Sommerschule zur Landschaftskommunikation 2014 – 21.09.-26.09.2014, in Wilhelmsaue.
Präsentiert am 25. September in der Schlosserei der Agrogenossenschaft Schiffmühle in Gabow
Das Oderbruch und die angrenzende Höhenregion des Barnims verfügen über eine Vielzahl an Heimatstuben und agrargeschichtlichen Museen in unterschiedlicher Trägerschaft. Öffentlich geförderte und professionell geführte Einrichtungen, private Dorf- oder Handwerksmuseen sowie Heimatstuben in der Regie von Heimatvereinen tragen auf ihre individuelle Weise zum kulturlandschaftlichen Bewusstsein der Region bei.
Der langfristige Fortbestand der Einrichtungen ist in vielen Fällen im Kontext der demografischen Veränderungen der Region gefährdet. Bei den auf privatem Engagement fußenden Häusern fehlt oftmals eine geeignete Nachfolge bzw. ein hinreichender kollektiver Rückhalt, bei den öffentlichen Einrichtungen stehen die öffentliche Trägerschaft und der politische Wille infrage, diese Einrichtungen zu unterhalten. Am ehesten scheinen jene Einrichtungen für die aktuellen Veränderungen gerüstet, die sich lokalem bürgerschaftlichen Engagement und kommunalem Rückhalt erfreuen können. Dennoch lässt sich auch hier schon anhand der Akteure ein Generationsproblem ausmachen: Es fehlt engagierter Nachwuchs.
Für die Existenzprobleme sind allerdings nicht nur demografische Rahmenbedingungen verantwortlich, sondern auch eine veränderte Lebenskultur in der Region selbst. Viele jüngere Menschen gehen nicht davon aus, dass ihnen die Investition in ein kollektives Kulturlandschaftsbewusstsein bei der Lösung ihrer aktuellen Probleme helfen kann. Die Konflikte der Energiewende, die Veränderungen der modernen Landwirtschaft, der schwierige Zugang zu den Arbeitswelten, die ländliche Mobilität oder die Suche nach modernen Gemeinschaftsformen lassen sich nicht allein mit dem Blick zurück bewältigen. Der Blick nach vorn in den inflationären „Zukunftswerkstätten“ der Regionalentwickler ist wiederum oftmals ohne Bodenhaftung. Es fehlt also eine überzeugende Verbindung zwischen dem historischen Bewusstsein und dem Blick auf die Gegenwart oder gar in die Zukunft.
In der Sommerschule mit der HNE Eberswalde befragten 13 Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Betreiber und Unterstützer von Heimatstuben und Dorfmuseen im und am Oderbruch nach ihren Motivationen und Erfahrungen. Hier geben wir einige Aspekte der abschließenden Präsentation wieder.
Zitate
Kurze Charakteristik der besuchten Orte:
EIN SPEICHER VOLLER GESCHICHTE. Die Heimatstube Wollup
Der Kornspeicher, in dem sich unsere Heimatstube befindet, gehörte zu den Wirtschaftsgebäuden der staatlichen Domäne Wollup. Heute liegt er wie ein Speicher der Vergangenheit inmitten einer modernen Agrarlandschaft: Eine Batterie zum Wiederaufladen unseres geschichtlichen Bewusstseins!
Die umfangreiche Ausstellung ist ebenso unterhaltsam wie auch voller anregender Spuren in den Ort Wollup, dessen Existenzgrundlage seit Jahrhunderten die Landwirtschaft ist. Armut und Wohlstand lagen hier immer nahe beieinander, aber über die Jahrhunderte hat das jeweilige Verhältnis von Mangel und Überfluss sehr verschiedene Lebensweisen hervorgebracht: Einst die arme Landbevölkerung und ihr reiches dörfliches Leben, heute ein gestiegener Lebensstandard in der Gesellschaft, aber eine Verarmung der dörflichen Gemeinschaften.
Die Heimatstube führt in die Entwicklung der Domäne ein, berichtet über das Leben des Landwirtschaftsreformers Johann Gottlieb Koppe (von 1827 bis 1860 Pächter der Domäne), enthält Sagen über den Ort und Berichte über den Neuanfang des ländlichen Lebens nach dem zweiten Weltkrieg sowie viele Angaben zur Entwicklung der Wolluper Landwirtschaft in der DDR. Vor allem aber wartet sie mit einer großen Vielfalt an Zeugnissen des ländlichen Lebens auf: Haushalts- und Küchengeräte, landwirtschaftliche Maschinen, Möbel und Spielzeug sind auf zwei Etagen zu bewundern.
