Wenn ich nichts mehr mache, ist keiner mehr hier, der mal eine Schere schleift

Friedhelm Melz, Hufbeschlagschmied in Altwustrow

Aufgeschrieben von Almut Undisz

3 Hammer
Werkzeug Friedhelm Melz, Hufschmied, Altwustrow Fotografie: Ingar Krauss 2016

Ich stamme aus Altwustrow und habe hier im Haus bei einem Meister gelernt. Eigentlich sollte ich Gärtner werden, weil es auf der LPG immer Arbeit gab. Aber zu schmieden gibt es auch immer etwas. Die Ausbildung als Schmied umfasst auch die Hufschmiedeausbildung. Noch heute muss man erst einen Metallberuf erlernen, damit man ein bisschen Ahnung hat, erst dann kann man sich zum Hufschmied ausbilden lassen. Dazu muss man anderthalb Jahre bei einem Hufschmied mitfahren, also Praktikum machen, dann geht man in die Lehrschmiede, nochmals drei Monate. Danach macht man die Prüfung. Das ist im Oderbruch nicht möglich, aber in Berlin, Dortmund oder Münster. Es gibt mehrere Lehrschmieden in ganz Deutschland.
Als Einzelberuf gibt es das nicht. Wollte man mal einrichten, ist aber nicht gekommen. Arbeit gibt es jedenfalls genug. Hier arbeiten auch Hufschmiede aus Berlin oder Frankfurt (Oder). Das hat sich so entwickelt. Aber ich habe genug zu tun, nehme auch keine neuen Kunden mehr an. Ich habe etwa 50 Kunden. Eigentlich bin ich ja schon Rentner.

Pferde müssen etwa alle acht Wochen beschlagen werden, manchmal häufiger oder manchmal erst nach längerer Zeit. Das kommt ganz darauf an, wo sie stehen und wie sie genutzt werden. Die Hufe wachsen ja, und selbst wenn die Pferde auf der Koppel stehen, ohne Eisen, müssen sie regelmäßig ausgeschnitten werden. Meistens haben nur die Reitpferde und die Fahrpferde für die Kutschen Eisen drunter, weil sie auf die Straßen gehen. Wenn sie keine Eisen haben, tut es ihnen weh, so als ob wir auf Splitt gehen. Und dann bricht manchmal der Rand ab. Manche Pferde haben Problemhufe, dann geht es gar nicht ohne Eisen, weil sie sonst hinken.

Nachdem ich anderthalb Jahre gelernt habe, ist mein Meister an einer Blutvergiftung gestorben. Ich ging noch zum Meister nach Wriezen und habe bei ihm ausgelernt. Dort beschlug ich auch Pferde. Es gab in Wriezen noch Fuhrgeschäfte, die Kohle und Müllsäcke fuhren, oder Umzüge. Das war in den 60er-Jahren.

Nach der Armee fing ich bei der LPG in der Schmiede an. Da waren viele Landmaschinen zu reparieren. Später war ich nur noch in der Schmiede und musste vor allem Pflugschare schärfen. Das war eine schwere Arbeit. Die Hitze, den ganzen Tag am Feuer. Die Pflugschare mussten mit zwei Zangen ins Feuer gehalten werden und dann unter den Federhammer. Das war ein Lärm!

Vor dem Krieg gab es Lufthämmer, die mit einem Motor angetrieben wurden. Die gibt es jetzt auch noch. Heute gibt es ganz verschiedene Hämmer, große und kleine. Früher machten wir vieles mit der Hand, da schlug einer mit einem Vorschlaghammer drauf. Man konnte immer nur ein Stück machen, sonst ist das Eisen kalt geworden. Wir fertigten also Tag für Tag Schare. Und nach Feierabend beschlug ich noch Hufe. Manchmal auch bei den Pferden von der LPG, die hatten an die 80 Tiere. Zur Zucht, also Sportpferde. Die wurden nach der Wende abgeschafft. Das machte ich auch teilweise in der Arbeitszeit, die privaten Pferde nach Feierabend. Damals kamen auch die Bauern noch hier her mit ihren Geräten, mit Bindern und Grasmähern.

Hufeisen mit Hand
Friedhelm Melz, Hufschmied, Altwustrow Fotografie: Ingar Krauss 2016

Wir hatten unser Auskommen. Aber viel verdienten Handwerker nicht, da hatten die Traktoristen mehr. Gut verdienen konnte man nach Feierabend. Dazu hatten wir immer noch Tiere, die wir verkauften. Das brachte richtig Geld. Ein Bulle für 4000 Mark.

