Ein Kommen und Gehen – Das Oderbruch im Spiegel seiner Keramik
Von Elke Brämer
Steckbrief: Elke Brämer wurde 1959 in Eberswalde geboren und ist dort aufgewachsen. Von 1985-1989 absolvierte die gelernte Bauzeichnerin ein Fernstudium in Politik, Staat und Recht und arbeitete bis 1995 in verschiedenen Verwaltungen, hauptsächlich im Bereich Jugend und Sport im heutigen Landkreises Märkisch-Oderland. Schließlich wechselte sie Dach und Fach und baute mit Partnern eine Werkstatt für phantasievolle und frei gestaltete Spielplätze namens „Spielbau“ auf.
Seit Oktober 2001 hat Spielbau seinen Sitz „Auf der Waldhöhe“ von Bad Freienwalde, nunmehr ergänzt um eine Begegnungsstätte mit Herberge. Die Gäste, hauptsächlich Kinder, aber auch Erwachsene, haben die Möglichkeit ein Atelier und die ansässigen Werkstätten zu nutzen.
Die Waldhöhe ist für Elke Brämer auch ein Ort für eigene kreative Tätigkeit und zur Wirkungsstätte für eigenes kreatives Arbeiten geworden. Sie befasst sich mit Fotografie, Bildhauerei, Malerei und Keramik, schreibt und interessiert sich für andere Kulturen und für Geschichte. In diesem Zusammenhang entstand 2000 das zeitlich begrenzte Projekt „Oderbruchkeramik im Wandel der Zeit“.
Der Fokus aufs Oderbruch
Als Elke Brämer 1977 nach Falkenberg ins Niederoderbruch zieht, ist sie begeistert. Die weiten flachen Felder bis zur Alten Oder, der damals noch offene Falkenberger See, die thüringisch anmutenden bewaldeten Hänge, zu dessen Füßen das Dorf liegt, und die zarten Lichtbänder, die oftmals morgens und abends in den tiefen Himmel gewoben sind, haben es ihr angetan. Viele Veränderungen, die ihre Umgebung inzwischen durchgemacht hat, bedauert sie. Die Dorfstraßen waren anfangs noch dicht mit Lindenbäumen besäumt, viele sind inzwischen gefällt worden, ebenso die markante Pappelallee zum Reiherbusch, für deren Erhalt sie in den achtziger Jahren mit Erfolg gekämpft hatte. In den neunziger Jahren gab es einen neuen Anlauf, diesmal wurden die Bäume gefällt, das italienische Flair das sie gaben, verschwand, und mit ihnen auch ein Wahrzeichen der Landschaft. Elke Brämer fürchtet, dass die Dörfer im Oderbruch stereotyp werden – in Westdeutschland könne man teilweise solche Dörfer finden, die einander zu ähnlich geworden sind. Damit verlören sie auch ihr touristisches Potenzial. Ein Park täte Falkenberg gut – nicht ein weiterer Parkplatz oder ein neuer Supermarkt als Dorfzentrum. Klüger wäre ein „Tante-Emma-Laden“, in dem man Produkte der Region erhält. Frau Brämer meint, dass eine gewisse Nostalgie und ein Schuss Romantik für diese Region gut wären – nicht, indem man sie verklärt, sondern indem man sie in ihrer Schönheit und Besonderheit erfasst. Der Erhalt der alten Fischerhäuser (in Falkenberg wurden die beiden letzten abgerissen) und der Kolonistenhäuser (in Amalienhof existieren noch einige) sowie der Alleen sei deshalb von immenser Bedeutung. „Immer wird es etwas Gewachsenes und etwas Wachsendes nebeneinander geben. Das ist klar. Aber das Wachsende darf das Gewachsene nicht zerstören.“
Die Idee
1998 führte mich mein Weg zu Herrn Rohde nach Lüdersdorf im Kreis Barnim, um die besondere Fachwerkkonstruktion seines „Loewinghauses“ zu besichtigen.
