Unsere Bäckerei ist ein Treffpunkt

Peter Studier, Bäckermeister in Gusow

Aufgeschrieben von Katja Lehnert

Handwerker im Oderbruch
Peter Studier, Bäcker, Gusow Fotografie: Ingar Krauss 2016

Ich bin in die Bäckerei hineingewachsen. In der frühen Jugend hatte ich auch mal andere Ideen, aber als es an die Berufswahl ging, hat sich doch alles auf Bäcker ausgerichtet. Als Kind hat man natürlich Vorstellungen, ich wollte Lokführer werden oder Elektriker, und wenn irgendwo ein Stück Kabel übrig war, habe ich damit rumgebastelt. Aber mit 13, 14 Jahren half ich schon in den Ferien bei meinem Vater in der Backstube. Da war die Richtung eigentlich klar, auch weil ich relativ traditionell eingestellt bin. Bald war es für mich entschieden, dass ich zu Hause bleibe und die Bäckerei weiterführe. Das war mein Ziel. Und das habe ich auch so durchgezogen.

Ich war das einzige Kind. Ich habe bei meinem Vater gelernt, von 1976 bis 1978. Wir waren ein gutes Team, ich kam mit meinem Vater immer gut klar. Das war eine schöne Zeit. Der einzige Nachteil aus heutiger Sicht ist der, dass ich mal woanders hätte reinschnuppern sollen, um noch ein bisschen mehr zu sehen und mitzukriegen. Hier übernahm ich ja bloß das, was mein Vater machte und was in der Berufsschule gelehrt wurde. Früher gingen die meisten Handwerker nach der Lehre auf Wanderschaft. Das war zu Ostzeiten nicht mehr üblich und man ist eben zu Hause geblieben. Dann kamen die Armee und der Meister, und dann war ich so eingespannt, dass gar keine Zeit mehr blieb, woanders hinzugehen. Im Großen und Ganzen war ich immer hier, bis auf einen Meisterlehrgang, da war ich mal ein paar Wochen weg. Und die Armee, da war ich natürlich auch anderthalb Jahre weg. Doch ansonsten war ich immer hier.

Uns gibt es hier in dritter Generation. Die Bäckerei ist eigentlich noch älter, mein Großvater kam 1938 aus Berlin und hat den Betrieb gekauft. Er hatte in Köpenick gelernt, von 1905 bis 1908. Der ist noch auf Wanderschaft gegangen, ein paar Jahre lang. Dann musste er in den Krieg ziehen, er war Feldbäcker im Ersten Weltkrieg und musste deswegen nicht an die vorderste Front. Er kam unversehrt wieder nach Hause und war noch jahrelang in Berlin als Geselle tätig. Im mittleren Alter machte er sich selbständig, weil er etwas Sicheres für die Zukunft haben und nicht auf Dauer Geselle bleiben wollte. Das war in den 30er-Jahren, da ging es schon wieder auf den nächsten Krieg zu. Um Sicherheiten zu schaffen, ist er hier rausgegangen. Und meine Großmutter, seine Frau, die stammte ursprünglich hier aus Gusow, und dadurch kannte er die Gegend. Meine Großmutter ging als junge Frau nach Berlin in Stellung, wie das damals so war. Beide lernten sich im selben Betrieb kennen. Mein Vater wurde noch in Berlin geboren und dann sind sie rausgezogen, als die Bäckerei in Gusow zum Verkauf angeboten wurde und haben sie übernommen. Als ich Kind war, war der Großvater schon tot. Die Großmutter lernte ich noch kennen, aber als ich fünf Jahre alt war, ist auch sie gestorben, das war 1965.

Bäckerei Peter Studier, Gusow Fotografie: Ingar Krauss 2016

Die Meisterschule habe ich von 1980 bis 1982 gemacht. Ich war ein recht junger Meister, aber das war auf eine Art ganz gut, denn das Theoretische ging dadurch nahtlos weiter, das hatte ich alles noch parat und musste es nicht erst wieder aus dem Gedächtnis vorkramen. Wenn man erst mal längere Zeit raus ist aus der Schule, wird es ja in der Richtung immer schwieriger. Als ich mit meinem Meister fertig war, war ich 22. Mit 24 wurde ich zur Armee eingezogen, blieb aber dort als Feldbäcker mit dem Beruf in Verbindung. 1984 bis 85 war ich bei der Armee. 1986 habe ich geheiratet und die Familie gegründet.

