Das Oderbruch 2010
Gespräch mit Herrn Professor Dr. – Ing. habil. Joachim Quast am 26. Mai 2004
in seinem Institut in Müncheberg, Märkische Schweiz
Biografisches:
Joachim Quast, Jahrgang 1943, ist Professor am Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF) e.V. in Müncheberg. Er leitet dort das Institut für Landschaftswasserhaushalt, dessen Aufgabe die Ausarbeitung von Strategien und Konzepten für ein integriertes Management von Land- und Wasserressourcen ist, die der nachhaltigen Entwicklung von agrarisch geprägten Kulturlandschaften wie zum Beispiel in der Oderregion dienen sollen. Seit 1975 arbeitet Joachim Quast im wenige Kilometer vom Oderbruch entfernten Müncheberg, wo er auch wohnt.
Das Wasserregime im Oderbruch, dessen Regulierung und Nutzung das Rückgrat dieser Landschaft ist, bildet seit mehr als 30 Jahren einen wiederkehrenden Gegenstand der Forschungsarbeiten von Joachim Quast. Mit dem „Konzept Oderbruch 2010“, in dem er für eine nachhaltige Kulturlandschaftsentwicklung, die Verbesserung der ökologischen Situation, die Minimierung der Kosten für die Standorterhaltung und die Bewahrung des Kulturerbes wirbt, hat er schon Anfang der 1990er Jahre – lange vor dem Hochwasser von 1997 – eine Perspektive für das Oderbruch zur Diskussion gestellt.
Ein technokratischer Beginn
Der Anblick der gelben Teppiche blühender Adonisröschen am Reitweiner Sporn: In der Erinnerung ist es dieses Bild, das den jungen Diplom-Ingenieur für Wasserbau und Wasserwirtschaft Joachim Quast aus Dresden empfing, als er im Frühjahr 1969 das erste Mal ins Oderbruch reiste.
Aber es waren nicht die Adonisröschen, deren kurze aber prachtvolle Blüte auf die Vergänglichkeit aller Natur verweist, die ihn ins Oderbruch führten, sondern Aufgaben im Rahmen wasserwirtschaftlicher Vorleistungen für die Komplexmelioration des Oderbruchs.
Bei der um 1965 begonnenen „Komplexmelioration-Oderbruch“ ging es der Landwirtschaft darum, die Ackernutzung auf den fruchtbaren Auenlehmböden bis unmittelbar an die Oderdeiche auszudehnen und möglichst große, ertragreiche und im Frühjahr schnell zu befahrene Schläge zu schaffen.
Das gesamte Binnenentwässerungssystem des Bruchs musste neu gestaltet werden. Wie viel Drängewasser strömt bei Hochwasser über den Grundwasserleiter unter den Deichen ins Oderbruch? Wie müssen die Gräben angelegt und die Schöpfwerke bemessen werden, um dieses Drängewasser aufzufangen und möglichst schnell wieder aus den Bruch abzuleiten? So lauteten die Fragen mit der sich die Wasserwirtschaftsdirektion Spree-Oder-Neiße in Cottbus an die Forschungsgruppe Grundwasser an der Technischen Universität in Dresden wandte. Quast erhielt den Auftrag, den Drängewasseranfall aus der Oder bei Hochwasser zu berechnen und Bewirtschaftungsziele für das Entwässerungssystem vorzugeben. Eine rein technokratische Arbeit: die mit den Meliorationszielen verbundenen wasserwirtschaftlichen Probleme waren zu bewerten und technisch zu lösen. Eine ökologische Bewertung der vorgeschlagenen Lösung war damals kein Thema.
Die Tieflage des Bruchs, das bei mittlerem Wasserstand der Oder 2 bis 4 Meter unterhalb des Wasserspiegels liegt, prägt den Wasserhaushalt der Landschaft. Permanent drängt Wasser aus dem Flussbett der Oder über den aus Sand und Kies bestehenden Grundwasserleiter unter den Deichanlagen hindurch ins Bruch.
Um den Drängewasseranfall zu berechnen und Vorschläge für die Dimensionierung und Bewirtschaftung des Binnenentwässerungssystems aus Gräben und Schöpfwerken machen zu können, wurden auf Vorschlag von Quast in einem ersten Schritt im gesamten Bruch 250 zwei Zoll starke Messrohre bis 5 m abgeteuft. Aus den in den Rohren gemessenen Grundwasserstandsdaten konnten das Gefälle und die Fliessrichtung der Grundwasserströmung im stellenweise über 20 m mächtigen Grundwasserleiter unterhalb der Deckschicht aus Auenlehmboden ermittelt werden.