Es ist das älteste Vorlaubenhaus unserer Region und weist interessante Details wie z.B. die witzigen „Mittelnasen“ am Gebälk auf. Während der Besichtigung zeigte Herr Rohde auch Stücke, die er im Laufe der Erdarbeiten in den Innenräumen gefunden hatte.
Mich faszinierten besonders die buntbemalten Tellerscherben, von denen der Eigentümer meinte, daß sie aus dem Oderbruch stammen könnten. Das interessierte mich genauer. Gab es etwa eine spezielle Oderbruchkeramik? Angeregt durch diese Fundstücke, informierte ich mich in alten Heimatkalendern und entdeckte einen Fayenceteller aus Wriezen – es war dieselbe Machart und von anderer Farbgebung als die Greiffenberger Keramik. Auf der Basis der ersten Informationen schrieb ich ein Projekt und reichte es als ABM ein. Es wurde gefördert und mündete in eine Ausstellung, die von einem Team erarbeitet wurde und von Dezember 2000 bis März 2001 im Schloss Altranft zu besichtigen war.
Das Projekt
Vor allem interessierten uns die Menschen, die hier lebten, und die Techniken, mit denen sie ihre Keramik herstellten. Diese rekonstruierten wir und fertigten in der Aufbautechnik Nachempfindungen einzelner Objekte an. Bald konnten wir uns davon überzeugen, dass es keine eigenständige Oderbruchkeramik gab. Lediglich kurzzeitige Ansätze waren vorhanden, so etwa bei der Oderschnurkeramik oder bei den graublauen Fundstücken von Kugelgefäßen aus der Bad Freienwalder Grünstraße. Von einer in sich geschlossenen Technik oder Formgebung kann jedoch keine Rede sein. Was auf den ersten Blick enttäuschend erscheinen mag, verrät auf den zweiten Blick jedoch einiges über die besondere Geschichte des Bruchs: Von Anfang an war es ein Gebiet, in dem viele Kulturen verschmolzen, sich ablösten und ineinander übergingen. Sie befanden sich, wie der Oderstrom, in ständiger Bewegung. Zu den Gruppen, die halbwegs ansässig waren, kamen immer neue hinzu und andere wanderten ab. Was also für die jüngere Geschichte bekannt ist, gilt für die gesamte Siedlungsgeschichte des Oderbruchs. Um dieses Kommen und Gehen zu verstehen, musste man untersuchen, was die verschiedenen Kulturen von hier mitgenommen oder hergebracht hatten. Dazu war es nötig, die Spuren z.B. der Kelten und der Burgunden zurückverfolgen.
Steinzeit
Die ältesten keramischen Funde überhaupt stammen aus der Jungsteinzeit (3500-1600 v. Chr.). In der mittleren Oderregion umfassen sie vier verschiedene Keramiktypen: die Bandkeramik, die Trichter-becher- und die Kugelamphorenkultur sowie die Oderschnurkeramik. Man muss sich vorstellen, daß die Angehörigen jeder einzelnen Kultur in riesigen geografischen Räumen lebten. Die Angehörigen der Bandkeramik waren von der Ukraine bis zum Pariser Becken und von Ungarn bis nach Norddeutschland verbreitet. Sie gelten als die ersten Ackerbauern und Viehzüchter. Die Trichterbecherkultur war ebenfalls eine bäuerliche Kultur und entstand in dem Gebiet zwischen Ukraine und dem östlichen Holland. Sie werden mit den monumentalen Großsteingräbern (Megalithbauten) in Verbindung gebracht. Im Oderbruch selbst sind von diesen beiden Kulturen bisher keine Funde zu verzeichnen. Hier sind dagegen die Kugelamphorenkultur und die Schnurkeramik bedeutend. Kugelamphoren wurden in Sietzing und Platkow gefunden. Auch die Menschen dieser Kultur waren Ackerbauern. Sie bewahrten Getreidearten wie Emmer und Gerste in den Amphoren auf. Wahrscheinlich hat sich diese Kultur aus der Trichterbecherkultur entwickelt. Nennenswert ist auch, daß diese Menschen ihre Toten in Erdgräbern aus Steinkisten bestatteten. Ein eigenständiger Stil tritt mit der Oderschnurkeramik auf. Unverkennbar sind die Einflüsse der Schnur-keramik, die die berittenen Wanderhirten der indogermanischen Stämme aus Südrussland mitgebracht hatten. Die Merkmale dieser Schnurkeramik sind von der ansässigen Bevölkerung aufgegriffen und neu interpretiert worden. Außerdem brachten die berittenen Wanderhirten die Brandgrubenbestattung mit.