Wenn man so ein Bäckereigeschäft hat, braucht man einen Vorlauf, damit bei Ladenöffnung etwas in den Regalen liegt, die Körbe gefüllt sind und der Kuchen fertig ist. Und dementsprechend zurückrechnen muss ich, bis 0.30 Uhr in der Nacht, zu dieser Zeit fange ich an. Normalerweise ist um 11 Uhr vormittags Schluss, dann ist Mittagspause. Am Nachmittag mache ich noch mal ein bisschen was, die Vorbereitungen für den nächsten Tag. Und man hat ja auch noch Haus und Hof und alles. Ich schlafe nach dem Mittagessen, von 13 bis 15 Uhr. Dann abends von 20 bis 22 Uhr, danach gehe ich den Sauerteig ansetzen, und dann schlafe ich noch mal zwei Stunden. Sechs Stunden, in drei Etappen. Das reicht, das ist mein Rhythmus. Im Urlaub ist das schwierig. Dann habe ich die ersten Tage zu tun, um mich auf das länger Aufbleiben und das Ausschlafen umzustellen. Man ist morgens zeitig wach und abends, wenn die anderen feiern, hängt man in den Seilen. Ist so eine Zeitverschiebung. Zu Hause war das normal, die Eltern haben diesen Rhythmus vorgelebt, und dann kennt man das nicht anders. Das war nie ein Problem für mich, zu einer bestimmten Zeit aufzustehen und anzufangen. Das ist eben so.

Ich habe noch jemanden, der morgens in der Backstube hilft, in Teilzeit, für fünf Stunden im Schnitt. Das ist jemand angelerntes, zum zuarbeiten. Meine Frau macht auch mit. Als hier der Straßenbau war und die Bäckerei nicht so gut lief, haben wir die Backstube für ein paar Jahre ganz allein gemacht. Aber jetzt ist es besser, wenn noch Unterstützung da ist. Und Frau Weiß, unsere Verkäuferin, ist schon 25 Jahre bei uns.

Bei meinem Vater, je nachdem wie groß die Arbeitsmenge war, hatten wir auch zeitweilig Mitarbeiter. Vor der Wende waren ja andere Mengen an Brot zu backen, da waren wir zu dritt in der Backstube.

Dieses Jahr werden es vierzig Jahre, dass ich als Bäcker tätig bin. Mit dem normalen Rentenalter wäre das Soll erfüllt. Aber man weiß ja nie, ob man es gesundheitlich solange schafft und umgekehrt, ob man hinterher noch sagt, na ja, vielleicht noch ein bisschen als Nebenerwerb weitermachen. Das kann ich jetzt nicht sagen. Ich möchte es erreichen, dass ich meine Pflicht erfüllt habe. Aber ob ich das schaffe, bis zum Rentenalter, ist eine andere Frage.
Eine Nachfolge ist nicht in Sicht. Es gibt zwar Söhne und auch einen Enkel mittlerweile, aber ich will da niemanden reindrängen, das muss sich ergeben. Die Söhne haben jeder einen anderen Beruf, der eine ist Veranstaltungstechniker in Frankfurt (Oder) in der Konzerthalle, der andere ist im Versicherungswesen.

Ganz zu Anfang, als mein Vater den Betrieb von seinem Vater übernommen hatte, war hier ein Lehrling, der bei meinem Vater auslernte. Später ist er ausgewandert nach Australien. Der meldet sich immer noch zu den Geburtstagen. Der hat sich dort in der Gastronomie etwas aufgebaut, aber mittlerweile ist er auch schon im Rentenalter. Ich habe noch niemanden ausgebildet. Wir sind ja so klein, und dann ist mir das zu viel Aufwand noch nebenbei. So habe ich mein Programm, mein Sortiment, und das ziehe ich durch. Wenn ich einen Lehrling hier hätte, dem müsste ich ja alles zeigen, der müsste alles machen. Und manche Sachen hat man selbst lange nicht gemacht. Für so einen kleinen Laden geht das an der Rentabilität doch ein bisschen vorbei. Es hat sich aber auch noch nie jemand als Lehrling beworben.

