Fachwerkkirche Sietzing

Foto Michael Anker

Die Fachwerkkirche Sietzing

Die Kirche

Im Jahr 1756 ließ Markgraf Karl Friedrich Albrecht von Brandenburg-Schwedt auf der Feldmark Kleinbarnim unter anderem das Kolonistendorf „Sützing“ errichten, das in Anlehnung an dessen Vornamen auch Carlsfeld hieß. Nach‘ und nach siedelten sich Bauern dort an, für das Jahr 1801 sind „34 Feuerstellen“ (= Haushalte) und zwei Gastwirtschaften nachgewiesen. Bereits 1761 hatten die Bewohner eine „Stube zum Gottesdienst“ eingerichtet, einen kleinen Fachwerkbau, der um 1800 aber bereits wieder baufällig war. Eine eigene Pfarrstelle hatte Sietzing nicht, der Pfarrer reiste aus Friedland an. Im Jahre 1803 errichteten die Bewohner an gleicher Stelle eine kleine Fachwerkkirche. Die Gefache dieses Betsaals wurden mit Ziegeln ausgemauert. 1883 wurde der Fachwerkturm hinzugefügt und an den beiden oberen Teilen verbrettert. Der Turm beherbergt zwei Glocken ohne Inschrift. Es handelt sich um Stahlgussglocken vom „Bochumer Verein“ aus dem Jahre 1883.

Große Kriegsschäden hatte die Sietzinger Kirche 1945 nicht. In den Folgejahrzehnten erfolgten, der damaligen Zeit geschuldeten Mangelwirtschaft eher nur kleinere Sanierungen, in den 1950er Jahren wurde das Dach umgedeckt und 1988 dann gänzlich erneuert. 1956 wurde in den Turm eine Leichenhalle integriert und für Bestattungen genutzt, weil die Toten nicht mehr in den Wohnhäusern aufgebahrt werden durften. In den 1980er Jahren wurde das Fachwerk des Turmes saniert und er erhielt leider einen massiv gemauerten Unterbau. In den 1990er Jahren erfolgte außen und innen eine farbliche Neugestaltung. Ein Neutrebbiner Malermeister marmorierte Teile der Innenausstattung.
Erst 2019/20 gelang die komplette Sanierung, das gesamte äußere Fachwerk wurde erneuert, der Innenraum denkmalgerecht gestaltet. Zwei kleine Anbauten am Turm beherbergen Küche und Sanitärtrakt.
Neben der ursprünglichen Bestimmung als Gotteshaus wird die Kirche in Zusammenarbeit
mit einem 2015 gegründeten Förderverein regelmäßig für Ausstellungen, Konzerte oder Theateraufführungen genutzt. Die Fachwerkkirche ist auch als Radwegekirche zertifiziert.

Eine Hochzeit in der Kirche Sietzing um 1985
Foto Privat Zochert-Koehn
Die Winterkirche um 1990 Foto Foerderverein
Die Fachwerkkirche Sietzing um 1991
Foto Archiv Oderbruchmuseum