Bronzezeit (1700-700 v.u.Z.)
Schon im Ausgang der Steinzeit und zu Beginn der Bronzezeit, tauchte der Keramikstil der Aunjetitzer Kultur auf (nach einem Dorf in Böhmen benannt) und breitete sich, ähnlich wie kurz darauf die Lausitzer Kultur (1400-600 v. Chr.) von Böhmen und über Schlesien bis nach Brandenburg aus. Seit dem diente die Oder intensiv als Leitlinie der Kulturen. Die Menschen der verschiedenen Kulturepochen begannen kleine einzelne Typen herauszubilden.
Das lässt vermuten, daß sie in kleineren Stämmen lebten. In dem Zuge wurden die Territorien kleiner und innerhalb eines Kulturkreises gab es jetzt verschiedene Untergruppen, die sich anhand von feinen Merkmalen unterschieden. Zugleich reichten die Kulturkreise über riesige Territorien: Funde der Lausitzer Kultur wurden bei Ausgrabungen in Troja entdeckt! Für sie waren drei eigenständige Keramiktypen prägend. Die Buckelkeramik, der Aurither Typus und der Göritzer Typus. Sie waren alle von hoher Qualität und zeugten von einer ausgezeichneten Tonverarbeitung und Brandtechnik. Die Buckelkeramik war im gesamten Oderbruchgebiet verbreitet. Bei den Fundstücken handelt es sich hauptsächlich um Urnengefäße. Immer noch war die Bandgrubenbestattung vorherrschend.
Der Aurither Typus wurde nach dem Gräberfeldfund von Aurith/Kreis Weststernberg benannt. Bei diesem Stil kommt die Freude an ornamentaler Belebung zum Ausdruck. Kennzeichen sind besonders die eingestochenen Punktreihen, die durch Ornamentbänder begleitet werden. Eines der merkwürdigsten Gefäße dieses Typs wurde in einem Gräberfeld bei Rathsdorf gefunden.
Es handelt sich um ein Stierkopfgefäß. Es wird oft in einschlägigen archäologischen Abhandlungen erwähnt. Der Göritzer Typus wurde nach dem Gräberfeldfund von Göritz, dem heutigen Goryca in Polen, benannt. Das Verbreitungsgebiet lag im Odertal zwischen Frankfurt/Oder und der pommerschen Grenze im Norden.
Die Leitform der Keramik ist eine bauchige Amphore mit schwach abgesetztem Hals. Besonders schön sind die auftretenden Linien- und Girlandenverzierungen. Diese Art der Verzierungen wurde durch das Abrollen von Torques erreicht.
Eisenzeit (800-0 v. Chr.)
