung günstige Grundwasserstände bereitzustellen (Neuzeller Niederung).
Die Altläufe der Oder dienen vielfach als Vorfluter für das Grabensystem des Oderbruchs. Häufig findet man hier noch naturnahe Begleitstrukturen wie Röhrichte, Staudenfluren und auentypische Gehölze (Alte Oder bei Schiffmühle).
Alleen, Baumreihen und Hecken entlang von Straßen, Wegen und Gräben sind häufig die einzigen verbliebenen Strukturelemente in der intensiv genutzten Agrarlandschaft des Oderbruchs (mittleres Oderbruch).
Drängewasserbeeinflusste Wiesen im Deichhinterland können bei extensiver Nutzung ebenfalls sehr artenreich sein und zahlreiche „Stromtalpflanzen“ mit kontinentalem Verbreitungsschwerpunkt wie die Weidenblättrige Schafgarbe beherbergen (Deichhinterland bei Neurüdnitz).
Auf ehemaligen Grünlandflächen im Deichhinterland können sich nach Nutzungsaufgabe rasch „Landröhrichte“ aus hochwüchsigen Gräsern wie Schilf ausbreiten. Eine Ansiedlung von Gehölzen ist in diesen Beständen erschwert und eine Wiederbewaldung kann daher Jahrzehnte dauern. Erste Gehölzpioniere sind meist strauchförmige Weiden (Deichhinterland bei Neurüdnitz).
Als Kopfbäume periodisch beschnittene Weichhölzer (Weiden, seltener Pappeln) sind ein typisches Kulturlandschaftselement im Deichhinterland des Odertals. Hohlräume und vermulmte Bereiche in älteren Kopfbäumen bieten verschiedenen Vogel-, Fledermaus- und Insektenarten günstige Habitatbedingungen (Oderwiesen nördlich Frankfurt).
Durch Abbau von Materialien für den Deichbau entstanden vielerorts in der Nähe der Deiche strukturreiche Sukzessionskomplexe mit Kleingewässern, Röhrichten, Staudenfluren und Gehölzen (Oderwiesen nördlich Frankfurt).
Gräben verringern zwar die Naturnähe von Biotopflächen in ihrem Einzugsgebiet, können andererseits aber selbst als Rückzugsräume und Verbindungsstrukturen für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten fungieren. Ihre Biotopqualität hängt entscheidend von Art, Intensität und Zeitpunkt von Unterhaltungsmaßnahmen ab (Fanggraben für anströmendes Hangwasser im NSG „Oderhänge Mallnow“ mit Sumpfdotterblume).
Moore nehmen im Oderbruch nur relativ kleine Flächen ein. Ein Moorgebiet am Fuß der Oderhänge von Mallnow hat sich durch Quellaustritte am Hangfuß gebildet. Durch mäßige Entwässerung und extensive Nutzung haben sich dort nährstoffreiche Feuchtwiesen vom Typ Kohldistelwiese erhalten.
Am Ende des Eberswalder Urstromtals hat sich im Mündungsbereich der Finow in die Oder ein ausgedehntes Niedermoorgebiet gebildet. Im NSG “ Niederoderbruch“ kommen extensiv genutzte Moorwiesen und verschiedene Sukzessionsstadien aufgegebener Nutzflächen eng verzahnt nebeneinander vor.

5. Naturnahe Biotope der ausgedeichten Auenbereiche

Nahezu das gesamte Oderbruch gehörte ursprünglich zum Überschwemmungsbereich der Oder. Der Fluss war dort abschnittsweise in mehrere Arme aufgespalten. Vor Anlage des künstlichen Durchstichs zwischen Güstebiese und Hohensaaten im 18. Jh. befand sich der Hauptlauf des Flusses im nördlichen Oderbruch am Westrand der Niederung.

Heute verhindern Buhnen und abschnittsweise auch Steinpackungen ein Ausufern des Flusses. Deiche schützen angrenzende Niederungsbereiche vor Überschwemmungen. Der Wasserhaushalt des insbesondere im Norden in weiten Teilen deutlich niedriger als der heutige Flusslauf liegenden, und durch Dämme in Polder unterteilten Oderbruchs wird durch ein aufwändiges und äußerst komplexes Graben-, Stau- und Schöpfwerkssystem reguliert. Die umgestalteten Altläufe der Oder und ihrer Nebenarme dienen vielfach noch als Vorfluter für die Grabensysteme. Einbezogen in das Gewässersystem sind auch ehemals natürliche, inzwischen aber ebenfalls umgestaltete Gewässerläufe am Westrand des Oderbruchs die das Wasser der von den Hochflächen kommenden Bäche aufnehmen. So wird der Friedländer Strom zu wesentlichen Teilen vom Wasser des aus der Märkischen Schweiz kommenden Stöbber und weiterer kleinerer Bäche gespeist.

