Ökologische Landwirtschaft im Bruch: Wir wollen zeigen, dass es geht!

Oliver Jahn, Community Supported Agriculture, Vorwerk Basta

Aufgeschrieben von Tina Veihelmann

Mit unseren ersten gärtnerischen Experimenten fingen wir 2010 an: Wir pachteten einen halben Hektar Ackerland von einer uns wohlgesonnenen Nachbarin, nicht weit von Basta. Dort pflanzten wir so ziemlich jedes Gemüse an, das wir uns vorstellen konnten und fabrizierten gemeinsam mit Freunden einen ziemlich wilden, bunten Garten. Mit der Ernte versorgten wir uns selbst und zehn Haushalte in Berlin, die gegen Spende wöchentlich bei uns Gemüse bezogen. Das machten wir vom Sommer bis zum Spätherbst, und es begeisterte uns so sehr, dass wir beschlossen, eines Tages von landwirtschaftlicher Arbeit leben zu wollen. Allerdings fühlten wir uns noch nicht erfahren genug, um einen eigenen Betrieb zu gründen. Deshalb beschlossen wir, zunächst auf verschiedenen Bio­höfen in die Lehre zu gehen. Der Wunsch nach bäuerlichem Leben und Berufs­erfahrung führte uns zu einem Bergbauernhof in der Steiermark und auf einen ebenso vielseitigen Gemischtbetrieb in Belgien. Beiden Familien sind wir sehr dankbar für alles, was wir bei ihnen lernen durften.
Damit wir anfangen konnten, auf Basta einen eigenen Betrieb aufzubauen, bot uns Peter Huth, der auf Basta Landwirtschaft betreibt, neun Hektar Land zur Pacht an und scheute keine Mühen, auch sein Wohnhaus WG-tauglich herzurichten, sodass wir uns mit einigem Komfort dazugesellen konnten. Wir entschieden, für unsere Landwirtschaft den englischen Begriff zu verwenden – Community Supported Agriculture – weil er international verständlich ist. Es gibt auch eine deutsche Bezeichnung: Solidarische Landwirtschaft. Das Besondere am CSA-Modell ist, dass nicht Produkte verkauft und gekauft werden, sondern eine Gruppe gemeinsam die Landwirtschaft ermöglicht, die sie gut finden und deren Erzeugnisse sie abnehmen möchte. Dabei geht es darum, eine enge Beziehung von ProduzentInnen und KonsumentInnen herzustellen und eine selbst organisierte Gemeinschaft zu bilden. Der eine Teil der Gemeinschaft sind unsere ErnteteilerInnen. Zurzeit sind das 147 Haushalte, die zu einem großen Teil in Berlin und zu einem kleinen Teil hier im Oderbruch leben. Der andere Teil ist die Hofgemeinschaft, die auf Basta Gemüse, Getreide und Kräuter anbaut. Wenn ich Gemeinschaft sage, meine ich auch, dass wir uns darüber verständigen, nach welchen Methoden angebaut werden soll. Wir alle wollten ökologische Landwirtschaft betreiben. Dabei war klar, dass das Übung und Erfahrung braucht, dass es auch Fehlschläge geben kann. Die Idee war, gemeinsam die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Sehr wichtig war uns auch, mit dem zertifiziert ökologischen Anbau ein Zeichen zu setzen. Im Oderbruch werden bisher nur zwei Prozent der Flächen ökologisch bewirtschaftet. Wir wollen sichtbar machen, dass das geht und ein bäuerlicher Weg möglich ist.
