Wir werden vorsichtig weiterarbeiten
Ein Gespräch mit Vera Wesner, Geschäftsführerin der Agrogenossenschaft Schiffmühle über die Perspektiven ihres Betriebes und dessen Selbstverständnis in der Landschaft
Biografisches
Frau Wesner stammt aus Neurüdnitz. Nach dem Studium der Pflanzenproduktion an der Berliner Humboldt-Universität begann ihr Berufsleben 1975 in Schiffmühle, bis 1990 war sie hier als Futterökonomin beschäftigt. In der Wendezeit entschied sie sich zunächst für eine Umschulung, um 1992 in Hohenwutzen mit Kollegen eine GbR zur Bewirtschaftung der dortigen Flächen zu gründen. Hier machte sie wertvolle fachliche und soziale Erfahrungen. Nachdem ein Gesellschafter der GbR verstorben war, fehlte es an geeigneten Partnern, die Angestellten des Betriebes wollten nicht in die erste Reihe gehen. Schließlich stiegen zwei Landwirte aus Holland ein. „Viele kritisieren heute, wenn Holländer sich bei uns etablieren. Aber alle möchten gern einen Arbeitsplatz – und wenn niemand bereit ist, ein Risiko auf sich zu nehmen, kommen eben andere.“ 2007 schied sie in Hohenwutzen wieder aus und übernahm 2008 die Leitung der Schiffmühler Genossenschaft.
Die Agrogenossenschaft Schiffmühle
Der Betrieb hat sich in den letzten Jahren in seiner Struktur kaum verändert (vgl. der Beitrag im Oderbruchpavillon aus dem Jahr 2004). Er beschäftigt immer noch 12 Mitarbeiter (vier im Kuhstall, zwei in der Verwaltung, sechs in Feldbau und Werkstatt) und einige Saisonkräfte. Die Betriebsfläche von 650 ha wird zum größeren Teil als Anbaufläche für Winterweizen, Mais, Sonnenblumen und Raps genutzt, der heute die Zuckerrübe weitgehend abgelöst hat. Im Zentrum steht immer noch die Milchproduktion, weshalb der Betrieb auch Grünland braucht. Dafür sind die Flächen auf den angrenzenden Höhen unverzichtbar, außerdem wächst das Ackergras in den Tieflagen an der Alten Oder und seit einigen Jahren auf einem Streifen am Altmädewitzer Landgraben. Bei Grünland sind die Komplikationen mit der Böschungspflege an den Gräben geringer und wechselnde Wasserstände schlagen nicht ganz so stark ins Kontor. Freilich erkennt man auch hier an der weiß blühenden Kamille, wo im Frühjahr das Wasser lange gestanden hat. Dass die Förderung von Grünland geringer ausfällt, nimmt Frau Wesner eher gelassen. „Mit dem Auslaufen der Direktzahlungen 2013 ändert sich ohnehin vieles.“ Letztlich müsse man sehen, dass der Betrieb eine gute Struktur habe.