Über weite Strecken herrscht heute auf den überwiegend sehr fruchtbaren Lehmböden des Oderbruchs an Nebenstrukturen armes Intensivackerland vor. Häufig sind Alleen, Baumreihen und Hecken entlang von Straßen, Wegen und Gräben sowie Grünflächen an den Außenrändern der Ortschaften und im Bereich von Loosegehöften die einzigen verbliebenen Gliederungselemente in dieser Agrarlandschaft. Naturnahe Biotope bleiben weitgehend auf die Altläufe der Oder und ihre Randzonen beschränkt (Wasserpflanzenfluren, Röhrichte, Staudenfluren, kleinere Wiesenflächen, Feuchtwälder und ‑gehölze usw.).

Vielfältiger strukturiert sind teilweise die deichnahen Gebiete, wo Drängewasser der Oder (s. o.) abschnittsweise Vernässungen verursacht und so Ackerbau verhindert. In entsprechenden Bereichen herrscht dort Grünlandnutzung vor, die zum Teil relativ extensiv erfolgt. Örtlich eingelagert sind inzwischen aufgegebene und Sukzessionsprozessen unterworfene ehemalige Nutzflächen. Der Wasserhaushalt dieser deichnahen Gebiete wird zwar über Grundwasserverbindungen von den Schwankungen des Flusswasserspiegels mitbestimmt, weist jedoch deutliche Unterschiede im Vergleich zur Überflutungsaue auf.

Ein wesentlicher Faktor ist das Fehlen einer direkten Überflutung mit strömendem nährstoffreichem Wasser. Bei hohem Oderpegel werden zwar örtlich Flächen zeitweise überstaut, Erosions- und Sedimentationsprozesse sind aber weitgehend ausgeschlossen. Zudem wirkt sich das Entwässerungssystem des Oderbruchs auch auf den Wasserhaushalt in den deichnahen Flächen nivellierend aus.

Folgende Hauptbiotoptypen herrschen in den deichnahen Flächen vor:

Grünlandbiotope
Beweidetes und/oder gemähtes Grünland findet man im Deichhinterland in einem ähnlichen Feuchtespektrum wie im Deichvorland, von wechselnass (mit zeitweiligem Überstau) bis wechseltrocken (mit sommerlich zeitweilig starker Austrocknung). In der Regel sind die Feuchteschwankungen weniger stark ausgeprägt als im Vorland und Vernässungsphasen aufgrund der Wirkungen des Entwässerungssystems kürzer. Dadurch ist die Artenzusammensetzung etwas anders. Auch in dauerfeuchten Niedermoorwiesen (s. u.) zu findende Arten treten häufiger als im Vorland auf. Bei extensiver Nutzung können auch im Hinterland sehr artenreiche Stromtalwiesen (s.o.) entwickelt sein, wie z. B. im Polder bei Sophienthal.

Landröhrichte und Seggenriede
Wegen Vernässung aufgegebene ehemalige Grünlandflächen unterliegen Sukzessionsprozessen. Diese führen zunächst meist zur Ausbildung artenarmer Vegetationsbestände aus hochwüchsigen Röhrichtgräsern. Im Gegensatz zum Vorland herrscht hier aufgrund der weniger stark schwankenden Grundwasserstände in den meisten Fällen Schilf vor. Örtlich können aber auch Rohrglanzgras, Wasser-Schwaden u. a. entsprechende Bestände bilden. Im Gegensatz zu Röhrichten an Gewässerufern wachsen die sogenannten „Landröhrichte“ auf grundsätzlich waldfähigen Standorten. Allerdings erlaubt die dichte Vegetationsdecke vielfach nur sehr eingeschränkt die Ansiedlung von Gehölzen, sodass sie über mehrere Jahrzehnte hinweg stabil bleiben kann. In besonders nassen Geländesenken können Sauergräser wie Schlank- und Ufer-Segge ähnlich ausdauernde Vegetationsbestände ausbilden.

Gehölze
Bei Gehölzbiotope handelt es sich oft um gepflanzte Hecken und Baumreihen. Sie bestehen teilweise aus schnell wachsenden, ursprünglich bei uns nicht heimischen Gehölzarten wie verschiedene Pappelhybriden, Eschen-Ahorn u. a. Daneben gibt es auf aufgelassenen Nutzflächen und entlang von Gewässern und Wegen auch naturnah bestockte flächige oder linienförmige Gehölze. Vorherrschend sind dann je nach Feuchtestufe die oben genannten Baum– und Straucharten der Hart- und der Weichholzauenwälder. Daneben treten aber auch die überflutungsempfindlichen Arten Schwarz-Erle und Grau-Weide in größerer Menge auf. Als Kulturlandschaftselement sind im Odertal Baumreihen aus periodisch beschnittenen Weiden und Pappeln („Kopfbäume“) verbreitet.