Auf der Grundlage dieser Daten und der in den Gräben gemessenen Abflüsse entwickelte Quast in Dresden ein regionalspezifisches elektroanaloges Widerstands-Netzwerkmodell, mit dem er die Drängewasserzuflüsse im Bruch modellieren konnte.
Solche „Elektroanalogiemodelle“ waren eine Spezialität der Dresdner Forschungsgruppe. Quast machte sich die Ähnlichkeit (Analogie) zwischen dem Ohmschen-Widerstandsgesetzt (Strom) und dem Darcy-Gesetz (Grundwasser) zu nutze und ließ statt Wasser Strom aus der Oder ins Bruch fließen, das im Modell mit Hunderten elektrischen Widerständen bestückt hatte, an denen er den in den verschiedenen Teilen des Oderbruchs zu erwartenden Stromfluss messen und daraus Aussagen zum Drängewasseranfall in Abhängigkeit zum Wasserstand in der Oder ableiten konnte. Die an den Netzknoten des Widerstandsmodells gemessenen elektrischen Spannungen entsprachen den Grundwasserständen im Bruch.
Die Untersuchungen wiesen einen ganzjährlichen Drängewassereinfluss für das Oderbruch bis fast an den westlichen Höhenrand aus und bestätigten für die schon immer als kritisch eingeschätzten Bereiche um Reitwein und Hohenwutzen maximale Zuflüsse. Hier sind die sandig-kiesigen Grundwasserleiter besonders durchlässig, was auf die historischen Oderverläufe zurückzuführen ist.
Die Untersuchungen Quasts führten zu Veränderungen am wasserbaulichen Konzept der Komplexmelioration. Die Gräben konnten zahlenmäßig verringert, weniger tief und im Durchschnitt kleiner angelegt werden. Ihr Verlauf wurde verändert; sie führten nicht mehr im rechten Winkel von der Oder fort, sondern wurden quer zur Fließrichtung im Grundwasserleiter und dem Gefälle des Bodens angeordnet.
Um den Drängewasserzufluss bei Hochwasser gering zu halten und dennoch flächenhafte Überflutungen zu vermeiden, empfahl Quast in seinem abschließenden Gutachten 1972 in den Binnengräben einen Wasserstand von „1 m unter Flur“ zu gewährleisten, also die Gräben fast bordvoll zu halten. Dadurch würde ein ausreichender Gegendruck auf das Drängewasser erzeugt und der Zufluss in Grenzen gehalten. In unmittelbarer Deichnähe jedoch, entlang einem Streifen von 100 bis 500 maximal 1000 m binnendeichs, war mit erheblich größeren Drängwassermengen zu rechnen. Hier musste von einem intensiven Schöpfwerksbetrieb mit hohen Betriebskosten ausgegangen werden, wollte man in diesem Bereich ganzjährlich intensive Landwirtschaft betreiben, was ja das erklärte Ziel der Komplexmelioration des Oderbruchs war.
Tiefes Abpumpfen erzeugt in Deichnähe aber auch hohe Strömungskräfte, die kritisch für die Standsicherheit der Deiche werden können. Aber gerade diese Praxis tiefer Entwässerung hat sich dann in weiten Bereichen des Oderbruchs durchgesetzt. Seit Mitte der 70er Jahre wurde, so der Fachmann für Wasserbau und Wasserwirtschaft, meist zuviel abgepumpt. Viel helfe viel, meinte man, und bezahlt hat der Staat. Dass auch abgepumpt wurde, um Fundamente von Industriebauten und auch Keller neugebauter Häuser trocken zu halten, kam hinzu. Die Zuckerfabrik in Thöringswerder zum Beispiel wurde in einer Senke des Bruchs gebaut, die früher einmal ein See war und auch heute durch einen hohen Grundwasserstand gekennzeichnet ist.
In der Folge des zu starken Abpumpens sank der Grundwasserspiegel im Oderbruch und lag vielerorts 2 bis 3 m unter Flur. Wenn aber der Grundwasserstand nicht mehr von unten die Auenlehmdeckschicht anschlägt, gibt es keinen kapillaren Wasseraufstieg mehr, und es werden über das Sickerwasser Nährstoffe in das Grundwasser ausgetragen. Fazit: Zu viel gepumpt ist teuer und verursacht Umweltschäden.