Diese Sammlung wurde vor allem von der Wolluperin Ruth Schwetschke angelegt.
Nach der Besichtigung kann man sich bei einem Spaziergang durch den verwunschenen Gutspark mit seinen alten Bäumen und Wasserläufen erholen. An den Park schließt sich das 1863 gebaute und vom jetzigen Besitzer der Domäne Heinrich Weber restaurierte Gutshaus an. Rudimente der alten Struktur des Gutes sind noch gut zu erkennen.
Besuchen sie uns!
LOIS HENRI AN DER SCHIFFMÜHLE. Das Fontanehaus Schiffmühle
Schiffmühle entstand erst im 19. Jahrhundert als Handwerker- und Arbeitersiedlung, ist also jünger als die meisten Ortschaften in der Nachbarschaft. An vielen Stellen im Ort – entlang der alten Oder und auch in den oberhalb liegenden Höhen – wird man noch Spuren der Arbeit finden, z.B. die alten Tongruben. Seinen Namen aber hat der Ort von der auf wechselnde Wasserstände ausgelegten Schiffmühle, die ungefähr an dieser Stelle gegenüber dem Fontanehaus in der alten Oder lag. In der Ausstellung ist ein Modell dieser Mühle zu sehen. Auch wenn man heute sicher nicht mehr auf diese Weise Energie gewinnen würde, so ist dieses Zeugnis doch ein guter Anlass, über heutige Formen lokaler Energiegewinnung und -nutzung ins Gespräch zu kommen.
Der Zufall wollte es, dass Theodor Fontanes Vater Louis Henri Fontane in diesem Haus seine letzten Lebensjahre verbrachte. Den Apotheker hatte es nach schwierigen Lebensstationen hierher verschlagen, wo er auch von seinem Sohn besucht wurde. Von einem dieser Besuche hat Theodor Fontane eine schöne Schilderung gegeben, die auch eine kleine Beschreibung der damaligen Landschaft zwischen Falkenberg und Schiffmühle enthält. Um an diesen Zusammenhang zu erinnern, wurde das Haus erhalten und restauriert. In gewisser Hinsicht steht Louis Henri für einen bestimmten Typ des Siedlers auf dem Land, wie wir ihn auch heute noch finden und an dem wir sehen können, dass das Land als Rückzugsort für viele Menschen sehr wertvoll sein kann.
Unter der Regie von Helmut Otto vermittelt das regelmäßig geöffnete Haus sowohl die Spuren der Fontanes als auch einige Eindrücke aus der Ortsgeschichte – vor allem eine üppige Sammlung an Schriften und alten Fotografien.
Übrigens: das Grab von Louis Henri Fontane befindet sich hinter der Kirche Neutornow, nur knapp anderthalb Kilometer von hier in östlicher Richtung.
VON DER FÜLLE EINES DORFES: Die Heimatstube Hohensaaten
Hohensaaten ist ein großes und kulturgeschichtlich sehr reiches Dorf. Noch heute ist gut zu sehen, dass es sich an der Schnittstelle von Oderbruch und den angrenzenden eiszeitlichen Höhenlagen befindet und aus beiden Richtungen seine Prägungen erhalten hat: Fischerei, Schifffahrt und Landwirtschaft haben in den Häusern, Straßen und entlang der Oder ihre Spuren hinterlassen. In den vier gut gestalteten Ausstellungsräumen wird man deshalb sowohl Fischereiutensilien, Landwirtschaftsgeräte und Handwerkszeug finden. Vier gut sortierte Ausstellungsräume wecken eine Vorstellung davon, was Hohensaaten einst ausgemacht hat.
Und was macht das Dorf heute aus? Wer die alten Schulklassenfotos in der oberen Etage sieht und mit einem Mitglied des Heimatvereins ins Gespräch kommt, kann heute noch viele Hohensaatener darauf wiederfinden. Aber die Menschen werden weniger und ihre dörfliche Kultur lebt nicht mehr ohne bewusste Pflege.
Der erst 2003 gegründete Heimatverein hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, dem Verlust an dörflicher Kultur durch seine Arbeit entgegenzuwirken. Dazu dienen die neu hergerichteten Vereinsräume in dieser alten Stallanlage, direkt an der Dorfstraße. Hier werden regelmäßig Veranstaltungen angeboten und in Arbeitskreisen z.B. das Hohensaatener Platt gepflegt. Der Verein hat über 100 Mitglieder und ist vor allem auf deren Engagement und handwerkliche Fähigkeiten angewiesen. Als kulturelles Zentrum für das Dorf bietet die Heimatstube Hohensaaten auch einen kleinen touristischen Anlaufpunkt. Wo hier einst Schmiede, Gasthof und Schule waren? Fragen sie nach!