Damit befinden wir uns in der La Tene Zeit, der Eisenzeitepoche. Die Torques, die zur Verzierung der Keramiken verwendet wurden, stammten von den Kelten. Sie waren Symbole einer hohen Spiritualität und wurden als goldene Halsringe getragen. Der Oderraum war nun keltisch dominiert. Ihr kultureller Einfluss erstreckte sich von der Schweiz über Mittelfrankreich bis nach Thüringen und in unser Gebiet. Die Keramik der Göritzer Gruppe veränderte sich unter dem keltischen Einfluss in Form und Farbe. Die bauchigen Gefäße sind Meisterwerke der Töpferei. Sie sind dünnwandig, tiefschwarz oder oliv glänzend poliert. Hier sind wir im Nachbau an unsere Grenzen gestoßen. In der letzten Phase dieses Keramikstils wurden sie mit Mäandern reich verziert. Die Motive wurden durch das Abrollen eines gemusterten Töpferrädchens hergestellt. Gebrannt wurde die Keramik im offenen Feuer, das mit dem Blasebalg angefacht wurde. Dabei entstand auch die Färbung. Je weniger zusätzlicher Sauerstoff beim Brennen zugeführt wurde, desto dunkler wurde sie. Ein Fundort für solch ein beschriebenes Gefäß ist Küstrin. Der Keramikstil der La Tene Zeit beeinflußte auch die nachfolgende germanische Kultur. Der Übergang verlief unmerklich. Mit dem Auslaufen der Eisenzeit endet die Periode des Lausitzer Kulturkreises und damit auch die Keramik des Göritzer Typus. Es begann die Zeit der Einzelvölker. Die Zeit der Burgunden.
Fundort: Rathsdorf
Keramik der Germanen (50 v. Chr. – 400)
Die Oder als Leitlinie der Kulturen hatte viele Namen. Bezeichnungen germanischen Ursprungs wie Guthalas oder Suebenfluß zeugen davon. Wir können davon ausgehen, daß Germanen das Oder-Warthe-Gebiet etwa 50 v. Chr. besiedelten. Es handelt sich dabei um den Stamm der Burgunden. Zum besseren Verständnis sei erwähnt, daß sich die Burgunden den Kelten verwandtschaftlich sehr nahe sahen und selbst ebenso davon überzeugt waren, auch mit den Römern verwandt zu sein. Sie waren ein Mischstamm nichtgotischen Ursprungs. Es gibt jedoch verschiedene Meinungen darüber und auch mehrere Legenden dazu. Ihr Kulturkreis zog sich von Böhmen bis zum Thüringer Wald, von der Lausitz bis ins Oder-Warthe-Gebiet.
Was von den Burgunden des Oderbruches blieb, sind Keramikfunde, meist in Form von Urnen. Um Bad Freienwalde wurden sie vor allem in Hohenwutzen, Schiffmühle, Altranft, Beauregard und in Wriezen gefunden. Wie es für die germanische Keramik üblich war, lässt sich an den Gefäßen eine nüchterne und schlichte Form mit strengen klaren Umrissen erkennen. Kennzeichnend ist, daß die Gefäße oftmals pokalförmige Stände erhielten. Einflüsse der keltischen Kultur wie auch des Sukower-Typs (zur Przeworsk-Kultur gehörig) sind unverkennbar. Auch die Burgunden stellten schwarz polierte Keramik mit Rollrädchenverzierungen her. Als 377 die Hunnen/Awaren an die Oder gelangten, war bereits der größte Teil der Burgunden nach Worms an den Rhein abgewandert. Dass es noch Keramikfunde bei Frankfurt/Oder aus der Zeit nach 400 gab, weist darauf hin, dass noch einige Burgunden trotz der Gefahren durch die Hunnen geblieben waren.
Im Heimatkalender 1958 für den Kreis Bad Freienwalde gibt es einen interessanten Beitrag vom damaligen Leiter des Oderlandmuseums, Hans Ohnesorge, der von dem Fund eines burgundischen Frauengrabes in Altranft berichtet. Ohnesorge hat auch 1967 in einem Männergrab eine bronzene Schere, die als markomannische Arbeit gewertet wird, gefunden. Das Grab lag in Hohenwutzen am kleinen Krebssee. Die Burgunden scheinen übrigens ein Lieblingsthema der Heimatkalender gewesen zu sein. Bis 1997 finden sich hier zahlreiche Beiträge.
Die slawische Besiedlung (um 600-1200 u.Z.)
