Schul- und Bethaus Wuschewier

Foto Michael Anker

Das Schul- und Bethaus Wuschewier

Den Ort Wuschewier haben die Kolonisten 1757 unter dem Namen Carlsburg im Auftrag des Markgrafen Karl Friedrich Albrecht von Brandenburg-Schwedt, Gutsherr auf Friedland, angelegt. Von Anfang an war der Bau einer Kirche im Ort geplant, was Wuschewier von vielen anderen Kolonistendörfern unterschied. Das Schul- und Bethaus wurde etwas später 1764 als langgestreckter Fachwerkbau in der Dorfmitte errichtet. Es beherbergte die Schule, die Kirche, die Lehrerwohnung und anfangs wohl auch die Wohnung des Gemeindehirten unter einem Dach – also fast alles, was die kleine Gemeinde damals trug. Um 1800 wurde der Kirchenraum nach Süden erweitert und Mitte des 19. Jahrhunderts, insbesondere zwischen 1850 und 1855, das Haus mehrfach verändert, zum Bespiel um Schulräume und Lehrerwohnung zu vergrößern. 1855 wurde es mit einem Turm versehen. Mit dem Einbau einer Mickley-Orgel bekam der Kirchenraum seine jetzige großzügige Gestalt. In dieser Zeit waren die Wuschewierer wohl zu etwas Wohlstand gekommen.

altes Foto
SBH_Wuschewier_um 1957_Foto_MOZ

Nur der angesetzte quadratische Turm deutet auf eine kirchliche Nutzung des Gebäudes. Bei der Anlage der Kolonistendörfer war die Errichtung von Kirchbauten nur bei äußerster Sparsamkeit erlaubt. Wuschewier ist dabei das eindrucksvollste Beispiel an Einfachheit, Sparsamkeit und zugleich Multifunktionalität. Der Bau unterschied sich von den umliegenden Wohnbauten nur durch seine Traufstellung zur Dorfstraße.

Als 1907 neben dem Turm eine neue Schule entstand, wurde das um 1850 angebaute Schulzimmer wieder abgerissen, und dabei leider auch ein Teil des Ursprungsbaus.
Den Betsaal betritt man schon immer von der Straße aus, die ehemalige Lehrerwohnung vom Garten. Der Betsaal überrascht durch Größe, Weite und schlichten Charme. Trotz ständiger Instandhaltung durch die Kirchengemeinde wies das seit 1958 denkmalgeschützte Gebäude erhebliche Schäden auf, zuletzt 1945 verursacht durch Kriegshandlungen und die verheerende Oderflut 1947. Um das Jahr 1958 wurde das Gebäude umfassend saniert und die Holzkonstruktion im Inneren mit der jetzigen terrakotta-roten und grauen Farbfassung versehen. Ursprünglich war das Holz im Innenraum nicht farbig gestrichen, denn Farben waren teuer. Der weggesackte Turm wurde 1987/88 nach altem Vorbild neu gebaut. Wenige Jahre nach der Wiedervereinigung 1990 gründete sich 1995 der Förderverein Schul- und Bethaus Wuschewier e.V., der seither die Bewahrung des Hauses unterstützt. 1996/1997 wurde das Schul- und Bethaus saniert.
Ein kleines schwarz-weiß gestreiftes Schilderhäuschen vor der Kirche diente bis ca.1920 dem Nachtwächter als Unterstand. Die Elektrifizierung des Dorfes machte dessen Dienst überflüssig, das Häuschen aber lebte weiter. Es wurde bis 1995 als Toilettenhäuschen für die Bewohner der ehemaligen Lehrerwohnung genutzt, die keine Wasser- und Abwasserleitung besaß. Zu sehen ist heute ein Nachbau des Unterstandes für den Nachtwächter. Neben Gottesdiensten wird das Haus für Veranstaltungen des Fördervereins genutzt, die dem Erhalt des Gebäudes dienen.

