St. Marienkirche Wriezen

Foto L.Fischer

Die Kirche

Ursprünglich war die Kirche ein Feldsteinbau aus dem 13. Jahrhundert, umgeben von einem Friedhof. In den Jahren 1598/1599 wurde der Kirchhof wegen der vielen Pesttoten verlegt und 1777 eingeebnet, das Gelände wurde Teil des Marktes.

Im 14. Jahrhundert wurde der Turm aus Backstein angebaut und im gleichen Jahrhundert der Chor ebenfalls in Backstein erweitert. Es wird vermutet, dass 1432 die Hussiten die Kirche teilweise zerstörten. Sie wurde anschließend wieder hergestellt und um 1500 umgebaut. Diese Bauarbeiten wurden 1513 abgeschlossen. Die etwa 55 Meter lange Hallenkirche aus Backstein besteht aus einem dreischiffigen Langhaus und einem dreischiffigen Chor. Im Laufe der Jahre gab es weitere Ergänzungen.

Wriezen innen III um 1925 Foto Sammlung Schmook
Wriezen InnenII um 1925 Foto Sammlung Schmook

Der Turm brannte unter anderem in den Jahren 1638, 1639, 1664 und 1732. Er ist danach jeweils wieder aufgebaut worden, erhielt eine barocke Fassadengliederung und wurde mit einer Welschen Haube versehen. Die letzte Reparatur fand 1784 statt, bis zur Zerstörung im Jahre 1945 wurden nur noch kleine Reparaturen vorgenommen.

Kirche Wriezen um 1914 Foto Sammlung Schmook

Am Ende des Zweiten Weltkrieges, vom 16. bis zum 20. April 1945, brannte die Kirche in Folge der intensiven Kampfhandlungen im Oderbruch um Wriezen und Seelow bis auf die Grundmauern aus und stürzte ein. Das Oderbruch gilt als die Landschaft, die im Zweiten Weltkrieg die meisten Kirchen verloren hat. In diesen Tagen ging die gesamte Innenausstattung verloren, vom Altar über den Taufstein bis zur Orgel. Erhalten geblieben sind die Umfassungsmauern, die Pfeiler und Arkaden des Langschiffes, einige Fußbodenfliesen, die Innenwände des Chores sowie der rechteckige Turm mit einer Fläche von 14 mal 9 Metern, der vor der Zerstörung sechs Geschosse aufwies.

Marienkirche Foto Horst Drewing
Turm Marienkirche Wriezen 1986 Archiv Oma

1950/1951 wurde das südliche Chorschiff zur Kapelle umgebaut. Zwischen 1954 und 1960 erfolgte eine Stabilisierung des Turms durch den Einzug von vier Zwischendecken aus Beton.
Im April 1991 wurde ein Förderverein mit dem Ziel eines Wiederaufbaus der Kirche gebildet, der die nachfolgenden Jahre erfolgreich arbeitete. Im Frühjahr 2024 wurde der Wiederaufbau der St. Marien Kirche zu Wriezen nach mehr als drei Jahrzehnten abgeschlossen. Heute wird die Kirche nicht nur von der Kirchgemeinde genutzt, sondern steht als Schulkirche auch im Dienst der Johanniter Schulen Wriezen, die ihre Gottesdienste hier feiern. Größere Veranstaltungen der Stadt Wriezen finden hier ebenfalls statt.
Derzeit werden von Margot und Heinz Müller Gelder gesammelt, um die einfachen Fenster der Apsis künstlerisch neu gestalten zu lassen.

Die Glocken

Die drei Glocken der Wriezener Kirche St. Marien wurden im Zweiten Weltkrieg eingezogen. Der Sakralbau brannte 1945 nieder. Stück für Stück wurde die Kirche mit Hilfe eines Fördervereins im Zeitraum 1991 bis 2024 wieder aufgebaut. Im neuen Glockenturm konnten durch viele Spendengelder (Glockenfond) eine Treppe und ein Glockenstuhl mit einem Vollgeläut aus drei Glocken finanziert werden.