Nach einer längeren Siedlungspause, die wahrscheinlich durch klimatische Verhältnisse bedingt war, drangen einzelne slawische Landnahmegruppen zögerlich in das unwirtliche Odergebiet vor. Die Besiedlung verstärkte sich erst zwischen 700 und 1200. Die Slawen kamen aus ihrem Kerngebiet, den Karparten. Mit der Landnahme dieser Sukow-Szeligi-Gruppe kam der Roggen in die Landstriche zwischen Oder und Elbe. Ihr Gebiet erstreckte sich vom Havelland bis zur Niederlausitz, von der unteren Spree bis ins Oderbruch. Im Laufe des Mittelalters gingen die Slawen nach einer feudalen deutschen Expansion in der deutschen Bevölkerung auf.
Die Slawen siedelten entlang der Oder und auf höher gelegenen Stellen im Oderbruch. Sie waren meist Fischer und passten sich den unbequemen Lebensbedingungen an. Auf den höher gelegenen Sandstellen des Bruches bauten sie sich ihre Dörfer, die von Ringwällen zum Schutz gegen das Hochwasser und gegen mögliche Feinde umgeben waren. In Kienitz und Neutrebbin wurden in spätslawischer Zeit sogar Burgen angelegt. An beiden Fundorten werden Ansätze einer frühstädtischen Entwicklung vermutet.
Der Keramikstil der Slawen war nicht sehr hoch entwickelt – er war schlicht und einfach. Die Gefäße sind an ihrer äußeren Form, dem Doppelkonus, zu erkennen. Meist weisen sie eine Wellen- und Kammverzierung auf. Grobe Keramik und Holzgefäße wusste jeder im Hause anzufertigen. Die Keramikfunde aus der slawischen Zeit sind nicht sehr zahlreich. Einer davon stammt aus Falkenberg.
Wir stießen auf die Tatsache, daß gerade in den altslawischen Lehmkaten, wie sie auch im Oderbruch vorkamen, keine offenen Herdstellen bevorzugt waren, sondern so genannte Kochöfen. Diese Kochöfen ragten backofenartig in das Wohn- oder Schlafzimmer hinein. Sie waren aus Lehm gebildet und gelten als die Vorläufer des mittelalterlichen Ofens.
Das späte Mittelalter (13./15.Jh)
1995 gelang den Archäologen ein sensationeller Fund. Sie gruben in der Grünstraße von Bad Freienwalde zwei Brennöfen aus 13./14. Jahrhundert aus. In beiden Öfen befanden sich Keramikscherben der typisch blaugrauen Kugeltopfware, dem klassischen Kochgeschirr des Spätmittelalters und man fand eine Steinzeugkanne.
Die Neuzeit
Das Kommen hörte auch nicht auf, als es Staatsgrenzen gab, im Gegenteil, durch die Trockenlegung des Oderbruches erhielt die Bevölkerungswanderung weitere Impulse.
Die Mehrzahl der Einwanderer stammte aus der Rheinpfalz und aus polnischen Gebieten, aber auch aus Mecklenburg, der Rhön, Frankreich und Österreich.
Seit 1703 hatten Hausierer, Schiffer und Händler aus Frankfurt/O. das Recht, schlesische Töpferwaren in sämtlichen Städten der Mittelmark einzuführen und zu verkaufen. Neben der Schlesischen Ware wurde auch Keramik aus Hessen eingeführt. Speziell die Marburger Keramik war sehr beliebt und wurde kopiert, außerdem kam die Salzglasur (wahrscheinlich aus Hessen oder dem Elsass) mit den Kolonisten zu uns.
Einfluss hatte auch die Blumenthaler Keramik aus der Prignitz. Die Gefäße waren meist mit Bügelhenkeln versehen und die Außenglasur reichte oft nicht bis auf den Boden. Aus dem nahen Greiffenberg kam eine Halbfayencekeramik. Und hier schließt sich der Kreis. Die Tellerscherben aus Lüdersdorf ist „Greiffenberger Ware“. Sie wird auch „Stettiner Ware“ genannt. Als Merkmale dieser Keramik, die in Vorpommern, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Dänemark und Südschweden auftritt, werden folgende Merkmale genannt: Es ist eine Irdenware mit meist gelblichbraunen bis gelbgrauem Scherben. Sie wurde auf der Vorder- also Innenseite mit einer deckenden weißen bis grauweißen Glasur versehen. Als weiteres Kriterium kommt eine Dekoration in verschiedenen Blautönen, Manganviolett, Türkisgrün und Gelb vor. Aber der Scherben rechts neben dem Lüdersdorfer-Teller könnte aus Wriezen stammen.