WERKSTÄTTEN FÜR DIE HEIMAT: Die Letschiner Heimatstuben
am Haus Birkenweg
Letschin ist ein großes Dorf in der Mitte des Oderbruchs mit einer vielfältigen landwirtschaftlichen Tradition. Durch den Krieg sehr gezeichnet, hat es sich dennoch immer ein starkes Selbstbewusstsein als zentraler Ort in der Landschaft bewahrt. Dem entspricht auch, dass Letschin seine schon in den siebziger Jahren begründete Heimatstube als öffentlichen Ort sehr ernst nimmt. Die hier im Haus Birkenweg gezeigte Sammlung geht auf den Lehrer Ernst Tietzeaus Quappendorf und den Landwirt Alfred Böhme aus Letschin zurück und wurde bis heute nicht nur stets erweitert, sondern es wird auch immer mit dem Bestand gearbeitet. Die Heimatstube und ihre Sammlungen stehen jedermann zur Besichtigung frei – auch das Archivmaterial kann eingesehen werden, wenn jemand eigene Forschungen anstellen will.
Neben der Orts- und Landschaftsgeschichte ist ein Raum auch dem Dichter Theodor Fontane gewidmet, dessen Familiengeschichte sich über einige Jahre auch in Letschin abgespielt hat.
Das Haus Birkenweg ist mehr als eine gewöhnliche Heimatstube. Von der Gemeinde mit etwas Personal ausgestattet wird hier kontinuierlich „Arbeit an der Heimat“ verrichtet: fundierte Chroniken zur Geschichte Letschins werden hier herausgegeben, regelmäßige Ausstellungen organisiert und zu Veranstaltungen eingeladen. Selbst Musikschulunterricht findet im Haus Birkenweg statt.
Das Erinnern an frühere Zeiten bildet also einen Rahmen, in dem das heutige Dorfleben weiterentwickelt wird.
LETSCHIN
Ich bin recht gerne in Letschin,
es ist viel kleiner als Berlin,
doch ist es nicht so arrogant,
ein kleines Örtchen halt, am Rand.
Als Heimat ist es nicht veraltet,
denn es wird achtbar selbstverwaltet,
und hat noch ein paar Lebensgeister,
beweisen tun’s zwei Bäckermeister!
Es gibt hier viele gute Leute,
die heiter sind und sich auch heute,
da ein Erwerb so schwer zu finden
gelassen durch das Leben schinden.
Was dieser Ort einmal gewesen
und was er sein könnt‘, ist zu lesen
in Straßen, Namen und am besten
im Hause Birkenweg, aus Resten
der dörflichen Vergangenheit.
Ihr Leute hört, es war gescheit,
dass ihr trotz leergefegter Kassen,
die Heimatstub‘ habt aufgelassen!
Letschin wollt eine Stadt nicht sein,
nun ja, es ist ja auch recht klein,
doch ist‘s ein lebenswerter Flecken,
und muss sich keineswegs verstecken!
ERINNERN MACHT KLUG: Die Heimatstube Neulewin
Neulewin ist eines der bedeutendsten Kolonistendörfer im Oderbruch. Im Krieg ist ein großer Teil seiner Bausubstanz zerstört worden, die Struktur des Ortes blieb aber gut erhalten.
Die Heimatstube ist in einem kleinen Tagelöhnerhaus untergebracht, das schon Ende der achtziger Jahre von den Dorfbewohnern saniert worden war. Das Haus wirkt bei verschiedenen Anlässen als Knotenpunkt der Dorfgemeinschaft. Mit Hildegard Lämmer hat es zudem eine engagierte Autorin im Betreiberkreis, die sich seit Jahren um die Ortsgeschichtsschreibung verdient macht.
Die Hauptorientierung der Ausstellung zielt auf das Alltagsleben der Menschen, demonstriert die tägliche Arbeit der Vergangenheit und zeigt, mit wie wenigen Mitteln die Tagelöhner auskommen mussten. Die Besucher finden zahlreiche Gebrauchsgegenstände, vielfach werden sie durch diese an Großeltern oder Eltern erinnert, die mit diesen noch umgegangen sind. Den Kindern wird verständlich gemacht, was es bedeutet, wenn ihre Großeltern davon sprechen, wie schwer sie es in ihrer Kindheit hatten. Respekt und Achtung vor der damaligen Zeit, vor den Schwierigkeiten des früheren Lebens zu vermitteln, darum bemühen sich die Ausstellungsmacher.