Die Glocken

Das Schul- und Bethaus wurde 1855 um einen Turm mit einer Glocke ergänzt. Der damalige Patron Graf Heinrich Friedrich August von Itzenplitz (1799 – 1883), Herr auf Kunersdorf bei Wriezen, gab dafür Holz und Steine.  Es ist anzunehmen, dass die Gemeindemitglieder diese Neuerungen aufgrund der höheren Einkommen finanzieren konnten, die mit dem Landzugewinn nach Abschluss der Entwässerung des Oderbruchs erwirtschaftet wurden.
Ob es sich bei der noch heute aktiven Glocke jedoch um das Original von 1855 handelt, ist nicht verbrieft. Sie ist vermutlich ein Stahl-Guss und trägt keine Inschrift. Das Läutwerk wurde wahrscheinlich bereits 1988 auf einen Motorantrieb umgestellt, als der Turm saniert wurde. Das 10-minütige Feierabendläuten täglich um 18 Uhr wurde automatisiert. Das Läuten anlässlich eines Gottesdienstes (5 Minuten vor Beginn) und einer kirchlichen Beisetzung (5 Minuten vor Beginn des Gottesdienstes und als Begleitung des Weges der Trauergemeinde auf dem Friedhof sowie beim Absenken des Sarges bzw. der Urne) sowie die Sterbeglocke (ca. 10 Minuten um 12 Uhr am Tag nach dem Heimgang eines Gemeindemitgliedes) wird im Wechsel durch die beiden Kirchenältesten ausgelöst – bzw. deren Familie in Vertretung.
Eine Besonderheit: Vor der Installation der Glocke, also zwischen 1764, als der Saal erbaut wurde, bis 1855, informierte man die Gemeinde mit sog. Klapperbrettern über die Ausrichtung des Gottesdienstes. Diese wurden von Haus zu Haus getragen bzw. geworfen und dort von den Anwohnern betätigt, sodass es „im ganzen Dorf klapperte“.

Das Geläut der Glocke Wuschewier

Bild und Ton: Anne Göhring / LAND-LAB

Objekte

Die Mickley-Orgel

Die Orgel ist 1850 von Georg Mickley in Bad Freienwalde gebaut worden. Die Bewohner des Dorfes haben für dieses Instrument Geld gesammelt, 72 Taler kamen aus der Gemeinde, 100 Taler gab der Patron der Kirche, der Kirchenälteste Herr Bresemann hat sogar 100 Taler dafür gegeben.

Für die Orgel musste die Empore tiefergelegt und verbreitert werden. Da die Ständer der Orgelempore ohne gesondertes Fundament auf dem Ziegelfußboden stehen, ist anzunehmen, dass die Ziegel 1850 schon in der Kirche gelegen haben.

1917 kam es zur Kriegsabgabe der Prospektpfeifen. In den letzten Kriegstagen 1945 nahm die Orgel erneut Schaden, wurde aber zügig repariert. Zwei Jahre später kam es während des Hochwassers durch Überflutung wieder zu Schäden am Instrument, die behoben wurden. 1959 nahm der Cottbuser Orgelbauer Reinhold Klenke eine Umdisponierung der Orgel vor. 1996/97 wurde die Mickley-Orgel von Christian Scheffler aus Sieversdorf umfassend restauriert und 1998 fand die Wiedereinweihung statt. Die Orgel wird heute hin und wieder in Konzerten gespielt, die der Förderverein des Schul-und Bethauses Wuschewier organisiert und natürlich zu den hohen Feiertagen. Gestimmt wird sie dafür von Christian Blache.

Foto Alex Schirmer

Der Altar

Der Altar ist so wie er heute im Bethaus steht auf Fotografien aus dem frühen 20. Jahrhundert zu sehen. Es ist nicht anzunehmen, dass es zuvor einen größeren Altar im Bethaus gegeben hat.

Das Kruzifix auf dem Altar ist eine Schenkung des Kirchältesten Bresemann und stammt aus der Zeit um 1850. Die zum Kruzifix gehörenden zwei Altarleuchter sind nicht mehr vorhanden. Die heute auf dem Altar stehen Leuchter wurde in den 1950er Jahren angeschafft. Mit Unterstützung der Partnergemeinde wurden Kreuz und Leuchter kurz nach der Wende 1990 neu versilbert.

Bis 1855 stand der Altar nach Osten ausgerichtet, dies änderte sich mir den Umbauten und der Vergrößerung der Räume, in deren Zuge auch die Eingänge in das Haus verändert wurden. Heute steht der Altar an der westlichen Giebelwand.

Das Taufbecken (Foto)

Das ca. 80 cm hohe Taufbecken aus Kalkstein ist durch den Prediger Ludwig ebenfalls um 1850 angeschafft worden. Die Taufschale aus Zinn ist nicht erhalten.