Bis nach der Wende habe ich bei der LPG beziehungsweise deren Nachfolgerfirma gearbeitet. Und auch mein Feierabendgewerbe hatte ich. Das hieß, nach der Arbeit noch mal raus, manchmal bis Mitternacht. Irgendwann war das zu viel. Ich hatte noch kein Auto und wurde von den Auftraggebern abgeholt, dann fuhren wir alle nacheinander ab. Und am nächsten Morgen wieder raus zur LPG.

1995 hörte ich im Betrieb auf und meldete mein Gewerbe an. Am Anfang machte ich mir schon Sorgen, ob ich es schaffe, alles zu bezahlen. Aber es wurden immer mehr Kunden und es ging. Irgendwann hatte ich zu tun, alle Anfragen abzuarbeiten. Viele hier in der Gegend schafften sich selbst Reitpferde an und brauchten einen Hufschmied. Man ist nicht reich geworden, aber man hatte Beschäftigung und sein Auskommen.

Würde ich noch mal anfangen, hätte ich gern einen zweiten Mann dabei. Die meisten Leute wollen ihre Pferde nicht mehr selbst aufhalten. Also ist es am besten, man bringt einen Aufhalter mit, der das macht. Manche Schmiede machen das auch allein und klemmen sich den Huf zwischen die Beine. Aber das ist gefährlich, da gab es schon viele Unfälle. Das Pferd braucht ja nur das Bein wegzuziehen und auszuhauen. Die Pferde hauen auch nach den Fliegen und Pferdebremsen, die wollen ja gar nicht treffen. Früher mussten laut Arbeitsschutz immer ein Aufhalter und ein Halter vorn am Kopf dabei sein. Ich beschlage das Pferd nur, wenn jemand da ist, der den Huf hält. Wenn der Auftraggeber nicht kann, muss er fragen, ob ich einen mitbringe. Deshalb haben einige Kunden jetzt auch andere Schmiede, die das allein machen.

Arm des Handwerkers
Friedhelm Melz, Hufschmied, Altwustrow Fotografie: Ingar Krauss 2016

Ausbilden kann ich nicht, aber mitlaufen könnte jemand. Aufhalten kann nicht jeder, man muss wissen, wie man anpackt und Kraft und ein bisschen Erfahrung braucht man auch. Dann könnte ich tagsüber mehr arbeiten und wäre nicht darauf angewiesen, dass die Besitzer da sind. Der Enkel war mal mit, aber das war schwierig, denn hier und da wird dann noch erzählt und Kaffee getrunken und das wollen die jungen Leute nicht, die wollen um 16 Uhr nach Hause.

Eigentlich bin ich Rentner, aber ich bin ja immer zu den Pferden gefahren und immer unter Leuten gewesen. Das würde mir schwerfallen, ganz aufzuhören. Wenn man immer in Bewegung war.

Für ein Pferd brauche ich etwa 15 Minuten nur fürs Ausschneiden, mit Beschlagen bis zu ein, zwei Stunden. Wenn Eisen drankommen, muss erst ausgeschnitten werden, dann das Eisen im Ofen warm gemacht und gerichtet werden. Ich habe für jede Hufform etwas dabei. Ich kenne die Pferde und weiß, was sie brauchen. Zu Hause in der Schmiede bereite ich die Eisen schon vor, schleife sie und bohre Löcher für Gewinde. Das braucht man bei Sportpferden, da werden dann Stollen reingedreht. Sonst rutschen die Pferde auf dem Rasen. Die werden nur für das Turnier eingeschraubt.

Vor Ort muss dann noch angepasst werden. Deshalb habe ich auch immer meinen Gasofen dabei, der bringt 1200 Grad. Dazu noch einen Amboss, einen Klotz und einen Hammer. Da muss man Augenmaß haben, wie der Huf aussieht, und so wird auch geschmiedet. Es muss ja genau passen. Man kann nicht hinterher vom Huf noch etwas abraspeln. Man muss das Eisen passend zum Huf machen. Dann wird es warm aufgebrannt, damit man sieht, ob alle Flächen gleichmäßig aufliegen. Sonst kippelt das, das wird dem Pferd unangenehm. Wenn es passt, wird das Eisen abgekühlt und angenagelt. Dann noch die Nägel abknipsen und unterhauen, bis es glatt ist.