Das Schöne an dem Beruf ist, dass man was schafft. Die gesamte Produktion hat man praktisch in eigener Hand. Von den Zutaten, die man bestellt oder ranholt, bis zum fertigen Produkt, dem Backwerk, das dann in den Laden kommt. Und man hat auch die Rückkopplung über den Kunden, ob es ihm schmeckt oder nicht. Wenn die Leute zufrieden sind und wiederkommen, kann es besser nicht sein. Es gibt auch Schwankungen. Das ist eigentlich das Schwierigste, dass man die Schwankungen vorher nicht immer einschätzen kann, die Bedarfsschwankungen. Das ist mal mehr, mal weniger. Selbst wenn man von einer Woche zur anderen Buch führt, die Tage kann man nicht vergleichen, die fallen immer wieder ein bisschen anders aus. Das sind Schätzungen, man guckt ein bisschen auf die Wetterlage, die Saison, die Feiertage, das spielt alles eine Rolle. Das sind Erfahrungswerte und trotzdem kann man auch danebenliegen. Das kommt vor. Wenn man nun Brötchen und solche Sachen übrig hat, da lassen sich geriebene Semmeln draus machen, und ansonsten gibt es Abnehmer, die sich das für ihre Karnickelzucht holen. Oder für die Hühner, die picken auch allerhand. Im Großen und Ganzen hat alles seinen Kreislauf. Natürlich ist das finanziell gesehen ein Verlust. Einen gewissen Verlustfaktor muss man immer in die Kalkulation einbauen, das macht jeder so. Man verkauft nie 100 Prozent, das schafft keiner.

Die Qualität der Zutaten ist jetzt durchweg gut. Heutzutage hat man nicht das Problem, dass da was nicht in Ordnung ist. Früher hatte man mit Eiern öfter Probleme, oder mit Hefequalitäten, auch beim Mehl gab es größere Schwankungen.

Das Mehl bekomme ich direkt von der Mühle, aus der Heidemühle Kummers­dorf im Fläming. Die liefern das an. Für die anderen Sachen wie Zucker und Fett haben wir eine Einkaufs- und Liefergenossenschaft, die Bäko. Die kaufen das en gros ein und bekommen dadurch bessere Preise, als wenn man das selbst irgendwo holt. Die kommen mit dem Lieferwagen jede Woche rum, man kann bestellen, was man braucht, und dann wird es gebracht. Das war früher auch schon so, da gab es bloß noch mehrere kleinere Genossenschaften. Wir hatten auch in Seelow eine, die ist irgendwann eingegangen, aber bis 2003 hat sie noch existiert. Die jetzige sitzt in Michendorf, ist aber auch schon wieder ein Teil von einer noch größeren Gruppierung. An der Seelower Genossenschaft hatten wir alle noch Anteile, die ganzen Bäcker. Aber wenn so eine Sache eingeht, sind die Anteile futsch. Man haftet ja als Genossenschaftler mit. Bei der jetzigen bin ich deshalb nicht mehr Mitglied, ich bin bloß Kunde, das reicht mir.

Wir haben nach der Wende den Betrieb ganz allmählich erneuert, manche haben ja gleich Hauruck alles raus und alles neu und sich damit oft verschuldet. Und wenn es dann nicht lief, war das das Ende. Ich habe das immer überschaubar gehalten, auch wie ich es finanziell durchstehen konnte mit den Neuerungen. Ich habe nicht alle Maschinen gleich auf einen Ruck gekauft, das ging immer nach und nach. Der größte Happen war der neue Ofen, der ist mittlerweile nun auch schon über zwanzig Jahre alt. Das war damals nicht mit eigenen Mitteln zu schaffen. Das war ein Mietkauf und ich habe noch Gelder aufgenommen, um das zu finanzieren.

Wir stellten zu der Zeit von Kohleofen auf Öl um. Wir haben uns einen mit Steinplatten ausgekleideten Backofen ausgesucht, dessen Backraum und Backverhalten dem Steinbackofen ähnelt. In der ganzen Betriebsführung behielten wir das Programm, wie es vorher war, bei, die gleichen Abläufe. Dadurch hat sich nicht so viel geändert. Es war nicht so schwierig, wie wir uns das gedacht hatten, die Umstellung ging relativ leicht. Der Ofen ist von 1994, kein Ofen, wie man sich ihn vorstellt, Stein auf Stein, sondern das ist ein technisches Gerät, das jedes Jahr gewartet werden muss. Da kommt ein Spezialist, der sich den Brenner vornimmt und die Dampfanlage und was da alles ist. Man ist abhängig von der Technik, das ist klar. Wenn beim alten Ofen ein Stein lose war oder eine Herdplatte, da konnte man zur Not selbst Hand anlegen. Das geht jetzt nicht mehr.