Die gemeinschaftsgestützte Wirtschaftsweise funktioniert so: Am Anfang einer Anbausaison stellen wir einen Finanzplan auf, in dem wir abschätzen, welche Ausgaben für Arbeitslöhne, Saatgut, Diesel etc. auf uns zukommen. Diesen Plan – 2018 waren das zum Beispiel 150 000 Euro – stellen wir bei einem Treffen mit unseren ErnteteilerInnen vor. Dort können Änderungswünsche eingebracht werden. Zum Beispiel, indem die BerlinerInnen sagen: Moment, wir haben hier auch Kosten, die wir in den Plan einbringen wollen, weil wir für die Organisation eine Arbeitskraft einstellen wollen. Wenn der Plan angenommen wurde, können alle Abnehmerhaushalte „Gebote“ abgeben. Das heißt, jedeR sagt an, mit welcher Summe er oder sie die Anbausaison unterstützen kann oder möchte. Das passiert so lange, bis der Haushalt gedeckt ist. Die Gebote variieren und liegen zwischen 60 und 130 Euro monatlich. Wenn alles gut geht, bekommen die ErnteteilerInnen im Gegenzug wöchentliche Lieferungen mit Gemüse, Eiern und Kräutern.

Oliver Jahn
Oliver Jahn, Community Supported Agriculture, Vorwerk Basta
Folientunnel
In einem weiteren Folientunnel findet die Pflanzenanzucht statt. Dutzende Gemüsesorten von Artischocken bis Zucchini werden vorgezogen.
Ernte
Tomatenpflanzen für das neue Gewächshaus werden verladen. Gemüse wird in Basta auf zwei Hektar angebaut. Dazu kommen Kräuter, Getreide, Kartoffeln und Heu von Flächen in Umstellung. Fotos: Uli Seifert-Stühr

Im Frühjahr behalten wir uns vor, wenn die Vorräte aufgebraucht sind, zwischen einer und vier Wochen nicht zu liefern. Aller­dings versuchen wir diese Lücke, die meist im April liegt, möglichst kurz zu halten, was eine gärtnerische Herausforderung ist.
Wenn es Ernteausfälle gibt, ist das vom Geldfluss unabhängig. Denn Ausfälle können vorkommen, auch wenn du dir noch so viel Mühe gibst. Zum Beispiel ist uns gerade der Winterwirsing erfroren. Ein anderes Mal hatten unsere Gewächshausfolien einen Sturmschaden. Und gleich in unserer ersten Anbausaison gab es ein Binnenhochwasser. Ende Mai, gerade nachdem wir alles ausgepflanzt hatten, ging die Hälfte unserer Pflanzen in ihm unter. Das war bitter, und vor allem wussten wir nicht, wie die ErnteteilerInnen reagieren würden, die gerade frisch ihre Jahresvereinbarung unterschrieben hatten. Sie hatten uns schließlich ihren Vertrauensvorschuss gegeben! Aber es gab eine großartige Solidarität, die uns allen Zuversicht gab. Viele fuhren zu uns ins Oderbruch und halfen, eilig nachgekaufte Jungpflanzen in die Erde zu bringen. Gemeinsam schafften wir es, die Versorgung für das ganze Jahr sicherzustellen.
Als Betriebsform für unsere Landwirtschaft auf Basta hätten wir gern eine Genossenschaft gehabt. Aber als wir anfingen, hatten wir nicht die Kapazität, uns in juristische Fragen einzuarbeiten. Eine GbR ist die einfachste und kosten­günstigste Betriebsform, die erlaubt, gleich anzufangen. Leute, die mitmachen wollten, nahmen wir unkompliziert auf, ohne Forderungen zu stellen, wie verbindlich sich die Einzelnen festlegen wollten. Vielleicht hätten wir das anders machen sollen – vielleicht auch nicht. Mit der Gruppe, die sich seither sammelte, durchliefen wir dann einen langen Prozess, in dem wir gern ein Betriebs­modell gefunden hätten, in dem alle gleiche Mitspracherechte haben und Träger von Verantwortung sind. Leider ist uns das bis jetzt nicht gelungen, doch der Wunsch nach gleichberechtigtem Arbeiten besteht fort und wird auf informelle Art auch gelebt. Bislang haben wir deshalb alles beim Status quo belassen. Wir sind jetzt zu siebt. Sechs von uns arbeiten in der Landwirtschaft. Einer, der mitarbeitet, wohnt nicht hier. Die anderen leben aber auf Basta. Vier von uns bauen Gemüse an und zwei kultivieren Kräuter.