Die Glocke mittlerer Größe (Durchmesser: 950 mm, Gewicht: 480 kg) wurde der Kirchengemeinde 1948 durch das evangelische Konsistorium der Mark Brandenburg zugewiesen. Sie war auf einem Hamburger Glockenfriedhof eingelagert und stammt von der Gemeinde Werblitz (heute Verbnica/Polen) bei Soldin (heute Myślibórz) und ist vermutlich aus dem Jahr 1480. Die Bronzeglocke trägt keine Inschrift. Vor dem Umzug in den neuen Glockenstuhl hing sie in verschiedenen Fenstern der Kirchenruine und wurde dort geläutet.
Ausgehend von dieser Glocke wurde auf Basis einer Klangstudie durch einen Glockensachverständigen die Ergänzung durch zwei neue bronzene Glocken eingeleitet:
Die große Glocke (Durchmesser: 1130mm, Gewicht: 742 kg) wurde 1998 in Anwesenheit einer Wriezener Gemeindevertretung in Lauchhammer gegossen (Lauchhammer Kunstguß GmbH & Co KG). Sie trägt in Gedenken an das abgewehrte Oder-Hochwasser 1997 die Inschrift „Nun danket alle Gott“.

Die kleine Glocke (Durchmesser: 840 mm, Gewicht: 356 kg) wurde 1999 ebenfalls in Lauchhammer gegossen. Sie trägt die Inschrift „Lobet und preiset ihr Völker den Herrn“, in Erinnerung an den Taufspruch des maßgeblichen, anonymen Spenders dieser dritten Glocke. Anlässlich ihrer Einweihung bzw. „Inbetriebnahme“ (evangelisch) wurde unter großer Anteilnahme ein Festgottesdienst, eine ökumenische Advents-Agape, gefeiert.

Anklicken zum Anhören: Vollgeläut der Kirche St. Marien in Wriezen Ton und Foto LandLab

Das Läuten der Glocken erfolgt per Motor und wird programmiert. Täglich ist zu den alten Gebetszeiten 12 Uhr (Sext) und 18 Uhr (Vesper) eine Glocke zu hören (mittlere oder kleine Glocke im Wechsel, um vor Abnutzung zu schützen), das Vollgeläut bzw. Plenum anlässlich des Gottesdienstes (jeweils 5 Minuten um 9:30 Uhr, 9:55 Uhr sowie zum Ende des Gottesdienstes) und im Rahmen von kirchlichen Beerdigungen (vorab, nach der Ansprache in der Halle und am Grab).

Anklicken zum Anhören: Wriezen Dauerläuten es spricht Pfarrer Moritz Ton LandLab

Objekte

Die achteckigen Bodenfliesen

In der Mitte der Apsis der Kirche sind auf einer Fläche von ca. drei mal drei Meter die wenigen Bodenfliesen zu sehen, die die Zerstörung der Kirche im April 1945 schadlos überstanden. Die ursprünglich aus rotem Ton gebrannten achteckigen Fliesen sind durch den Brand der Kirche teils von Ruß geschwärzt. Die von Kante zu Kante ca. 15 Zentimeter großen Fliesen stammen aus der Zeit um 1500, in der die Kirche nach ihrer teilweisen Zerstörung durch die Hussiten wieder aufgebaut wurde.
Am Backsteinmauerwerk der Apsis, wie an vielen anderen Stellen, sind die Brandspuren deutlich sichtbar; der Ruß hat sich durch die Hitze förmlich in die Oberfläche der Steine eingebrannt. Im Zuge der Restaurierung der Kirche wurde seitens der Gemeinde Wert darauf gelegt, diese Spuren der Kriegszerstörung als Mahnung zu erhalten, daher wurden die Wände nicht wieder geweißt, wie vor 1945.

Foto Alex Schirmer

Die Epitaphe

Sieben, leider nur noch rudimentär erhaltene Epitaphe aus Sandstein sind im Kirchenschiff zu sehen. Bis auf das eine frei hängende Epitaph werden alle an jenen Stellen präsentiert, wo sie auch vor der Zerstörung der Kirche angebracht waren. Epitaphe sind oft aufwendig künstlerisch gestaltete Gedächtnistafeln für verstorbene höhergestellte Persönlichkeiten, die in oder an Kirchen zur Erinnerung angebracht wurden. Im Unterschied zum Grabmal waren sie kein unmittelbarer Teil der Begräbnisstätte. Die Wriezener Epitaphe erinnern an verdienstvolle Bürgermeister und andere Standespersonen aus der Wriezener Oberschicht.
Die Mehrzahl der sieben Epitaphe stammen aus dem 17. Jahrhundert. Der Zahn der Zeit, aber insbesondere der Brand und Einsturz der Kirche haben die leicht zu beschädigenden Sandsteinplatten stark in Mitleidenschaft gezogen. Für ein komplett zerstörtes, nur in Einzelteilen gesichertes Epitaph wurde 2022 vom Berliner Steinrestaurator Oliver Gruhr aus Sandstein ein künstlerisch gestalteter Ersatz geschaffen. Seine Arbeit ist an den geschmiedeten Halteklammern des Originals angebracht.