Auch Informationen zu der für die Gegend ungewöhnlichen Kriegsgeschichte finden sich. Neulewin war Teil eines Brückenkopfes, ein hitlergetreuer Bürgermeister mahnte zum Kampf statt zur Flucht, das Resultat waren ungleich mehr kaputte Häuser und eine von den Russen vorgegebene Flucht nach Osten, von der deutlich weniger Menschen zurückkamen, als es in anderen, frühzeitig aufgegebenen Dörfern der Fall war.
Armut und Not liegen lange zurück, aber sie bilden wichtige Fenster, durch die man schauen kann, um Neulewin auch heute zu verstehen und die Dinge weiterzuführen, die es als besonderes Dorf auszeichnen.
Der 1996 gegründete Heimatverein betreut bis heute das Haus, sichert die Öffnungszeiten ab und organisiert Führungen.
DAS ÄLTESTE GEWERK DER MENSCHHEIT:
Das Korbmachermuseum Buschdorf
Das Flechten von Behältern zum Sammeln von Nahrung hat wahrscheinlich mehr zum Überleben der Menschheit beigetragen als mancher Faustkeil – denn die Menschen haben sich vor allem durch Sammeln und Aufbewahren ernährt! Die wirtschaftliche Bedeutung der Korbmacherei war bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts enorm. Nicht nur die Haushalte in Stad und Land waren auf Korbmacherwaren angewiesen. Die Reusen der Fischer waren lange aus Weide geflochten, die Landwirtschaft benötigte Körbe, das Militär transportierte bis zum zweiten Weltkrieg seine Granaten in schützendem Weidengeflecht. Im Möbelbau der Jahrhundertwende war auf die Fertigkeiten der Korbmacher kaum zu verzichten.
Die Korbmachermeisterin Thea Müller aus Buschdorf in der Gemeinde Zechin ist eine der letzten, die im Oderbruch Weidenruten schneiden, schälen und zu Körben flechten. Sie hat ca. 2000 Exponate aus aller Welt in der alten Schule Buschdorf zusammengetragen und präsentiert sie hier hervorragend. Vom großen Wäschekorb und der robusten Kiepe über Tabletts und Schalen aus geschälter wie ungeschälter Weide bis hin zu Kinderwagen, Hüten, Spielzeug und Wandschmuck reicht die Bandbreite – jedes Stück ein Unikat. Denn es gibt keine industriellen Verfahren zum Flechten aus Naturmaterial, jeder Korb muss von Hand gefertigt werden.
Frau Müller erläutert die Ausstellung gern selbst und beschreibt auch die besondere Bedeutung der Korbflechterei für die Landwirtschaft und insbesondere für das Oderbruch. Dabei geht sie auch auf die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland und die Effekte der Globalisierung ein. Das Korbmachermuseum vermittelt den Gästen Respekt und Freude am „ältesten Gewerk der Menschheit“, fördert den kritischen verstand und trägt dazu bei, etwas scheinbar Vergehendes für die Region wach zu halten.
WUNDERKAMMERN DES ALLTAGS: Die Bliesdorfer Heimatstube
In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann Vera Schröder aus Bliesdorf, alte Dinge zu sammeln, weil sie den Haushalt ihrer Eltern auflösen musste und feststellte, dass sie vieles ungern wegwerfen wollte.
Die Heimatstube, in der diese Sammlung nun zu sehen ist, wurde 1995 mit Unterstützung der Gemeinde in einem vor gut 100 Jahren errichteten Arbeiterhaus eröffnet. Hier findet sich ein großer Reichtum an Objekten aus der Orts- und Landschaftsgeschichte. Die Werkzeuge, Haushaltsgeräte und Gegenstände der Alltagsgeschichte sind mit nostalgischem Witz in sechs Räumen ausgestellt. Anhand jeden Objektes kann man ins Gespräch kommen, sich Geschichten erzählen und unsere heutige Lebensweise mit den früheren Zeiten in Beziehung setzen.
Besonders hervorzuheben sind das DDR-Zimmer und die Sammlung von bäuerlichen Werkzeugen aus dem vorletzten und letzten Jahrhundert. In der Küchenausstellung kann der Besucher unter anderem viele Utensilien und Kochbücher aus vergangener Zeit entdecken.
Um alle Exponate in ihrer Vielfalt und Fülle erfassen zu können, sind wohl mehrere Besuche notwendig.
Der Verein „Dörfliche Alltagskultur e.V.“ unterstützt die Arbeit der Heimatstube.