Unser Anfang in Basta war nicht einfach. Allein unser Ackerland dauerhaft zu sichern, war ein Abenteuer. Basta war früher einmal ein Vorwerk der könig­lich preußischen Domäne Wollup gewesen. In der DDR gab es in Wollup ein landwirtschaftliches Volkseigenes Gut und ein Gartenbaugut mit eigener Berufsschule, das ein großer Arbeitgeber war. Nach der Wende wurde das Gartenbaugut abgewickelt und kam in Verwaltung der BVVG. Anfang der 90er-Jahre versuchte die Kooperative „Longo maï“ gemeinsam mit der Dorfbevölkerung die Arbeitsplätze auf Wollup zu retten und das Gartenbaugut in Selbstverwaltung weiterzuführen. Auch Peter Huth gehörte zu dieser Gruppe, die sich damals in Basta niedergelassen hatte. Die Idee war, dass das Land Brandenburg das Gartenbaugut halten und mit den schon eingearbeiteten, fachlich gut qualifizierten Gemüseanbauern weiterführen sollte. Leider machte das Land Brandenburg einen Rückzieher, – das Gartenbaugut blieb in Verwaltung der BVVG und wurde später privatisiert. Die „Longo maï“ verließ Basta. Nur Peter Huth blieb und baute einen kleinbäuerlichen Betrieb mit eigener Schweine- und Schafzucht auf. Den Teil seines Ackers, den er an uns abgeben wollte, hatte er von der BVVG gepachtet. Unter „normalen“ Umständen wären wir an BVVG-Land nie herangekommen. Aber Peter hatte als Pächter das Vorkaufsrecht und nahm dieses für uns wahr. Leider hieß das noch lange nicht, dass die Prozedur einfach war. Unter anderem deshalb, weil der Kaufpreis im Lauf des Verfahrens immer höher werden sollte. Aber Peter hat uns sehr beigestanden, und hat den ganzen Kauf mit uns durchgefochten.
Gekauft haben wir die Flächen dann mit der Kulturland Genossenschaft. Das ist eine kleine noch recht junge Genossenschaft, die landwirtschaftliche Flächen dauerhaft der Spekulation entzieht, – ganz ähnlich wie das Mietshäuser Syndikat es mit Immobilien tut. Die Kulturlandgenossenschaft wird anstelle eines Privatkäufers Eigentümerin und garantiert, dass das Land nicht weiterverkauft und ausschließlich zum Zweck nachhaltiger Landwirtschaft genutzt wird. Um den Kauf zu finanzieren, starteten wir gemeinsam mit der Kulturland Genossenschaft eine Kampagne, die dafür warb, dass unser soziales Umfeld Genossenschaftsanteile für Basta zeichnen sollte. Das Geld zusammenzubekommen, war relativ mühsam. Die potenziellen AnteilhalterInnen mussten davon überzeugt werden, dass die Anlage stabil sei, und dass es seriös ist, Geld in eine Institution zu legen, die explizit keine Rendite gewährt.
Ein anderes Abenteuer war die Landwirtschaft selbst. Wir sind ja Quereinsteiger. Wie sind die Abläufe? Was für Maschinen brauche ich und welche Zeitpunkte sind richtig für welche Arbeiten? Weil wir dieses Wissen nur teilweise mitbrachten, lernten wir aus Erfahrung und Fehlschlägen. Wir werteten die erste Anbausaison aus, holten uns Rat ein und wurden mit jeder weiteren Saison etwas besser. Gleich zu Anfang lernten wir zum Beispiel Hans-Peter Frucht aus Libbenichen kennen, der die Demeter-Gärtnerei „Gärtnerei am Bauerngut“ betreibt. Er war unser ständiger Telefonjoker und unterstützte uns mit viel gärtnerischem Wissen. Ein weiterer Schutzengel ist Günther aus Wollup: Von ihm lernten wir die oderbruchspezifische Bodenkunde. Wie tief darf man den schweren Auenlehmboden bearbeiten? Darf man im Frühjahr pflügen? Das darf man natürlich auf keinen Fall, weil sonst der Acker in große Schollen bricht, die steinhart werden, und es ist monatelang unmöglich, ein krümeliges Saatbett zu schaffen. Auch Peter Huth hat uns viel gezeigt. Viele Leute hier vor Ort sind sehr hilfsbereit. Sie haben sich gefreut, dass hier jemand weitermacht, und es gibt einige Landwirte hier, die wir sehr schätzen.