Insgesamt gesehen ist so ein moderner Ofen eine Erleichterung. Der alte Ofen war noch richtig per Hand zu befeuern, da mussten Brennstoffe rangeschafft werden. Kohle oder Holz mussten immer bereit stehen. Die Asche hat natürlich Dreck gemacht, die fliegt ja überall herum. Auf Dauer wäre das sowieso nicht so weitergegangen. Heute machen viele wieder etwas mit Holzbacköfen, das ist groß in Mode, aber eher ein Schaubacken. Mit dem alten Ofen wäre es unter Bestandsschutz noch eine Weile weitergegangen, doch irgendwann hätten die Behörden das sicher aus hygienischen Gründen verboten.

Kontrollen hat man. Die gucken nach Ungeziefer und Sauberkeit und ob alles dokumentiert wird, also Lieferscheine und solche Sachen. Sie kommen unangemeldet, ein bisschen sollte man immer eine Basis haben, damit man einer Kontrolle standhält.

Die Kunden erwarten frische und preiswerte Backwaren, aber auch dass man mal etwas Spezielles auf Wunsch macht. Ich versuche, dem entgegenzukommen. Erwartet wird natürlich auch Freundlichkeit vom Verkaufs­personal, das ist klar, und dass es so schmeckt wie immer. Ich entwickle das Backen nach den heutigen Anforderungen weiter, aber im Großen und Ganzen gehen alle Rezepte auf meinen Vater beziehungsweise meinen Großvater zurück. Größen ändern sich mit der Zeit, etwa von großen Broten auf kleinere Brote. Ich probiere auch andere Sorten, die es früher nicht gab. Körner etwa hatte man früher gar nicht. Aber heutzutage geht es nicht ohne. Beim Kuchen ist das Sortiment im Wesentlichen auf alter Grundlage geblieben. Die Rezepte habe ich alle handschriftlich, was ich täglich brauche, habe ich im Gedächtnis. Aber was seltener ist, wie Saisonware zu Weihnachten, da guckt man schon mal nach von einem Jahr aufs andere.

Zu Ostzeiten musste jedes Gebäck durch die Preiskontrolle, das heißt man musste jedes Rezept einreichen. Samt Kalkulation, die musste erst genehmigt werden. Sonst durfte man nichts verkaufen. Jetzt ist das alles frei, da fragt keiner mehr nach. Nur das Eichamt prüft, ob die Gewichte in Ordnung sind. Preis und Gewicht müssen in der Auszeichnung stimmen. Wenn man ein neues Rezept hatte, musste das erst aufgelistet werden, was ist da alles drin, was kostet das, da waren die Preise über längere Zeiträume immer gleich. Da ging es nicht so rauf und runter wie heute, dass man jedes Jahr einen anderen Preis hat, das blieb manchmal über Jahrzehnte gleich.

Ein Handwerker zu Ostzeiten durfte nicht mehr als zehn Gesellen beschäftigen, oder zehn Mitarbeiter, das war das Limit. Größer konnte keiner werden. Und es gab auch Versuche in den 70er-Jahren, hier eine Bäcker-PGH aufzubauen, in die sich alle Betriebe einbringen sollten. Das hat aber nicht funktioniert. Bei den Tischlern gab es das, bei Baubetrieben, Dachdeckern, Schuhmachern und Elektrikern, die hatten alle so was. Aber bei den Bäckern war das schwer machbar, weil sie ja alle in verschiedenen Orten saßen. Obwohl, in Neuenhagen bei Berlin, da gab es das, eine Bäcker-PGH. Hier draußen
im Oderbruch ist daraus nichts geworden.