Ein schmaler Pfad durch die Agrarstrukturen
Die Milchproduktion stellt den Betrieb, wie viele andere auch, vor Entscheidungsfragen. „Wir haben viel mit der Milch gerechnet – am Ende schreiben wir damit eine schwarze Null.“ Die Strategie, trotzdem an den Rindern festzuhalten, sei im Wesentlichen eine Entscheidung des Vorstandes gewesen, der seine Überlegungen auch regelmäßig mit dem Aufsichtsrat der Genossenschaft abstimmt. „Es hängen vier Arbeitsplätze dran, die sofort wegfielen, wenn wir auf reinen Marktfruchtbau umstellen würden, dazu noch einige im Feldbau. Die Mitarbeiter verdienen nicht viel bei uns, aber sie haben einen Arbeitsplatz.“ Dieses Herangehen und der somit vergleichsweise hohe Arbeitskräfteschlüssel mache einen bei den Banken nicht unbedingt beliebt. „Aber wir glauben, dass es klug ist, wenn wir vorsichtig so weiterarbeiten.“
Wichtig sei es, die genutzten Flächen nach Möglichkeit zu kaufen, sobald sich die Gelegenheit ergebe und der Betrieb den Kaufpreis entrichten könne. An der Konkurrenz um die Flächen hängt letztlich die Zukunft der Landwirte, hier ist also durch Eigentumsbildung auch die größte Sicherheit zu gewinnen. Für viele kleinere Betriebe sei die Verfügbarkeit von Land zu einem ernsten Problem geworden. „100 ha sollten es schon sein“, allerdings sind die nicht immer leicht zu bekommen. Die Konzentration in den Agrarstrukturen sei einerseits durch die Marktbedingungen beeinflusst, zugleich würde sie aber durch die Preispolitik der BVVG gefördert. „Das Land können nur noch die Großen bezahlen.“
Spielräume für eine grundsätzliche strukturelle Veränderung im Hinblick auf regionale Wertschöpfung sieht Frau Wesener im Moment nicht. Sie hegt zwar große Sympathien für regionale Wirtschaftsformen. „Ein Dorfladen hat schon allein eine wichtige soziale Funktion. Aber wir können hier in der Region den Absatz nicht finden.“ Mit Interesse beobachte sie die leidvollen Erfahrungen mancher Biobetriebe und verfolge die Entwicklung von Pionieren in der Direktvermarktung wie dem Ziegenhof Zollbrücke oder der Weidefleisch Liepe GmbH. Für die Landwirte in Schiffmühle würden bei einer solchen Entscheidung sehr hohe Erstinvestitionen einem enormen betrieblichen Risiko gegenüberstehen. „Ich denke, wenn man so einen Weg geht, sollte man eine Kombination von Marktfruchtbau und Direktvermarktung anstreben, damit sich das Risiko auf zwei Standbeine verteilen lässt.“ Einige kleinere landwirtschaftliche Unternehmen im Oderbruch wie etwa der Bauernhof Hauche in Neuranft machten dies vor.
Gehört die Landwirtschaft zum Dorf?
Grundsätzlich sei die Landwirtschaft eine sinnstiftende Angelegenheit, die in der Gesellschaft andere Werte vertreten könnte. „Jeder Bauer ist ein Idealist. Wer in der Landwirtschaft tätig ist, hat ein Jahr mit 365 Tagen. Ein persönlicher Verzicht bei manchen Freiheiten und im Konsum ist nötig. Man muss sich an den kleinen Dingen freuen können – daran, dass die Kulturen wachsen, dass Blumen stehen. Das sieht man auch bei einigen, die in der Wendezeit ihre Arbeit verloren haben und heute ein bisschen Landwirtschaft betreiben. Wer Garten hat und etwas anbaut, kann die Arbeitslosigkeit viel besser verkraften.“
In den letzten Jahren hat Frau Wesner bemerkt, wie sich die Akzeptanz der Landwirtschaft in der Region verändert hat. Die Arbeit mache nun einmal auch Dreck und Lärm und gehe manchmal auch mit Geruchsbelästigungen einher. Wenn Menschen aus der Stadt aufs Land zögen, nähmen sie leicht daran Anstoß. Es sei aber auffallend, dass nicht nur Menschen ohne landwirtschaftliche Erfahrung die Landwirte als störend empfinden. „Auch Einwohner, die das alles selbst noch aus ihrer Arbeitsbiografie kennen, beschweren sich inzwischen über Belästigungen.“ Wer nicht mehr an der Landwirtschaft partizipiert, kann sie leicht als etwas Fremdes empfinden. Die Dörfer liefen somit Gefahr, zu Wohngebieten zu werden, in denen die Landnutzung nicht mehr Teil des Lebens ist. „Unsere Kulturlandschaft wird aber, so wie sie ist, von den Landwirten erhalten.“
Auch aus diesem Grund ist der Betrieb darum bemüht, die Drähte in das Dorf kurz zu halten. Er versteht sich als Teil des Dorflebens. Wer mit einem Anliegen nach Gabow kommt, wird immer ein offenes Ohr finden. Kindergarten und Feuerwehr, Schützenverein und Senioren – die anderen verbliebenen sozialen Kerne des Dorfes sind wichtige Partner und werden bei Festen und Veranstaltungen gern unterstützt. Somit sei auch das Verhältnis zu den Verpächtern aus dem Ort immer noch gut und von gegenseitigem Vertrauen bestimmt.