Durch die Szenarioanalysen auf der Grundlage des regionalspezifischen Netzwerkmodells war das Forschungszentrum für Bodenfruchtbarkeit (FZB) in Müncheberg – das heutige Zentrum für Agrarlandschafts- und Landnutzungsforschung (ZALF e.V.) – auf den Wissenschaftler aufmerksam geworden. Quast wurde in ein weiteres Projekt zum Oderbruch eingebunden. Von den Seelower Höhen aus sollte versucht werden, durch gezielte Steuerung des Wasserregimes über das vorhandene System von Gräben, Schöpfwerken und Stauwehren eine “ Bewässerung von unten“ zu erreichen. Das Vorhaben scheiterte an dem zu großen Gefälle im Bruch – gut 10 m zwischen Reitwein und Bad Freienwalde und an der geringen hydraulischen Durchlässigkeit des Auelehms. Was auf flachgründigen Niedermooren im Rhinluch klappte, funktionierte im Oderbruch nicht.
Im Oderbruch fehlte und fehlt es am Verständnis für das Funktionieren des hydrologischen Systems
Die Zusammenhänge zwischen Oberflächenvernässung, Versickerung, Drängewasserzustrom sowie gespannter und ungespannter Grundwasserströmung und deren Wechselwirkung mit dem Grabensystem sind nicht ganz einfach zu verstehen. Oft wäre es das Beste, so Quast, bei normalen Wasserstand in der Oder überhaupt nicht abzupumpen und den großflächigen harmonischen Abfluss des Grundwassers bis in die Alte Oder zu ermöglichen. Zumal das Abpumpen nicht hilft, wenn Oberflächenwasser blank auf den Ackerflächen steht und nur sehr langsam versickert. Der fette Auenlehmboden ist sehr gering wasserdurchlässig und kann nur durch Verdunstung abtrocknen. Das Abpumpen entzieht „nur“ das Grundwasser. Was zur Folge hat, dass mehr Wasser aus der Oder unter den Deichen hindurch nachdrängt. Auch der bauliche Zustand der Deiche war ein bereits 1970 Problem. Ihre Böschungsneigung war mit 2 : 1 zu steil und die Standsicherheit am luftseitigen Deichfuß war durch Druckwasser und ausgespülten Sand gefährdet. Die Deiche waren „gealtert“. Als technischer Standard war bereits damals gefordert: Böschungsneigung 3 : 1 und Druckwasserentlastungsfilter am luftseitigen Deichfuß. So wurden sie nach der „Beinahe-Katastrophe“ von 1997 gebaut. Anfang der 1970er Jahre gab es dafür kein Geld – trotz gerade eingeführter verbindlicher TGL-Vorschriften.
Das regionalspezifische Netzwerkmodell vom Oderbruch
Die enge Kooperation mit dem FZB in Müncheberg führte Joachim Quast dann auch endgültig von Dresden in die Nähe des Oderbruchs. Zwischen 1975 und 1983 baute er dort die Abteilung Grundlagen der Hydromelioration auf, aus dem dann später das Institut für Landschaftswasserhaushalt hervorging. Das Oderbruch trat als Arbeitsgegenstand zurück. Es gab lange keinen Bedarf an weiteren hydrologischen Untersuchungen.
Dafür ging sein regionalspezifisches Netzwerkmodell vom Oderbruch auf Reisen. Studenten in Rostock und anderswo nutzten es für ihre Ausbildung. Nach und nach gingen jedoch die meisten der Anschlussstecker und Apparaturen zum Messen der Widerstände verloren und bevor das Modell in Zeiten komplexer Computersimulationstechniken ganz verschwand, holte Quast es zurück nach Müncheberg. Das Oderlandmuseum in Bad Freienwalde hätte es heute gern in seiner Sammlung. Aber an der verbliebenen Modellplatte mit den über das gesamte Oderbruch verteilten Messpunkten, auf der sich nur noch eine handvoll Stecker verlieren, kann in Quasts Augen kaum noch etwas gezeigt werden. Und die Teile um es wieder in Stand zu setzen, gibt es heute nicht mehr. Vorerst bleibt sie also in der Versuchshalle des Instituts für Landschaftswasserhaushalt in einer Ecke mit ausrangierten Büromöbeln aus den 70er Jahren stehen.