Man hatte trotzdem seinen Plan, sein Soll, das man zu erfüllen hatte. Man unterstand der Abteilung ÖVW, der Örtlichen Versorgungswirtschaft, beim Rat des Kreises früher. Die stellten das Leitungs-, Planungs- und Kontroll­organ für die privaten Handwerker dar. Die Versorgung der Bevölkerung musste ja gesichert werden. Und in Urlaubszeiten, da haben die hin- und herjongliert, wo sie das Brot für Gusow herkriegen. Damals gab es hier noch zwei Bäcker, das ging deshalb relativ einfach. Bäcker Semmler machte dann mehr und umgekehrt, wenn der Urlaub hatte, machte ich mehr. Wenn das doch nicht gereicht hatte, bekam man Zulieferungen, aber das ging alles über diese Stelle, die das koordiniert hat. Die führten auch Qualitätskontrollen durch, da gab es Brotprüfungen, und davon abhängig waren dann wieder auch Stützungsgelder und so was alles. Wer seine Punkte nicht schaffte, dem wurde die staatliche Preisstützung gekürzt. Solche Druckmittel gab es. Die kamen einmal im Quartal. Und wenn man sehr gut war, bekam man eine Urkunde überreicht. Wenn man durchfiel, konnte das bedeuten, dass man an diese Gelder rangegangen ist. Es gab eine Kommission. Das Brot wurde an den Prüfungs­tagen eingesammelt, die Kommission tagte, hat verkostet und bewertet. Da war ich selbst auch ein paar Jahre dabei, also ich weiß, wie das lief.
Ich bin mit meinem Betrieb ausgelastet. Wenn ich mich mehr engagierte, würde mich die Handwerkskammer sicher wegen der Prüfungskommission fragen. Das wäre mir zu viel, das sage ich ganz ehrlich. Wenn ich hier meine Schicht rumhabe, bin ich erschöpft und das reicht.

Die Qualität muss stimmen. Und ein ansprechendes Äußeres gehört dazu, nicht bloß der Geschmack. Es sollte schon eine vernünftige Form und Aufmachung haben. Wenn ein Brot vom Schieber gerutscht ist, kann man das nicht mehr nehmen. Vielleicht noch als Rustikales. Heutzutage hat man für Brot und Brötchen meistens Abroller, da rutscht nichts runter. Aber früher, da konnte das schon mal passieren. Deutschland ist ja das Land mit den meisten Brotsorten. Jeder macht das ein bisschen anders, jeder hat eine andere Art zu arbeiten, eine andere Art der Teigführung. Die lokalen Geschmäcker und Zutaten sind ganz unterschiedlich. In manchen Gegenden hauen die überall Kümmel rein, was hier gar nicht ginge.

Die Zahl der Betriebe ist seit Jahren rückläufig. Auch der Anteil an der Gesamtbackwarenproduktion, alles zugunsten der Großen, der Fabriken eben, der Industrie. Man kann da preislich nicht mithalten, das geht nicht. Wenn ich Handwerker bin, kann ich nicht eine Schrippe für 13 Cent verkaufen. Oder ein Brot für einen Euro. Weil man viel mehr Arbeitsaufwand hat, handwerkliche Tätigkeiten, die Zeit brauchen, bei denen man keine großen Mengen in dieser Zeit schafft, als wenn sie vom Band kommen, das kann man nicht vergleichen. Und auch wenn wir die Bäko haben, man kauft die Zutaten ja nicht palettenweise ein. Daher bezahlen wir mehr als die Industrie.

Und dann sind da eben die Arbeitsbedingungen. Den ganzen Tag körperliche Arbeit, das ist nicht jedermanns Sache und auch die Arbeitszeiten sind nicht jedermanns Sache. Vielfach kommt der Rückgang dadurch, dass die nächste Generation schon jetzt fehlt.

Für jemanden, der nicht familiär damit verbunden ist und neu etwas aufziehen wollte, ist das eine finanzielle Frage. Für eine Bäckerei sind ein Haufen Maschinen und Einrichtungssachen nötig. Man braucht ein entsprechendes Firmengebäude mit Verkauf und Produktion und Lager. Wenn einer bei null anfängt, wird es teuer. Auch Übernahmen sind teuer. Jemand, der aufhört, möchte ja einen guten Preis für sein Geschäft.
In Frankreich gibt es eine geschützte Marke der Handwerksbäcker, die heißt Artisan boulanger. Solche Ideen könnte es hier auch geben. Und Möglichkeiten, sich mehr in der Öffentlichkeit darzustellen sind da. Aber ich selbst habe mein Auskommen. Ich brauche das nicht unbedingt.

Ich bin eben eine Nummer zu klein für die Zukunft. Denn die Zukunft sieht so aus, dass man über Land fahren und noch mehr Geschäfte haben muss, damit man eine Produktion hat, die rentabler ist, als solche Miniserien, wie ich sie hier mache. Ich mache vielleicht fünf Weißbrote am Tag, und davon ein paar und davon ein paar. Das ist von der Produktion her nicht rentabel. Aber ich brauche keine 20 Weißbrote backen, weil ich sie nicht loswerde.

