Von Steffi Bartel
Wie Inseln auf weitem Feld oder angelehnt an Strukturen wie Wege oder dem Oderdeich, liegen die Loose-Gehöfte im Oderbruch. Bewohnt, leerstehend, als Ruinen oder nur noch an ihrem Baumbewuchs erkennbar, stellen sie Relikte einstigen Bauernlebens in der Landschaft dar. Von den ca. 600 Loose-Gehöften im Oderbruch sind noch ungefähr die Hälfte vorhanden. Diese sind entweder bewohnt oder nur noch an ihren Strukturen erkennbar. Die Auswirkungen des II. Weltkrieges und die massiven Eingriffe während der Komplexmelioration in den 1960-70er Jahren, bei der ganze Höfe der den Zielen der sozialistischen Landwirtschaft weichen mussten, gingen an ihrer Existenz nicht spurlos vorüber.
Bei einer Loose im Oderbruch handelt es sich um ein Bauerngehöft inmitten der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Es bestand ursprünglich aus dem Wirtschaftshof, meist zwei sich parallel gegenüberliegenden Ställen und der Hofscheune. Das Ensemble der Loose bilden auch der Nutzgarten, der zum Hof führende Weg mit Baumbeständen oder Hecken sowie unmittelbar angrenzende Gräben. Die dazugehörenden Felder sind heute zumeist verpachtet.
Wie stellt sich die besondere Bedeutung der Loose für die Tier- und Pflanzenwelt dar?
Bei der Betrachtung des Oderbruchs fällt es auf, dass im Odervorland und an den Höhenzügen eine reiche Naturausstattung vorhanden ist. Dagegen ist die Landschaft der weiten Ebene des Oderbruchs stark vom Menschen geprägt. Hier dominieren große und intensiv genutzte fruchtbare Ackerflächen. Gerade aber inmitten dieser Gebiete bilden die einzelnen Gehöfte mit ihren alten Baumbeständen einen besonders scharfen Kontrast und werten das Landschaftsbild durch ihre dargebotene Struktur deutlich auf.
Die Besonderheit eines Loose-Gehöftes spiegelt sich in seiner Größe von ca. 5.000 m² und mehr wider. Die Ausdehnung des Gehöftes lässt keine Pflege bis in jeden „letzten Winkel“ zu. Es existiert ein regelrechtes Mosaik von Nutzungsstrukturen, die eine große Artenvielfalt an Flora und Fauna hervorrufen. Verschiedene Hofelemente wie Nutzgarten, Obstgarten mit Grasland, Stall, Holzstapel, Dungstätte, Teich, Schutthaufen und Mauern ermöglichen einerseits die Ansiedlung von Tieren (u. a. Insekten, Amphibien, Kleinsäuger) und andererseits von Pflanzen wie Wermut, Guter Heinrich, Brennnesseln, Breitblättriger Wegerich, Gänsefingerkraut und Gundermann. Als besonders wertvoll sind die Höfe hervorzuheben, die noch landwirtschaftlich genutzt werden. Dort funktionieren auf kurzen Strecken kleinräumig vielfältige Nutzungen nebeneinander, was ein abwechslungsreiches Biotop- und Nahrungsangebot für verschiedene Arten bewirkt. Ein Beispiel ist das reichhaltigere Insektenangebot für Rauch- und Mehlschwalben, das durch die Viehhaltung begünstigt wird. Alte Baumbestände aus Eschen, Ulmen, Stieleichen, Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäumen bieten Vögeln, Insekten und Kleinsäugern Schutz und Lebensraum. Bei alten Eichen und Weiden mit einem hohen Totholzanteil wurde auch z.B. der Eremit (Juchtenkäfer) (Osmoderma eremita) gefunden. Dieser ist als prioritäre Art nach Anhang II der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) sowie nach den Roten Listen Brandenburgs und Deutschlands als stark gefährdete Art geschützt. Baumhöhlen werden von Höhlenbrütern wie dem Wendehals genutzt.