Manche Pferde stehen dabei nicht still. Wenn es schwierig wird, muss der Tierarzt mit einer Beruhigungsspritze kommen. Dann stehen sie stiller.
Unser Werkzeug ist das gleiche geblieben. Das kann man nicht mechanisieren. Wir arbeiten mit Messern und Klingen, das Hufmesser ist ein Hufmesser. Nur die Materialqualität hat sich verändert, heute ist es Edelstahl, früher war es normaler Stahl. Heute kann man sich die Hufeisen nach Größen bestellen. Früher gab es nur so einen Rohling, wie eine Kramme, die musste man auf Länge schneiden und in die richtige Form bringen. Und es gibt viele Sorten von Eisen. Die unterscheiden sich in der Materialstärke, der Breite, man kann Stollen drauf schrauben oder für die Fahrpferde drauf schweißen, damit sich die Eisen nicht so schnell abnutzen und die Pferde auf Kopfsteinpflaster nicht rutschen. 

Inzwischen gibt es Hufeinlagen aus Plastik, sogar Plastikhufeisen, und Alueisen für den Rennsport. Die sind leicht. Auf der Rennbahn haben sie ja kleine Eisen. Hier in der Gegend hat keiner Plastikeisen. Es gibt auch schon Hufschuhe, ein Schuh um den ganzen Huf. Unten ist ein Eisen dran, damit das Leder nicht gleich durch ist. Mit Klettverschluss. Manche, die keine Eisen haben wollen, nehmen das zum Ausreiten. Das passt genau und verrutscht nicht. Es gibt auch die Möglichkeit, Eisen anzukleben mit Zwei-Komponenten-Kleber. Oder den Huf zu reparieren, ein Stück anzusetzen, wenn eine Ecke rausgebrochen ist. Oder es gibt Plastiksohlen, die werden untergenagelt, wenn die Sohle zu empfindlich ist, darunter kommt noch Silikon. Das ist schon orthopädisch.

Friedhelm Melz, Hufschmied, Altwustrow Fotografie: Ingar Krauss 2016

Es gibt immer weniger Handwerksbetriebe. Hier im Ort gibt es keinen anderen mehr. Nur die Druckerei gegenüber. Ganz früher gab es alles hier, eine Tankstelle, eine Schmiede, eine Poststelle, eine Gaststätte und einen Konsum, in diesem kleinen Ort. Wenn ich nichts mehr mache, ist keiner mehr hier, der mal eine Schere oder einen Meißel schärft. Das mache ich ja noch. Auch Türbänder oder Hespen habe ich gemacht. Das hat mir immer gefallen, in der Schmiede. Aber meistens habe ich dafür keine Zeit, weil dann die Pferde doch vorgehen. Viele Sachen wie Türbänder gibt es ohnehin zu kaufen, so etwas ist keine Schmiedearbeit mehr.

Im Altranft gab es früher immer am Monatsende einen Aktionstag. Alle Handwerker waren dort, viele Gewerke. Ich habe in der Schmiede Pferde beschlagen, die Kinder konnten mal den Blasebalg ziehen und ich habe etwas geschmiedet. Später fand das nur einmal im Jahr statt. Auch beim Schaupflügen war ich und habe dort Pferde beschlagen, damit die Leute sich das anschauen konnten. Zu Pfingsten bin ich immer beim Reitturnier. Da muss die ganze Zeit ein Hufschmied dabei sein.

Neuerdings gibt es Hufpfleger. Oftmals sind das Frauen. Die lernen das einen Monat lang. Eigentlich dürfen die nur die Hufe ausschneiden. Die können nicht schmieden und nehmen vorgefertigte Eisen, ohne sie anzupassen. Das macht das Image kaputt.

Aus: Handwerk – Fotografien von Ingar Krauss und Berichte von Handwerkern aus dem Oderbruch. Werkstattbuch 1, Aufland Verlag 2016

Die Texte entstanden im Zusammenhang der Recherchen
für das Projekt »Ein Handwerkerhaus für Altranft«
im Rahmen des Themenjahres Kulturland Brandenburg 2016
»handwerk – zwischen gestern & übermorgen«.

Kulturland Brandenburg
Trafo
Landkreis Märkisch-Oderland