Die Bäckerei ist gewissermaßen ein Treffpunkt, hierher kommen viele, um Neuigkeiten auszutauschen. Aber umgekehrt ist es nicht so, dass man alle aus dem Ort als Kunden hätte. Die Durchfahrtsstraße ist recht günstig, die bringt einen Teil auswärtiger Kunden. Aber man hat niemals alle aus dem Dorf. Man braucht nicht denken, dass alle sich freuen, wir haben hier einen Bäcker, hier gehen wir einkaufen. Es gibt genug, die woanders hinfahren, oder eben zu unseren Öffnungszeiten gar nicht hier sind. Viele arbeiten auswärts, die sind früh weg und kommen erst spät nach Hause. Die haben im Prinzip davon gar nichts. Wenn Sie mal im Dorf unterwegs sind, wie viele Leute treffen Sie denn da? Die meisten kommen mit dem Auto vorgefahren. Früher gab es hier im Ort mehr Arbeitsplätze, da waren auch mehr Leute unterwegs. Die hatten andere Zeiten, die meisten fuhren nach Seelow zur Arbeit, sind mit den Bussen morgens raus und nachmittags waren sie wieder da. Aber wenn die jetzt bis Berlin fahren oder Frankfurt (Oder), sind die nicht nachmittags wieder da. Die kommen erst um 18 oder 19 Uhr wieder. Da sind wir schon fertig zum Schlafengehen. Es hat sich eben manches verändert in dieser Hinsicht. Und mit der Kaufkraft ist es so, dass manchen ein Handwerksbäcker zu teuer ist. Ich sehe das, wenn ich mal selbst einkaufen fahre, nach Seelow oder so, was die Leute in ihren Körben haben. Viele nehmen ein Brot aus dem Supermarkt. Weil es eben billig ist. Und weil sie alles auf einmal einkaufen können, nicht mehr extra hier anhalten müssen.

Das ist für mich eine Parallelwelt, das sehe ich mir gar nicht an. Das brauche ich nicht. Wenn wir hier wirklich mal ein paar Tage aussetzen, haben wir meistens noch einen Vorrat, und damit kommen wir über die Zeit. Und wenn es eine Woche ist oder 14 Tage, haben wir immer noch ein Brot im Eisschrank. Es kommt sehr selten vor, dass ich fremdes Brot kaufe, vielleicht im Urlaub. Und da gehe ich natürlich zum Handwerksbäcker, wenn es einen gibt. Wenn ich nach dem Urlaub den Sauerteig wieder hochfahren muss, ist es besser, vom Kollegen ein Stück zu holen. Den kriegt man schneller zum Gären, als wenn man den selbst ansetzt. Dazu habe ich hier meinen Partner, den Bäcker Kirscht in Lietzen. Wir tauschen immer hin und her, wenn der Urlaub macht oder ich. Dann nehme ich auch mal ein paar Brötchen von dort mit, das ist klar. Als es hier im Dorf noch den anderen Bäcker gab, habe ich da den Sauerteig nach dem Urlaub geholt und umgekehrt. Die sind 1999 in Rente gegangen und haben zugemacht. Da gab es auch keinen Nachfolger.

In der Handwerkskammer bin ich drin, muss man ja. Aber ich bin auch Innungsmitglied. Man kriegt Informationen über neue Gesetze und anderes. Oder Unterstützung, die haben auch Betriebsberater im Arbeitsrecht. Mit allen möglichen Fragen, die auftauchen können, kann man sich da hinwenden. Und bei der Handwerkskammer genauso, die haben auch ihre Sachverständigen. Klar wollen die Geld, das geht nicht ohne, die haben ja auch ihre Verwaltung, die davon existiert. Aber gibt es Probleme oder Fragen, kann man sich da hinwenden und hat eine gewisse Rechtssicherheit. Man hat den Hintergrund, wenn wirklich mal was ist. Ich finde das sinnvoll. Die Innung handelt auch Preise aus mit der Energieversorgung. Und sie führen Tarifverhandlungen, geben Tariftabellen heraus. Da hat man eine gewisse Sicherheit, die stärken einem den Rücken.

Aus: Handwerk – Fotografien von Ingar Krauss und Berichte von Handwerkern aus dem Oderbruch. Werkstattbuch 1, Aufland Verlag 2016

Die Texte entstanden im Zusammenhang der Recherchen
für das Projekt »Ein Handwerkerhaus für Altranft«
im Rahmen des Themenjahres Kulturland Brandenburg 2016
»handwerk – zwischen gestern & übermorgen«.

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