Der Historiker Dr. R. Schmook schreibt zu den Epitaphien in der Wriezener Marienkirche:
Wahrscheinlich bei einer der letzten großen Umgestaltungen des Kircheninneren in den Jahren 1837-38 versetzte man die erhaltenen Grabsteine, die ursprünglich über den Grüften der im Kircheninnenraum bestatteten Personen angebracht waren, in das nördliche Chorseitenschiff. Sie stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert und waren künstlerisch wertvolle, barocke Kleinodien, die es zu erhalten galt. Leider wurden auch sie durch die Hitze beim Brand der Kirche zerstört. Um ihre Überreste wieder sichtbar zu machen, wurden sie konservatorisch gesichert und mit Beschreibungen versehen. Diese Beschreibungen wurden anhand des schwierigen Befundes verfasst und sind leider überwiegend unzutreffend. Im Bildarchiv des Oderlandmuseums befinden sich von fünf der sieben Epitaphe Fotografien, die vor 100 Jahren entstanden sind und eine Zuordnung zu den erhaltenen Tafelresten erlauben. Danach sind es Grabsteine für den Bürgermeister Ernst Orth (1625-1679), den Diakonus (dritter Pfarrer) Johann Halbichius (1628-1681), den Diakonus Michael Gottlieb Schrödter (1655-1692), den verdienstvollen Bürgermeister Wilhelm de Neve (1648-1715) und den Ratskämmerer und Apotheker Siegfried Dittmar Koch (1656-1730).

Foto Alex Schirmer

Die „Wendentaufe“

An der östlichen Außenmauer der Kirche, zum Markt hin, befindet sich nahe am Boden die sogenannte Wendentaufe im Mauerwerk: Eine ca. 120 cm hohe und ca. 80 cm breite Sandsteinplatte mit erheblichen Witterungsschäden. Nach Ansicht des Historikers Dr. R. Schmook handelt es sich wahrscheinlich um ein Epitaph aus dem 16. Jahrhundert für einen der wohlhabenderen Wriezener Bürger, das ursprünglich in der Kirche hing, und eine christliche Aussegnungshandlung erkennen lässt. Auch eine Jahreszahl ist am Rand zu erkennen: 1511.
Die volkstümliche Bezeichnung „Wendentaufe“ geht auf Christian Samuel Ulrich, zurück, der in seiner Beschreibung der Stadt Wriezen und ihrer Umgegend 1830 schrieb: „Obgleich der Übergang zum Christenthume von den zurückgebliebenen Wenden erzwungen war, so stellte man ihn doch bildlich, in Stein gehauen, durch die von einem Priester verrichtete Taufe eines Wenden dar, und mauerte diesen Denkstein in der Folge an der Nordseite der Kirche ein.“

Foto Alex Schirmer

Die Schuke-Orgel

Die kleine Orgel im Südschiff der Kirche wurde in der Orgelbauwerkstatt Alexander Schuke in Potsdam für die St. Marienkirche Wriezen gefertigt und 1952 als Ersatz für die verbrannte große Wagner-Orgel im Hauptschiff in Betrieb genommen. Für den kleinen Raum des von Brand und kompletten Einsturz verschont gebliebenen Südschiffes reichte dieses kleine Instrument aus.
Die 1945 verbrannte Orgel wurde von einem unbekannten Baumeister 1597 gefertigt und weist einige Strukturanteile auf, die aus dem Jahr 1564 stammen.
1729/30 erfolgte ein Neubau der Orgel (31 III/P, 3 Transmissionen, 2 pedaltraktierte Pauken) durch den Berliner Orgelbauer Joachim Wagner.
1936 wurde diese Orgel durch Alexander Schuke, Orgelbauer in Potsdam restauriert.
1945 kam es zur Kriegszerstörung von Kirche und Orgel.
1952 konnte im sanierten Südschiff eine von Alexander Schuke neugebaute kleine Orgel (Opus 238 des Orgelbauers) in Betrieb genommen werden. Sie wurde 1993 einer Generalüberholung durch die Eberswalder Orgelbauwerkstatt unterzogen und ist heute in der Kirche zu sehen und zu hören.