EIN KABINETT DER AGRARGESCHICHTE: Das Dorfmuseum Friedrichsaue
Friedrichsaue ist ein Dorf, dem man seine Vergangenheit als preußische königliche Staatsdomäne immer noch anhand seiner strengen Gliederung ansehen kann. Das Dorfmuseum befindet sich in einem ehemaligen Kulturhaus, das in der DDR-Zeit auf Geheiß Walter Ulbrichts erbaut wurde. Die Friedrichsauer LPG stand nämlich unter der besonderen Patenschaft des ZK der SED – und sie hatte es wohl auch nötig. Denn die meisten der unmittelbar nach dem Krieg hier ansässig gewordenen Bauern hatten sich auf den fetten Oderbruchböden gut eingewirtschaftet und wehrten sich mit Händen und Füßen gegen die Kollektivierung.
Die Familie Hulitschke war infolge des Krieges aus Schlesien ins Oderbruch gekommen und hatte hier eine Gärtnerei eingerichtet. Der damals junge Helmut Hulitschke machte in der Region Musik, in Fürstenwalde studierte er Landwirtschaft und wurde Anbauberater für Zuckerrüben, zugleich entwickelte er eine Leidenschaft für die alten landwirtschaftlichen Geräte. Er fing an zu sammeln – und als die Leute merkten, dass er die Dinge in Ehren hielt, brachten sie ihm das, was andernfalls auf dem Müll gelandet wäre. Als in den neunziger Jahren das geräumige Kulturhaus leer stand, hatte Hulitschke einen riesigen Bestand geschaffen, der er hier ausgestellt werden konnte. Hinzu kamen Dokumente, Karten, Kuriositäten – sowie das Wissen und die Erfahrung des Sammlers.
Das Dorfmuseum bietet Informationen zur Siedlungsgeschichte des Amtes Friedrichsaue und eine Fülle an gut sortierten Maschinen und Gerätschaften, die nicht nur den agrarischen Fortschritt illustrieren, sondern auch viel über die handwerkliche Kunst und den Erfindungsreichtum ihrer Schöpfer aussagen. Die in Komplexen geordneten Gerätschaften zum Kartoffel- und Rübenanbau, die Schuffelgeräte und Häcksler, die Ackergeräte und Transportutensilien, das Schuhmacherhandwerkszeug und viele andere Artefakte zeugen von einer großen technologischen und kulturellen Kraft des ländlichen Lebens.
Das Dorfmuseum ist mehr als ein Blick in die agrarische Vergangenheit des Oderbruchs, es ist ein Schatz an Zeugnissen, die begeistern können und Lust auf eigene landwirtschaftliche Erfahrungen machen. .
Kontakt: Helmut Hulitschke, Neuer Weg 11, 15328 Zechin OT Friedrichsaue, Telefon (033473) 3251
DIE GRUNDSÄTZE DER RATIONELLEN LANDWIRTSCHAFT
Das im Mögliner Gemeindehaus untergebrachte Museum ist weder ein Dorfmuseum noch eine Heimatstube, sondern eine fachlich durchgearbeitete Ausstellung zur Würdigung des Agrarreformers Albrecht Daniel Thaer (1752-1828) und seiner Leistungen. Da Thaer in Möglin und im angrenzenden Oderbruch wirkte und seine Arbeit unmittelbare Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Entwicklung des Oderbruchs hatte, gehört es dennoch in den Kreis der regionalen Erinnerungskultur. Die Einrichtung wurde über jahrelanges Engagement durch den Agrarwissenschaftler Martin Frielinghaus entwickelt und befindet sich heute in der „Trägerschaft der Fördergesellschaft Albrecht Daniel Thaer“ e.V.
<<< Ein weiterer Beitrag zur Thaer-Ausstellung in Möglin
WAS HEIMATSTUBEN SIND
Korkenzieher, Hackebeilchen,
Kittelschürzen, lila Veilchen,
Dengelblock und Sensenbaum,
Unterwäsch´, ich glaub es kaum,
Fellabzieher, Rübenstecker,
Bremsbelag vom alten Trecker,
hundert Jahre altes Bier,
wirklich alles sammelt ihr!
Hochzeitskleider, Küchenschränke,
Hocker, Besen, Ofenbänke,
Hämmer, Zangen, Holzpantinen,
umgebaute Panzerminen,
Betten, Reusen, Waffeleisen,
Pinsel, Kämme, alte Weisen,
originales Klopapier,
wirklich alles sammelt ihr!
Durchschlag, Sieb, Kartoffelstampfer,
Bügeleisen, Dampfentsafter,
Pressen, Briefe, Schreibgeräte,
Boote, Räder, Klingeldrähte,
Mausefallen, Rattenfallen,
Marderfallen, Biberfallen,
Gänsekiele, Kuscheltier,
Wirklich alles sammelt ihr!