Kleingewässer und deren Verlandungsstadien
Das Material für den Deichbau wurde in früheren Zeiten oft in der unmittelbaren Umgebung gewonnen. Die dabei entstandenen, meist relativ flachen Gruben sind heute vielfach wassergefüllt. Andere Kleingewässer sind als Reste ehemaliger Alt- und Nebenarme der Oder aufzufassen. Die Wasserpflanzenvegetation ist meist artenarm, verbreitet sind Hornblatt sowie Wasser- und Teichlinse. Örtlich können aber auch artenreichere Wasserpflanzenfluren mit den bei den Auengewässern beschriebenen Vegetationselementen entwickelt sein. Die Gewässer sind Verlandungsprozessen unterworfen. Während sommerlicher Niedrigwasserphasen fallen viele Gewässer ganz oder zu erheblichen Teilen trocken. In den teilweise ausgedehnten Ufersäumen spielt meist das Schilf eine herausragende Rolle. Nicht selten schirmen Gehölzgürtel die Gewässer gegenüber angrenzenden Nutzflächen ab.

Gräben
Gräben sind vollständig künstliche oder begradigte natürliche Fließgewässer. Sie dienen in erster Linie der Regulierung der Grundwasserstände für die Bedürfnisse der Landwirtschaft sowie dem Schutz von Siedlungsbereichen und Infrastruktureinrichtungen vor Vernässung. Zur Aufrechterhaltung ihrer Funktion müssen Gräben unterhalten werden, da sie sonst verlanden. Periodisch wird daher übermäßiger, den Wasserabfluss behindernder Bewuchs entfernt. Wenn nötig erfolgt gelegentlich außerdem eine Beräumung schlammiger Sedimente. Durch ihre Entwässerungswirkung auf benachbarte Flächen sind Gräben aus Naturschutzsicht auf der einen Seite als sehr negativ zu bewerten. Andererseits stellen Gräben in der ausgeräumten Agrarlandschaft des Oderbruchs wichtige Rückzugs- und Verbindungsbiotope für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten dar. Die Gräben des Oderbruchs können je nach Größe, Fließgeschwindigkeit und Unterhaltungsintensität sehr vielfältige Vegetationskomplexe aus Wasserpflanzenfluren, Klein- und Großröhrichten aufweisen. Auf den Böschungen wachsen vielfach feuchte bis frische Staudenfluren, teilweise auch kräuterreiche wiesenähnliche Grasfluren. Häufig sind außerdem begleitende Gehölzsäume vorhanden (s.o.).

Trockenrasen
Im Gegensatz zu den Randhängen des Odertals sind Trockenrasen in den Niederungsbereichen des Oderbruchs nur kleinflächig anzutreffen. Sie wachsen meist auf künstlichen Strukturen aus sandigen Materialien wie Deichen oder Bahndämmen. Eine Besonderheit stellen Trockenrasen auf vereinzelt vorhandenen natürlichen Binnendünen und Flugsandflächen dar, wie z. B. auf dem Garmischberg bei Sophienthal. Neben typischen Arten der Sandtrockenrasen wie Raublatt-Schwingel, Grasnelke, Heide-Nelke usw. kommen in den Trockenrasen des Oderbruchs auch seltene Arten mit östlichem Verbreitungsschwerpunkt vor. Flachblättrige Mannstreu und Tataren-Leimkraut erreichen an solchen Standorten ihre westliche Verbreitungsgrenze.

Niedermoore
Obwohl der Name „Oderbruch“ eine weite Verbreitung von Moorstandorten suggeriert, da in anderen Teilen Brandenburgs mit „Bruch“ häufig Niedermoorgebiete bezeichnet werden, spielen tatsächlich Moore in diesem Abschnitt des Odertals nur eine untergeordnete Rolle. Moore können nur dort entstehen, wo durch ganzjährige Vernässung und dadurch bedingten Luftabschluss abgestorbene Pflanzenteile nicht vollständig zersetzt werden, sondern sich zu Torfen umwandeln – etwa in Verlandungsbereichen von Gewässern oder in Quellzonen. Bei den kleineren Moorflächen handelt es sich oft um verlandete Alt- und Nebenarme der Oder. Flächige Niedermoore bleiben weitgehend auf die Randzonen des Oderbruchs beschränkt. Hier sorgt von den Hochflächen anströmendes und an Schichtgrenzen örtlich als Sickerquellen austretendes Grundwasser für Vermoorungen in den vorgelagerten Niederungsbereichen, z. B. unterhalb von Mallnow im südlichen Oderbruch. Die größten Moorflächen findet man zwischen Bad Freienwalde und Oderberg im Niederoderbruch. Hier trifft das Eberswalder Urstromtal mit dem inzwischen zu einem Kanal ausgebauten Flüsschen Finow auf das Odertal.