Die Kirchenmusikerin der Gemeinde Christine Moritz wurde im Rahmen eines Workshops „Kunst trifft Kirche – digitales Erzählen stärken“ von Jugendlichen zur Geschichte der Schuke-Orgel befragt. Die Jugendlichen sammelten verschiedenste O-Töne zu den Kirchen im Netzwerk Europäisches Kulturerbe Oderbruch. Hören Sie hier einen Ausschnitt aus dem Gespräch. (Anfügen Audio)

Foto Alex Schirmer

Das Südgewölbe

Das einzig original erhaltene Gewölbe aus der Bauzeit befindet sich im Südschiff, wo auf der Empore auch die Schuke-Orgel zu finden ist. Dank der Restaurierung ist das Gewölbe in seiner einstigen Klarheit zu bewundern und vermittelt einen Eindruck, wie die gesamte Kirche vor 1945 ausgesehen hat. Neben dem Pfarrhaus bildete das Südschiff bis zum Abschluss des Wiederaufbaus der Kirche 2024 den Mittelpunkt des kirchlichen Alltags der Gemeinde.

Foto Alex Schirmer

Marienfenster

Das Fenster im Südschiff mit dem schlichten Mariensymbol über dem Altar stammt aus der unmittelbaren Nachkriegszeit und wurde 1951 oder 1952 eingebaut, um den Raum als Kapelle nutzen zu können. Karfreitag 1952 wurde hier der Gottesdienst gefeiert. Der Mond steht für Maria und das Christuszeichen darüber wird also von Maria getragen. Wer die Bleiverglasung im Auftrag des Kirchbaurates, die die Kirche damals Instand setzen ließ, gestaltete und ausführte, ist in Wriezen nicht mehr bekannt.
Der Flügelaltar auf dem Altartisch unter dem Fenster stammt von der Berliner Malerin und Grafikerin Alice Brasse-Forstmann (1903 in Lettland geboren und 1990 in Berlin verstorben) und ist aus dem Jahr 1951. In der Mitte sind Christus am Kreuz, Maria und Johannes abgebildet, die beiden Flügel zeigen die Evangelisten.
Es wurde aber erst aufgestellt, als der Kirchraum bereits fertig hergerichtet und in Nutzung war. Auch der Altar und das Taufbecken sind aus den 1950 Jahren, da dem Brand 1945 wie oben erwähnt alles alte Inventar zum Opfer fiel, auch die Kirchenbücher dieser Zeit der dreißiger bis vierziger Jahre.

Foto Alex Schirmer

Ausbuchtung für den Schalldeckel der alten Kanzel

An einem Pfeiler im Hauptschiff an der Glastrennwand ist am Ansatz zum Gewölbeträger eine kleine gerundete Ausbuchtung zu sehen, die für den Schalldeckel der verbrannten Kanzel gefertigt wurden war. Auf alten Fotografien aus dem Kircheninneren ist die mittige Position der Kanzel im Kirchenschiff gut zu erkennen.

Foto Alex Schirmer

Turmansicht innen

Diese unverputzte Ansicht des Turms macht die unterschiedlichen Bauabschnitte der Marienkirche nachvollziehbar. Bis 1945 stand hier die große Wagner-Orgel und verdeckte den Turmbau, der seit dem 14. Jahrhundert die Kirche mitprägt.
Die Feldsteine unten stammen aus dem ersten Kirchbau aus dem 13. Jahrhundert. Schon damals hatte der Bau einen mächtigen Querturm. Vermutlich ab 1536 war ein aus Backstein aufgemauerter Turm vorhanden. Nach mehreren Bränden wurde 1735/36 ein nicht mehr mit dem Unterbau verbundener barocker Turmaufsatz aus Holz ausgeführt. 1853 erhielt der mit seinen sechs Etagen 72 Meter hohe Turm seine bis heute sichtbare äußere Gestalt, denn einige Jahre nach dem Krieg wurde er zwischen 1954 und 1960 durch den Einzug von Betondecken gesichert und dann viele Jahre später zwischen 1994 und 1998 umfassende saniert und nach altem Vorbild verputzt.

Foto Alex Schirmer

Quellen

Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Teil: Brandenburg. Deutscher Kunstverlag München Berlin 2000
Ilona Rohowski, Ingetraud Senst: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Denkmale in Brandenburg. Band 9.1: Landkreis Märkisch-Oderland. Teil 1: Städte Bad Freienwalde und Wriezen, Dörfer im Niederoderbruch. Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms am Rhein 2006
Christian Samuel Ulrich: Beschreibung der Stadt Wriezen und ihrer Umgegend, in historisch-statistisch-topographischer Beziehung, Berlin 1830, S. 198

weiter Links:

www.kulturerbe-oderbruch.de/orte/marienkirche-wriezen
wikipedia.org/wiki/St._Marien_(Wriezen)
Institut für Orgelforschung

Dank an Margot Müller und Pfarrer Christian Moritz, Wriezen
Sowie Dr. Reinhard Schmook, Bad Freienwalde