Zeitung, Buch und Magazin,
Öllappen und Terpentin,
Pflüge, Eggen, Drillen, Flegel,
Joche, Zügel, Peitschen, Schlegel,
Ahlen, Schraubstöcke und Sohlen,
Glühbirnen und alte Kohlen,
Klöppelzeug und Bortenzier,
Wirklich alles sammelt ihr!
Allerdings, wir sammeln täglich,
ist das Stück auch noch so kläglich,
wir nehm`s mit und bring`s nach Haus,
sieht´s auch oll und schäbig aus.
Was die Leute einst besessen,
gar nichts wird von uns vergessen,
was im Müll zu finden schier,
wirklich alles sammeln wir.
Hunderttausend Wäscheklammern,
mir ist dennoch nicht zum Jammern,
find ich was, dann stets erneut,
dieses sehr mein Herz erfreut!
Fehlt dir auch der Überblick,
es gibt einen guten Trick:
häng es auf die Leine mir,
Wirklich alles sammeln wir!
Ist der Stauraum auch begrenzt,
wenn was in der Sonne glänzt:
Altes, Schönes, Hässliches,
niemals nie vergess ich es,
Pack es in den Kofferraum,
passt doch rein, man glaubt es kaum!
Tausend Dinge, oh Pläsier,
wirklich alles sammeln wir!
Ja, du hältst uns für verrückt,
aber Sammelwut beglückt,
Wenn die Leute uns was schenken,
weißt du, was wir dabei denken?
In der Wegwerfzeit ist Sammeln
besser als vor’m Bildschirm gammeln,
hört ihr Leut´, weswegen wir,
all die Dinge sammeln hier.
Zehn Funktionen unserer Heimatstuben und Dorfmuseen
In der Sommerschule arbeiteten wir zehn wichtige Funktionen der Heimatstuben heraus und stellten sie schließlich anhand von Ausstellungsgegenständen dar:
- Heimatstuben und ihre Ausstellungen fördern den technischen Verstand: In einer Zeit, in der immer mehr technologische Prozesse in industrielle Strukturen abwandern, halten die alten Geräte und Maschinen den technologischen Verstand wach. Man begreift, wie die Dinge funktionieren und versteht, dass die heutigen Technologien daraus hervorgegangen sind. Erläutert wurde dies an einem Zuckerrübeneinzelkornsaatgerät.
- Heimatstuben erinnern an die Not. Eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist es, die Erinnerung an Mangel, Entbehrung und Mühsal des alten Landlebens wach zu halten und fruchtbar zu machen. Ohne ein Wissen von der Not bleiben uns viele Zusammenhänge der Vergangenheit verschlossen – und damit auch unsere eigene Welt letztlich unbegreiflich. Verdeutlicht wurde dies an einem alten Kochrezept, in dem panierter Kohlrabi als Schnitzel ausgegeben wurde – und an einer zu einem Butterfass umgebauten Granathülse. Not macht erfinderisch!
- Die Ausstellungen mit den alten Dingen machen Mut, sich selbst zu organisieren und Dinge auszuprobieren. Heimatstuben zeigen, dass Landleben Kreativität und Mut erfordert – das Geheimnis ländlicher Autopoiesis. Ein einfacher Brotgärkorb kann, wenn man ihn betrachtet und erfährt, dass er heute immer noch in der Bäckerei Verwendung findet, dazu anregen, etwas für unser Leben Elementares selbst zu probieren.
- Das Wissen, das in den Heimatstuben über Fotos und andere Materialien gespeichert wird, trägt dazu bei, den eigenen Ort lesbar zu machen: Ob Gebäude einmal als Schulen, Läden oder Gasthöfe genutzt worden sind, wo einst Wegebeziehungen verlaufen sind und welche Gehölze in der Landschaft waren, sind wichtige Informationen, die heute dabei helfen, die Strukturen, in denen wir leben zu verstehen und zu gestalten. Anhand einer Szene, in der der Käufer eines alten Hauses sich auf die Spuren seiner geschichtlichen Nutzungen begibt, wurde dies greifbar gemacht.
- Heimatstuben sind Orte, an denen kulturelle Eigenheiten tradiert werden: Dialekte, Liede, Gedichte und Feste – vieles, was einst aus dem Landleben erwachsen ist, benötigt heute eine gezielte Auseinandersetzung, wenn es nicht untergehen soll. Dafür liefern die Heimatstuben unverzichtbares Material. Hier demonstrierte dies eine Sommerschülerin am Oderbruchplatt. Die Stiefel, die sie präsentierte, hießen nämlich Höllsche Stiebel – und so gibt es inzwischen in Hohensaaten eine Arbeitsgruppe, die sich um die Erhaltung dieses Dialekts bemüht.