Die Höfe kommen als Rückzugs-, Reproduktions- und Nahrungsgebiet für viele Artengruppen wie für Vögel, Reptilien und Amphibien in Betracht. Loose in der offenen Agrarlandschaft können mit ihrer Funktion als sogenannte Trittsteinbiotope oder Trittsteininseln u. a. der Ausbreitung von Pflanzen oder Tieren dienen bzw. diese fördern. Sie können auch als Teil von Biotopverbundsystemen betrachtet werden. Wenig durch Menschen frequentierte Räume, wie z.B. Dachböden, oder Gebäude, wie z.B. Ställe und Scheunen bieten verschiedenen Tierarten Lebensräume. Die Störungsarmut ist vor allem in leerstehenden Gebäuden bzw. Ruinen der Loose-Gehöfte sowie in Bereichen der Hofstelle gegeben. Aber auch bewohnte Loose können von einer Palette verschiedener Arten besiedelt werden. Gebäudenischen wie Simse, fehlende Mauersteine werden u. a. vom Hausrotschwanz, Haussperling, Grauschnäpper und Bachstelze als Brutplatz angenommen. Spitzmäuse oder verschiedene Kröten nutzen Hohlräume wie Kellereingänge oder Treppen. In Gartenteichen in Odernähe kommen Kamm- oder Teichmolche vor. Ringelnattern nutzen die Dungstätten oder Komposthaufen der Höfe,um dort ihre Jungen aufzuziehen. Auch Nistkästen bei bewohnten Gehöften sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Storchenester sind auf oder in unmittelbarer Nähe der Loose zu finden.
Bis zu 90 Vogelarten wurden bisher auf Loose-Gehöften registriert. Zu ihnen gehören u.a. Braunkehlchen, Eisvogel, Grünspecht, Kleinspecht, Schwarzspecht, Raubwürger, Rohrschwirl, Sumpfrohrsänger und Waldkauz. Auch für Säugetiere bieten sie einen idealen Lebensraum. Bis zu 26 Säugetierarten wie Igel, Feldhase, Maulwurf, Mauswiesel, Nordische Wühlmaus sowie Wasserspitzmaus wurden bisher auf Loosen beobachtet. Loose bieten Lebensraum für gefährdete Fledermausarten wiedas Große Mausohr, das Braune Langohr, die Breitflügelfledermaus, der Große Abendsegler, die Wasserfledermaus und die Zwergfledermaus. Bei Jagdaktivitäten halten sich Fledermäuse an vorhandene Strukturen. Dabei sind besonders Feuchtgebiete aufgrund des Insektenreichtums aber auch Alleen, Baumreihen und Gehölzgruppen von Bedeutung. Weite, strukturfreie Landschaftsräume wie große Ackerschläge werden gemieden, da sie keine Echo-Lot-Orientierung bieten. Kartoffelkeller und hohle Bäume werden als Winterquartier und Dachböden als Sommerquartier angenommen. Die Beispiele zeigen, dass der Erhalt der Loose dazu beiträgt, eine Vielzahl gefährdeter und nicht gefährdeter Arten zu erhalten.
Loose in unmittelbarer Nähe zum Oderdeich können im gesamten Odervorland Pufferzonen für die odernahen Schutzgebiete darstellen. Im gesamten Oderbruch befinden sich noch ca. 82 Loose-Gehöfte (bewohnt, leergezogen oder als Bauminseln) in einer Entfernung bis zu 500 m zum Oderdeich. Bei Überschwemmungen des Odervorlands, bei denen Brutvögel, Reptilien, Amphibien und Säugetiere das Gebiet verlassen müssen, können die Loose und ihre Randstrukturen für diese die Rettung sein.
Das Vorhandensein der Loose ist als Chance für den Arten- und Biotopschutz sowie für den Naturschutz im Oderbruch anzusehen. Nicht zuletzt sind die Loose als Zeugnisse regionaler Kultur- und Siedlungsgeschichte nicht nur für die Identifikation der einheimischen Bevölkerung ausschlaggebend, sondern unterstreichen auch die Besonderheit des Landstrichs für Besucher des Oderbruchs.
Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung des Magazins „Lebuser Land“.
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