Auch bezüglich der Verfahren haben wir viel dazugelernt. In der ersten Saison lasen wir unsere Kartoffeln noch per Hand, nachdem wir sie mit einer Schleuder gerodet hatten. Mittlerweile leihen wir für zwei Tage einen Vollernter und freuen uns über die Arbeitserleichterung. Jedes Jahr verbessern wir unsere Hacktechnik und schaffen es, ein paar Arbeitsstunden mehr einzusparen. Und das ist auch nötig, damit wir nicht immer bis spät abends arbeiten müssen.
Auf 1,8 Hektar Land betreiben wir Gemüseanbau: Wir bauen 55 Gemüsekulturen an. Alle Pflanzen ziehen wir aus Samen, die wir von ökologischen Saatgutproduzenten kaufen oder selbst vermehren. 1 000 Quadratmeter nimmt unser Kräutergarten ein, wobei wir die Kräuter nicht nur für die CSA-Gemeinschaft anbauen, sondern auch für Heilprodukte, Tees, Salben, Massageöle. Auf einem halben Hektar bauen wir Kartoffeln an. Mehrjähriges Luzerne-Kleegras-Gemenge sorgt für Stickstoffbindung, und unseren Winterweizen liefern wir an eine Kreuzberger Bäckerei. Etwas Fläche halten wir immer vor, um zu experimentieren: Was wächst noch auf dem Oderbruchboden? Und wie baut man es am besten an? Manchmal klappt es. Manchmal auch nicht. Am Ölleinen sind wir zum Beispiel kürzlich gescheitert.
Das gemeinschaftliche Landwirtschaften bedeutet für uns auch, dass unsere ErnteteilerInnen hin und wieder aus Berlin nach Basta kommen, um mitzubekommen, was ein Nahrungsmittel ist und wie es angebaut wird – und manchmal auch, um selbst mit Hand anzulegen. Anfang Juni gibt es zum Beispiel immer ein Event, bei dem wir mit den BerlinerInnen gemeinsam Kartoffelkäfer sammeln. Dazu hat Matteo, der bei uns arbeitet, eigens ein Video gedreht, in dem er erklärt, wie der Kartoffelkäfer aussieht und was er für Fraßschäden anrichtet. Das funktioniert auch immer gut und macht Spaß.
Mit dem Fleiß aller Beteiligten haben wir inzwischen die Landwirtschaft gut strukturiert. Jetzt wird es Zeit, Basta zu einem lebenswerteren Ort zu machen. Ein echtes Problem haben wir mit zu knappem Wohnraum. Deshalb wollen wir in näherer Zukunft einen alten Rinderstall ausbauen – zum Teil zur Werkstatt, zum Teil auch zu Wohnraum. Einen Seminarraum bräuchten wir auf längere Sicht auch, um landwirtschaftliche Bildung zu verwirklichen und mehr kulturelle Angebote zu schaffen.

Aus: Landwirtschaft – Berichte zum Thema Landwirtschaft im Oderbruch mit Beiträgen u.a. von K. Anders, L. Fischer, A. Undisz, T. Veihelmann und G. Weichardt sowie mit Fotografien von Stefan Schick und Ulrich Seifert-Stühr. Werkstattbuch 3, Aufland Verlag 2018