- Heimatstuben und Dorfmuseen bilden das touristische Rückgrat der Dörfer: Wenn Gäste und Reisende in den ländlichen Räumen unterwegs sind, sind die Heimatstuben und Dorfmuseen oft die ersten Anlaufstellen, an denen sie etwas Interessantes finden und ins Gespräch kommen. In einer Szene, die um einen Rübenzieher entwickelt worden ist, wird vorgestellt, wie eine Begegnung von Touristen und Dorfbewohner ablaufen kann – sie auf jeden Fall unterhaltsam!
- Heimatstuben fördern das kritische Vermögen: Aus den Erfahrungen des Landlebens heraus, die in den Heimatstuben gesammelt werden, erwächst auch ein Urteilsvermögen in Bezug auf unsere heutigen Lebens- und Wirtschaftsweisen. Ein Korb aus Fernost, der hierzulande weit unter seinem handwerklichen Wert verramscht wird diente als Beispiel.
- Heimatstuben machen die Geschichte greifbar, indem sie sie als Geschichten von Menschen erzählt. Konkretion und Narration tragen dazu bei, dass wir uns die Vergangenheit aneignen können. Um dies vor Augen zu führen, erzählte ein Sommerschüler die Geschichte eines kleinen Mädchens mit einem Pionierhalstuch.
- Eigene Ressourcen zu nutzen und zu verarbeiten ist die Grunderfahrung der Subsistenzwirtschaft. Sie weckt in uns Vorstellungen von der Begrenztheit der Ressourcen, fördert die Achtung vor dem eigenen Naturkapital und ist auch ein Moment des Selbstbewusstseins. Ein Gedicht über die Weide als einer inzwischen weithin ungenutzten Ressource brachte dies zur Anschauung.
- Heimatstuben bilden ihre Gemeinschaften – sie geben Anlass, sich zu treffen, gemeinsam etwas zu Veranstalten und sich mit bestimmten Themen zu beschäftigen. Auch dort, wo sich die Nutzungen und Techniken weiterentwickelt haben, können die alten Technologien noch Menschen zusammenbringen. Ein Erntelied, an einer alten Saftpresse gesungen, setzte dies ins Bild.
Nachwuchssorgen – eine Rede zum Jubiläum des Heimatvereins
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Neupreetzer,
ich begrüße sie sehr herzlich zur zwanzigjährigen Jubiläumsfeier unseres Heimatvereins! Schön, dass viele von Euch gekommen sind, wenn auch nicht ganz so viele wie beim fünfzehnjährigen, aber wir werden ja auch nicht jünger! Ich bin sicher, dass wir trotzdem heute einen wunderschönen Tag miteinander verleben werden. Der Kaffee duftet schon und ich rieche auch schon den Kuchen, der gerade jetzt hier nebenan im frisch restaurierten Holzbackofen aufgeht und bald seine goldbraune Kruste über den Blechrand schieben wird. Na, Kalle, da läuft uns das Wasser im Mund zusammen, stimmts?
Lachen, Applaus
Zunächst möchte ich allen danken, die uns in den letzten Jahren unterstützt haben. Also natürlich den Handwerkern aus unserem Dorf, die ja zum Glück auch Mitglieder bei uns sind, und ohne die wir heute hier nicht so schön hergerichtete Räume hätten. Dann auch unserer Bürgermeisterin, die uns in den letzten Jahren immer unterstützt hat, wenn Not am Mann, oder eben an der Frau war. Und natürlich all unseren Mitgliedern, auch jenen, die heute nicht hier sein können, weil durch ihre Mitgliedsbeiträge die Betriebskosten unserer Heimatstube gestemmt werden können.
Applaus
Und schließlich möchte ich all jenen danken, die uns in den letzten Jahren so großzügig mit den immer schwerer zu findenden Ausstellungsgegenständen bereichert haben. Ich denke nur an die gut erhaltene Kartoffelsortiermaschine aus dem Jahre 1920, gestiftet von Otto Butschke. Otto, das ist dir nicht leicht gefallen, ich weiß, mit dem Maschinchen hatte schon dein Urgroßvater gearbeitet, aber du kannst sicher sein, es ist hier bei uns in guten Händen – und wenn mal schlechte Zeiten kommen, und du brauchst sie doch noch mal, dann kriegst du sie wieder!
Lachen, Applaus
Auch die kleine alte Reuse möchte ich gesondert erwähnen und deshalb vor allem der Frau Huwe danken, denn dieses seltene Stück von 1780 ist eine absolute Rarität und die großen Einrichtungen beneiden uns darum, zum Beispiel auch das Freilichtmuseum!