Ein Konzept ohne Auftraggeber: Das Oderbruch 2010
Mit der Wende verdunkelten sich die Zukunftsaussichten des auf eine intensive Landwirtschaft ausgerichteten Oderbruchs. Drastische Strukturveränderungen in der Landwirtschaft – der Wandel der Eigentumsverhältnisse, erschwerte Marktchancen für Agrarprodukte – gefährdeten den Wirtschaftstandort und führten zu rückläufigen Produktionsvolumina, geringen Erlösen und stark sinkenden Beschäftigungszahlen.
In diese prekäre Stimmung hinein, da im Oderbruch jeder für sich über Wasser zu bleiben versuchte, veröffentlichte Quast 1991 sein „Konzept Oderbruch 2000“. Dieses Konzept war keine Auftragsarbeit wie das Gutachten von vor 20 Jahren sondern der Vorschlag eines an der Zukunft der Kulturlandschaft Oderbruch interessierten Wissenschaftlers, der seine wissenschaftliche Tätigkeit als eine von gesellschaftlichen Zielvorgaben geleitete Dienstleistung begreift. Die Entwicklung des Oderbruchs als Lebens- und Wirtschaftsraum ist davon abhängig, ob es den Oderbrüchlern gelingt, die hohen Kosten für eine noch dazu unvernünftige Praxis zu tiefer Binnenentwässerung zu senken und das Bruch gleichzeitig ökologisch aufzuwerten sowie sein kulturelles Potential stärker zu nutzen, lautete der Grundtenor des Konzepts. Schritte in die richtige Richtung wären der Verzicht auf die Nutzung deichnaher landwirtschaftlicher Flächen, die Erhöhung des Grundwasserspiegels, der Wiederanschluss alter Oderarme an den Strom.
Diese Vorschläge stießen auf heftigen Widerstand. Gewonnenes Ackerland aufgeben – davon wollten die Landwirte nichts wissen; Einlassbauwerke im Deich um die alten Oderarme anzuschließen – das gefährde die Stabilität der Deiche; kaum jemand war bereit, eine jahrzehntelang eingespielte Praxis zu überdenken.
Mit dem Sommerhochwasser 1997, das – eine Ironie des Schicksals – genau 250 Jahre nach den ersten Spatenstichen zum Bau des Neuen Oderkanals eintrat, spitzte sich die Debatte um die Zukunft des Oderbruchs zu. Stimmen wurden laut, die Deiche entlang der Oder zurückzuverlegen oder gar das Oderbruch zu fluten und dem Fluss seinen angestammten Raum zurückgegeben.
Positionen, die Quast in keiner Weise teilte. Die vom Deichbauer van Haerlem, dem Mathematiker Euler und dem Geographen Schmettau im „Masterplan“ von 1747 gefundene technische Lösung für den Bau des Oderkanals, der die kulturelle Erschließung des Oderbruchs ermöglichte, bedarf keiner grundsätzlichen Änderung um eine ökologisch, ökonomisch und sozial tragfähige Perspektive für diese Landschaft zu eröffnen. Was aber bedeutet, dass angesichts der Hochwasserschäden – die letztlich auch einer nicht genügend sachkundigen Bewirtschaftung des Landschaftswasserhaushaltes anzulasten sind – die gewohnte Landnutzungspraxis im Oderbruch neu überdacht werden muss.
Mit dem „Konzept Oderbruch 2010“ stellte Quast 1997 seine Vorschläge für die Entwicklung des Oderbruchs aus den frühen 1990er Jahren erneut zur Diskussion.
- Die landwirtschaftlichen Flächen in deichnahen Bereichen bis 500 m und in Depressionslagen sollte in Feuchtgrünland zurückgeführt werden. Dies würde einen Verlust an bisher landwirtschaftlich genutzter Fläche von 10 – 15% bedeuten. Dafür gewänne das Oderbruch aber ein ökologisch wertvolles grünes Band entlang der Oder, das die Landschaft ökologisch aufwerten würde. Senkung der Kosten für die Binnenentwässerung und Schöpfwerke um 30 bis 40%.
- Der Grundwasserstand im Oderbruch ist wieder zu erhöhen. Viele Gräben sind aus hydrologischer Perspektive nicht mehr nötig. Statt ihrer könnten Schutzstreifen angepflanzt werden. Schöpfwerke können zur Disposition gestellt oder direkt an den Grundwasserstand gekoppelt werden, um zu tiefes Abpumpfen zu verhindern.