Andere Verbindungen in der täglichen Arbeit sind in den letzten Jahren weggefallen. So realisierte die Agrargenossenschaft früher auch den Winterdienst im Ort und hatte dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle in der Saure-Gurken-Zeit. Heute ist diese Leistung durch die Stadt Bad Freienwalde anderweitig vergeben worden. Der Ausschreibungszwang hinge auch mit der Dauer der ausgeschriebenen Zeiträume zusammen – je länger sie gestaffelt würden, umso größer werde die Ausschreibungsregion.
Boden und Biber – eine tägliche Auseinandersetzung
Der Oderbruchboden, wiewohl fruchtbar, sei durchaus nicht leicht zu bearbeiten. „Es ist nicht einfach. Das Unkraut gedeiht hier stark, der Boden neigt zur Verdichtung, die unterschiedliche Wasserführung ist ein Problem. Eine pfluglose Bewirtschaftung geht hier nicht so gut. Wir versuchen den Boden durch Tiefenlockerung zu bearbeiten.“ Außerdem kämpfe man zunehmend mit Schichtenwasser, das zuweilen lange auf den Feldern steht. Die Gewässerregulierung sei immer noch eine sensible Angelegenheit. „Der GEDO hat es auch nicht einfach, das Zeitfenster für die Grabenpflege ist sehr klein. Außerdem können die Gewässer 2. Ordnung noch so gut intakt sein, wenn Defizite bei denen der 1. Ordnung bestehen und über die Alte Oder nur noch wenig abfließt, funktioniert das ganze System nicht.“
Auch mit dem Biber haben die Schiffmühler Landwirte; schon ihre Erfahrungen gemacht. In den Gräben lägen ganze Bäume und die Böschungsschäden hätten sie mitunter in Erstaunen gesetzt. Der Biber dürfe auch genehmigungsfrei große Bäume fällen, kein Amt nehme daran Anstoß. Schließlich ernte das Tier auch gerne Mais und verwende ihn zum Bauen. „Er ist ja ein hervorragender Baumeister. Auch die Deichschäden ärgern mich – erst gibt man Millionen für die Deiche aus, und dann muss das Ganze nochmal für das Bibermanagement aufgebracht werden.“ Für Frau Wesner ist nicht einzusehen, dass die Tiere und ihre Wirkungen auf die Landschaft nicht in einer gesamten Bilanz beurteilt würden. „Der Biber absorbiert viel Geld und Arbeit, diese Zahlen tauchen nirgendwo auf. Ein Schutz des Bibers zu Lasten der Sicherheit der Oderbruchbewohner ist inakzeptabel.“
Ausblick:
Frau Wesner blickt trotz schwieriger Rahmenbedingungen optimistisch in die Zukunft. Gerade ist das letzte Oderhochwasser vorbeigezogen und man ist froh, dass die Tiere nicht evakuiert werden mussten. „Das war 1997 schon zu merken, der Stress für die Tiere ist immens und wirkt sich noch über Jahre aus.“ In Zukunft wolle man vorsichtig an der Entwicklung des Betriebes arbeiten. Einige Investitionen, vor allem bei der Verbesserung der Haltungsbedingungen sind geplant. Die Kühe sollen von der Kette weg und einen Freilauf erhalten. „Wir werden nicht die Mutigsten sein im Geldausgeben und in kleinen Schritten auf Nachhaltigkeit setzen.“
Kenneth Anders