Einer aus dem Publikum: Dit wird do sowieso bald zujemacht! Die Reuse soll mal schön hierbleiben!
Lachen.
Ja, ja, das ist richtig, wir werden sie auf keinen Fall weggeben. Aber nun bin ich auch an einem Punkt, also, wie soll ich sagen, da wir ja heute doch mehr oder weniger unter uns sind, möchte ich noch einen schwierigen Punkt ansprechen, und zwar geht es um mich. Leute, ihr wisst, ich bin jetzt 80 und ich kann das nicht mehr lange machen. Ich werde nicht jünger, es fällt mir von Jahr zu Jahr schwerer, das hier aufrecht zu erhalten.
Schweigen
Also, kurz und gut, wir brauchen einen Nachfolger. Mir tun jetzt schon die Knie weh, wie ich hier stehe!
Schweigen. Dann einer: Paule, wir sind alle über siebzig, manche über achtzig, dit hat doch keinen Sinn, dass wir das jetzt von dir übernehmen!
Ja, das ist wohl richtig. Aber ich merke, dass ich im Dorf gar nicht mehr alle kenne und bei den jungen Leuten auch keinen Zug mehr machen kann. Bei euch alten Säcken kann ich sagen: morgen um neune ist Einsatz, und dann seid ihr da. Aber bei den jüngeren kann ich das nicht.
Einer: Aber es sind doch keine jüngeren heute hier, die wir fragen könnten!
Ja, eben, ich weiß ja auch nicht. Aber wir müssen an die Jungen ran! Also, ich mache euch jetzt einen Vorschlag, ich mach das hier noch ein Jahr weiter, aber bis dahin muss ein junger Nachfolger gefunden werden. Ich meine, ein richtig junger Mensch, das müsste doch zu machen sein?
Eine: ich würd’s machen!
Prima! Da freuen wir uns! Wie alt sind sie denn, wenn ich fragen darf?
Jene: Ich bin grade mal 65!
Tobender Applaus. Ende
Muss i denn zum Dörfele hinaus
Muss i denn, muss i denn zum Dörfele hinaus, Dörfele hinaus,
und du mein Schatz bleibst hier.
All die Stellen und Jobs sind nur anderswo zuhauf, anderswo zuhauf,
da wird’s besser gehen mir.
Nimm mein‘ Bettlein hier, mein‘ Küchenzeug,
stell`s ins Heimatstübchen hinein,
Wenn i komm, wenn i komm, wenn i wieder, wiederkomm, wieder, wiederkomm,
kehr i ein mein Schatz bei dir!
Sitz i denn, sitz i denn, sitz i immer noch zuhaus, immer noch zuhaus,
und du, mein Schatz bist hier.
Hab zu tun, hab zu tun, hab schließlich doch zu tun, schließlich doch zu tun,
aber ´s ist nicht mehr wie früher.
Abends sitz ich daheim, und der Fernseher läuft,
flimmert Bilder bunt und laut.
Wenn du kommst, lädst mich ein, in das Heimatstübchen ein, Heimatstübchen ein,
bin ich meist zu müd dazu.
Früher musst‘, früher musst‘, früher musst‘ ich draußen sein, musst‘ ich draußen sein,
und du mein Schatz warst hier.
Pflanzt im Garten fein, hatte Tiere groß und klein, Tiere groß und klein,
musste Essen kochen mir.
Heute kauf ich`s schnell und schrecklich billig ein,
ach, die Mühe lohnt doch nicht mehr!
Ist dabei auch das Singen und Lachen wohl verstummt, Lachen wohl verstummt,
und ich bleib zu Haus bei mir.
Soll i denn, will i denn, zur Heimatstube gehn, Heimatstube gehn,
und du mein Schatz bist hier,
Lass uns sehn, lass uns sehn, was die Tage noch so bring‘, Tage noch so bring‘,
kehr i ein, mein Schatz bei dir!
Lass uns Kuchen backen und alte Dinge tun,
aber Pläne schmieden auch,
Heimat ist, Heimat ist, wo man viel zu sorgen hat, viel zu sorgen hat,
Und ich bleib, mein Schatz, bei dir!
Die Teilnehmer der Sommerschule: Ronny Holzmüller, Philipp Kohler, Jan- Michel Kotzur, Mirjam Loer, Kerstin Ludwiczak, Sarah Liv Luttmann, Ramona Neureuter, David Sumser, Norma Zoschke, Uta Steinhardt, Kenneth Anders, Lars Fischer und Almut Undisz