Im Heimatkalender von Wriezen 1930 finden wir eine Abbildung eines Fayencetellers aus dem Jahre 1774. Er weist eine Besonderheit auf. Die beabsichtigte Dekoration wurde vor dem ersten Brand in den frischen Ton eingeritzt und die gewünschten Glasurfarben erst danach aufgemalt. Ergo könnte der Teller mit dem grünen Blattdekor aus Wriezen stammen.
Töpfer im Oderbruch
Parallel wurde die einheimische Keramik immer mehr zurückgedrängt. Es hagelte damals Beschwerdebriefe der Töpferinnung an die Magistrate in Frankfurt/Oder und Potsdam. Der Älteste stammt aus dem Jahr 1702. Die Töpfer beklagten sich darüber, daß Schiffern aus Frankfurt/O., Hausierern und Topfhändlern erlaubt wurde, Ware aus Pommern, Schlesien und Hessen einzuführen. Diese Ware stellte eine große Konkurrenz dar, denn sie war bei der Bevölkerung wegen ihrer besseren Tonqualität beliebt. Erst später fanden die Töpfer einen ebenbürtigen Ton von weißer und fester Masse im Freienwalder Forst. Nach langen Jahren der wiederkehrenden Eingaben richtete am 4. Januar 1769 die Königlich Preußisch Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer eine Anfrage an den Magistrat von Freienwalde, was die Ursache des ständigen Klagens und ob der Freienwalder Ton dem sächsischen ebenbürtig sei. Ein entsprechender Nachweis sollte erbracht werden. Drauf antworteten die Töpfergewerke, dass sie sich wegen der Einfuhr in großer Armut befänden und die Angaben über die bessere Ware von außerhalb ein Vorurteil sei. Sie selbst dürften sich auch nicht auf fremden Märkten sehen lassen. Trotz allem sind 1896 im Wohnungsbuch von Bad Freienwalde noch sieben Töpfermeister registriert. 1929/30 sind fünf Töpfermeister und vier Töpfer aufgeführt, außerdem ein Ofenfabrikant und vier Ofensetzer. Seit jeher ist in der Mark der Geschirrtöpfer auch ein Ofentöpfer gewesen. Es wurde hier früher nie, wie in anderen Teilen Deutschlands, streng getrennt.
Unter den fünf Töpfermeistern von 1929/30 stammten drei aus der Familie Schubert. Die Nachfahren dieser Familie leben noch heute in Bad Freienwalde und Eberswalde.
Die Spuren von Töpfern im Zentrum des Oderbruches sind sehr spärlich. Durch die Unterzeichnung des Töpferinnungsstatutes vom 23.05.1886 wissen wir, daß Herr August Bohmeyer eine Töpferei in Neulewin in der Dorfstraße 14 betrieb.
Die Nachforschungen ergaben, daß im Zuge der Besiedlung des trockengelegten Oderbruches keine Töpfer unter den Kolonisten waren. Die mit den Neusiedlern kamen, wurden in den Städten Freienwalde und Wriezen ansässig.
Schluss
Bei allen Forschungsetappen, die Schritt für Schritt erreicht wurden, fand ich persönlich das Auftauchen der Kelten und der Burgunden an der Oder sowie die neuzeitliche Historie um die Töpfer-Dynastie Schubert am interessantesten. Überhaupt waren die vielen kleinen Geschichten am Rande der Erforschung die Bonbons unserer Arbeit.
Keramikfunde der verschiedenen Epochen in anderen Museen zum Vergleichen – aus Kreta, Heraklion, Troja und Dänemark
Keramiken von Künstlern Diesseits und Jenseits der Oder – Cedynia Markt Fest