- Die alten Oderarme sind durch Einlassbauwerke, sogenannte Siele, wieder an die Stromoder anzubinden, die nur bei Hochwasser geschlossen werden. Damit entstünden funktionsfähige ökologische Korridore für ein Biotopverbundsystem zwischen der Oder und den westlichen Hängen des Bruchs und könnte der Wasserhaushalt im Polder in Trockenperioden gestützt werden.
- Das kulturelle Potential des Oderbruch muss genutzt werden. Die historischen Dorfanlagen und Wohnhäuser sollten erhalten, kulturelle Initiativen wie in der Kirche Altwustrow, in Zollbrücke gefördert, das touristische Angebot verbessert und neue Siedler willkommen geheißen werden. Abb. 10: Konzept Oderbruch 2010
Mittlerweile steht das erste Siel bei Reitwein, der Anschluss der alten Oder ist beschlossene Sache und einem grünen Band entlang der Oder stehen immer mehr Akteure aufgeschlossen gegenüber. Die Akzeptanz für die Vorschläge im Konzept Oderbruch 2010 wächst. Und das Poster hängt in immer mehr Amtsstuben und auch in den Büros einzelner Landwirte. Dafür werden jetzt Stimmen laut, die aus ökologischer Sicht gegen einen Anschluss der alten Oderarme argumentieren: Das Oderwasser sei zu verschmutzt, bringe nur schädliche Stoffeinträge ins Bruch, da sei das durch den Grundwasserleiter gefilterte Drängewasser doch besser. Der Optimist Quast fragt: Ist es wirklich einfacher, immer erst mal dagegen zu sein? Kann man nicht auch gleich „für“ einen plausiblen Vorschlag sein?
In 50 Jahren sieht Quast die Deiche noch an der gleichen Stelle stehen. Dahinter verläuft ein grünes Band ökologisch intakter Flächen und erstrecken sich ökologische Korridore quer durchs Bruch bis an die Höhenrücken. Die alten Oderarme sind wieder Fliessgewässer geworden. Die wenigen Beschäftigten in der gut funktionierenden Landwirtschaft bauen Spezialkulturen an und veredeln sie vor Ort. Tagestouristen aus Berlin, Frankfurt an der Oder und anderen Städten genießen die Kulturlandschaft und nutzen kulturelle Angebote – ob im Schloss Neuhardenberg oder in der Kirche Altwustrow sei dahingestellt. Kleine Hightech-Unternehmen werden sich angesiedelt haben und noch mehr Künstler, die einen Hauch von Worpswede verbreiten. Das Oderbruch wird ein Refugium für Leute, die die herbe Schönheit dieser Landschaft und Licht mögen. Das Leben wird reicher sein als heute.
Die Entwicklung des Oderbruchs wird, wie seit 250 Jahren, von staatlichen Zahlungen, von knapper werdenden Steuergeldern abhängen. Das heißt, die Steuerzahler müssen motiviert und ihre veränderten Ansprüche, seien es ökologische oder kulturelle, aufgenommen werden. Die Agrarproduktion sichert nur noch das Auskommen weniger Menschen. Darf man sich Kompromissen verweigern? Die Oderbrüchler müssen ihre Betroffenheitshaltung ablegen, gemeinsam Konsenslösungen vorbereiten und zu einem langfristigen Handeln finden, das die Kulturlandschaft Oderbruch attraktiver macht.
Lars Fischer
Weitere Beiträge von Joachim Quast:
<<< Joachim Quast: Begründung der historischen Wasserbaumaßnahmen zur Trockenlegung des Oderbruchs und deren Wertung aus heutiger Sicht – Past and Present Value of Historical Hydraulic Engineering Measures towards Draining of the Oderbruch
Die Veröffentlichung „Begründung der historischen Wasserbaumaßnahmen zur Trockenlegung des Oderbruchs und deren Wertung aus heutiger Sicht“ ist in der Zeitschrift Wasser & Boden, Ausgabe 55/6, S. 9-14 (2003) erschienen.
Weitere Beiträge:
<<< Das Oderbruch zwischen natürlicher und technischer Natur – Zur Produktion einer Kulturlandschaft. Von Dr. Siegfried Bacher
<<< Der Sicherheit des Oderbruchs verpflichtet – Gespräch mit Dipl.-Ing. Hans-Peter Trömel vom Landesumweltamt Brandenburg
<<< Zwischen Flut und Vorflut – Wasserorte
<<< Eine Wasserzeitung für das Oderbruch. Eine Sommerschule im Rahmen des Oderbruchpavillons