Die ursprünglich mit Erlenbruchwäldern sowie Seggenrieden und Röhrichten bewachsenen Moore des Oderbruchs wurden in der Vergangenheit in mehreren Schritten durch Grabensysteme und unterirdische Drainagen entwässert und dadurch für die landwirtschaftliche Nutzung zugänglich gemacht. Kleinflächig wurde auch Torf abgebaut.

Heute herrschen in den Moorgebieten über weite Strecken in unterschiedlicher Intensität genutzte Grünlandbestände vor. Neben artenarmem Intensivgrünland aus Wirtschaftsgräsern, Löwenzahn, Klee usw. gibt es örtlich auch noch artenreiche Extensiv-Feuchtwiesen vom Typ Kohldistelwiese in je nach Feuchtestufe seggenreicher oder –armer Ausprägung (z. B. in den Naturschutzgebieten „Niederoderbruch“ und „ Oderhänge Mallnow“). Charakteristische Arten sind neben verschiedenen Süßgräsern u. a. Kohldistel, Sumpfdotterblume, Kuckucks-Lichtnelke, Sumpf-Schafgarbe, Wiesen-Schaumkraut, Hahnenfußarten, Sumpf-Engelwurz, Beinwell, Flatter-Binse, Sumpf-Segge und andere Sauergräser. Sehr selten sind auf nährstoffärmeren Moorstandorten noch Wiesenorchideen wie die Kuckucksblume und andere stark gefährdete Feuchtwiesenarten erhalten geblieben.

In Bereichen die trotz der genannten Meliorationsmaßnahmen zu nass für eine effektive Grünlandbewirtschaftung sind wurde die Nutzung z.T. schon vor längerer Zeit wieder aufgegeben. Die Vegetationsentwicklung (Sukzession) auf solchen Brachflächen führt zunächst zu feuchten Hochstaudenfluren, schilfdominierten Landröhrichten und Seggenrieden. Grauweidengebüsche bilden die erste Stufe der Wiederbewaldung, deren Endpunkt unterschiedlich ausgeprägte Erlenbruchwälder darstellen. Im Niederoderbruch kommen diese Sukzessionsstadien örtlich in enger Verzahnung nebeneinander vor.

Armin  Herrmann

Steckbrief:

Armin Herrmann, Jahrgang 1955, ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Nach Ausbildung als Laborant und Abitur auf dem 2. Bildungsweg studierte er zwischen 1982 und 1989 Biologie – zunächst in Konstanz, dann an der FU Berlin. Studienschwerpunkte waren Vegetationskunde, Pflanzengeographie und Ökologie.
Der Mitarbeit in einem Forschungsprojekt von Geologen, Geographen und Biologen der FU im nordhessischen Bergland folgten ab 1991 gutachterliche Tätigkeiten im Bereich Naturschutz und Landschaftsplanung. Freiberuflich und als Angestellter in Planungsbüros spezialisierte sich Herrmann auf die Erfassung und Bewertung von Flora und Biotopen im Gelände.
Arbeiten wie Grundlagenerhebungen für Genehmigungsplanungen und Landschaftspläne, Beteiligung an der landesweiten Erfassung geschützter Biotope, Kartierungen in Schutzgebieten, Schutzwürdigkeitsgutachten sowie Pflege- und Entwicklungspläne führten ihn in verschiedene Regionen Brandenburgs und Sachsen-Anhalts. Seit 2000 ist Herrmann Sachbearbeiter im Referat Naturschutz des Landesumweltamtes in Frankfurt/O. und dort unter anderem mit der Ausweisung und Betreuung von Schutzgebieten sowie naturschutzfachlichen Stellungnahmen beschäftigt. Weiterhin wirkt er mit an Fachveröffentlichungen des Amtes, wie der Biotopkartieranleitung Brandenburg.

Eine besondere Faszination für die Natur in Flussauen verdankt Herrmann umfangreichen Erfassungsarbeiten an Oder, Elbe, Spree, Havel und Schwarzer Elster.

eMail: armin.herrmann@lugv.brandenburg.de

Weitere Beiträge:
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<<< Loose-Leben im Oderbruch – Tiere und Pflanzen der Loose-Gehöfte. Steffi Bartel