Die Wandleuchter aus Holz

Die ca. 25 cm hohen, zweiarmigen Wandleuchter stammen aus den 1950 Jahren. Die Art der Holzbearbeitung ist typisch für diese Zeit. Die insgesamt sieben Leuchter im Innenraum sind in der Form an Gotische Fester angelehnt und mit Schnitzereien aus der christlichen Symbolik versehen. Es finden sich das Christusmonogramm mit den Buchstaben Alpha und Omega als Verweis auf Jesus Christus und den allumfassenden Gott, das Herz als Symbol der Zuneigung und Liebe über den Tod hinaus, die Taube für den Heiligen Geist, die Dornenkrone als Ausdruck des Leidens von Jesus Christus, die Krone als Belohnung im Himmel für die im Leben auf Erden überwundenen Versuchungen, die aufgeschobene Grabplatte für die Auferstehung des Herrn und das Boot für den gemeinsamen Weg über das Meer aus Sünden und drohendem Tod in den Hafen Gottes, die Ewigkeit.

Foto Alex Schirmer

Gedenktafeln

Wie in den meisten Kirchen finden sich auch im Schul- und Bethaus Wuschewier Gedenktafeln für die in den Kriegen gefallenen Gemeindemitglieder. Die älteste ist den im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 Gebliebenen gewidmet und 1874 eingeweiht worden. Wann die Tafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges aufgehängt wurde, ist unbekannt. Die Tafel für die im Zweiten Weltkrieg Gefallenen wurde erst Anfang der 1990er Jahre angebracht.

Klapperbrett

Dieser Nachbau eines „Klapperbretts“ aus DDR-Zeiten besteht aus mehreren zusammengebundenen Brettchen in Form eines Gesangbuches. Solche Klapperbretter kamen in Wuschewier vor dem Einbau einer Kirchenglocke zum Einsatz, um die Mitglieder der Gemeinde zum Gottesdienst zu rufen. Sie wurden von Haus zu Haus getragen bzw. geworfen und dort von den Anwohnern betätigt, sodass es „im ganzen Dorf klapperte“. Es müssen also mehrere solcher Bretter im Einsatz gewesen sein.

Bei früheren Sanierungsarbeiten soll auf dem Dachboden noch ein Klapperbrett gefunden worden sein, allerdings ist es nicht mehr auffindbar.

Burkhard Bear über das Klapperbrett

Foto Alex Schirmer

Quellen:

G. Bauer, Gisela Sommer, Dirk Steffens und Udo Schagen (Hrsg.): Kirchen im Nieder-Oderbruch Zentren unserer Dörfer. Altwustrow 2024
Förderverein Schul- und Bethaus e.V. (Hrsg.): Festschrift 250 Jahre Schul- und Bethaus Wuschewier. Bad Freienwalde 2014
Reinhard Schmook: Kirchen und Gemeindehäuser im Evangelischen Kirchenkreis Oderbruch. Findling Verlag. Kunersdorf 2012

weitere Links

www.kulturerbe-oderbruch.de/orte/schul-und-bethaus-wuschewier
www.orgellandschaftbrandenburg.de/orgelinventar/m%C3%A4rkisch-oderland/wuschewier

Vielen Dank an Stefanie Wagner und Burckhard Baer, Wuschewier


Diese Kirche war auch Teil des Projektes „Klingende Kirchen im Oderbruch, das Anne Göhring von LAND-LAB in Zusammenarbeit mit örtlichen Vereinen und Gemeindekirchenräten im Jahresthema 2024 KIRCHE für ausgewählte offene Kirchen umgesetzt hat. Die sakralen Kirchenräume wurden zum Klingen gebracht, um interessierte Besucherinnen und Besucher auf akustisch-emotionaler Ebene ansprechen. Dazu wurden (Laien-) Musiker bzw. Musikvereine eingeladen, gemeinsam eine kleine Musikauswahl aufzuzeichnen. Hören Sie die Ergebnisse.

Ein Klangerlebnis, das Tradition und Moderne gegenübergestellt: „Fahrradkantor“ Martin Schulze aus Frankfurt (Oder) macht auf seiner Konzertreise Halt in Wuschewier und spielt Werke der „klassischen“ Epoche auf der 1850 in (Bad) Freienwalde von Georg Mickley gebauten Orgel. René Arnold aus Wilhelmsaue interpretiert das Instrument auf unkonventionelle Weise mit modernen Klangwerkzeugen.

Präludium in G-Dur, Opus 27, Nr. 2 von Felix Mendelssohn Bartholdy
Fantasia C-Dur, BWV 570, von Johann Sebastian Bach
Improvisation (Ausschnitt) von René Arnold