Die Glocke

Der Fachwerk-Betsaal wurde 1883 um einen Glockenturm mit zwei schmucklosen Stahlglocken ergänzt, gegossen vom Bochumer Verein (Inschrift „B.V.G.“). Diese sind bis heute erhalten geblieben, deren Klöppel wurden jedoch inzwischen mit einem Messingbolzen durchbohrt – um den Anschlag zu dämpfen. Die Glocken sollen damit vor Rissen bewahrt und der Glockenklang weicher gemacht werden. Im Rahmen der Sanierung der Kirche 2020/21 wurden beim Bewegen der Glocken durch den Kranfahrer deren Gewicht ermittelt: 100 kg und 150 kg. Das Turm-Gefache wurde damals vom Kirchenschiff getrennt, damit das Holz der Glockenstube arbeiten bzw. beim Läuten mitschwingen kann. Eingezogen wurde zudem eine Zwischendecke, was unter anderem beim Handläuten vor Schaden bewahren sollte, zum Beispiel vor dem herabrieselnden Rost.
Für das Handläuten zeichneten zwei Kirchenmitglieder verantwortlich, wobei die Aufgabe zum Teil in der Familie weitergegeben beziehungsweise vom Vater übernommen wurde. Aufgrund einer Spende wurde Ende 2023 ein elektrischer Antrieb eingebaut. Mit der Elektrifizierung wurde zusätzlich ein Feierabendläuten am Samstag um 18 Uhr eingeführt. Die ursprüngliche Ordnung sah bis dahin nur das Läuten beider Glocken im Rahmen eines Gottesdienstes (5 Minuten vorab und nach dem Ende) sowie bei Beerdigungen von Kirchenmitgliedern vor (vor dem Gottesdienst und als Begleitung des Weges der Trauergemeinde auf den Friedhof sowie beim Absenken des Sarges beziehungsweise der Urne). Zudem wurde und wird am Tag nach dem Heimgang eines Gemeindemitgliedes um 12 Uhr geläutet – das Sietzinger Sterbegeläut folgt dabei einem besonderen Ritual: 5 Minuten Läuten – 2 Minuten Pause – 2 Minuten Läuten – 2 Minuten Pause – 2 Minuten Läuten – 2 Minuten Pause – 9 Einzelschläge. Neunmal wird von Hand der Klöppel der großen Glocke geschlagen – jeweils, wenn der Hall verklungen ist, folgt der nächste Schlag – symbolisch für ein Herz, das langsam aufhört zu schlagen.

Einzelschläge des Sterbegeläutes
Vollgeläut der Fachwerkkirche Sietzing

Bild und Ton: Anne Göhring / LAND-LAB

Die Objekte

Kanzelaltar

Das Innere des Kirchenraumes wird von einem bescheidenen, freistehenden Kanzelaltar aus der Gründungszeit bestimmt, der 2020 saniert wurde. Der Himmel des Altars erhielt, wie die Empore, die Bänke und das Taufbecken eine Bemalung nach historischem Vorbild: Grautöne mit wenige goldenen Akzenten und eine Sternendecke. Verzierungen wurden von einem engagierten Tischlermeister im Ruhestand neu angebracht. Die obere Brüstung des Himmels wurde von Ihm nach einem erhaltenen gebliebenen Stück originalgetreu nachgebaut.
Früher stand der Altar an der Wand zur Winterkirche, die mittlerweile zurückgebaut wurde. Heute kann der Kanzelaltar wieder durch eine kleine Tür in der Rückwand betreten werden. Dies hat sich der Pfarrer so gewünscht.

Foto Alex Schirmer

Taufbecken

Rechts vom Altar steht eine hölzerne, achtseitige Taufe aus der Gründerzeit, die nach historischem Vorbild farblich in Grautönen und mit einem zarten Goldrand am oberen Abschluss gestaltet wurde. Als Taufschale dient ein Oblatenteller aus Zinn, der am Rand die Inschrift „DAS BROT GOTTES DAS WORT VOM HIMMEL… trägt.

Foto Alex Schirmer

Harmonium

Das Harmonium, links neben dem Altar auf einem kleinen Podest stehend, wurde 1892 angeschafft. Das Instrument ist 1890 in der Berliner Werkstatt von Johannes Straube (1846 – 1906) gebaut worden. Straube galt 1903 als Hofinstrumentenmacher des Prinzen Friedrich Karl von Preussen. Er baute aber nicht nur Instrumente, er war auch Organist. Es gilt als das schönste Harmonium im Kirchenkreis Oderland-Spree und wird regelmäßig gespielt.

Foto Alex Schirmer

Orgel

Über eine Orgel verfügte die Sietzinger Kirche nie.

Bild der Mutter Gottes mit Jesuskind

Dieses Bild der Mutter Gottes mit dem Jesuskind von Andrea Mantegna (1431 – 1506), einem italienischen Maler der Frührenaissance, ist eine Kopie des Ölgemäldes aus der Zeit um 1470 von dem Berliner Maler H. Kröger oder Krüger aus dem Jahr 1935, von der nicht bekannt ist, wie sie in die Kirche gelangte. Da früher jemand meinte, es gehöre in eine katholische Kirche und nicht in eine evangelische, wurde es abgehängt und stand lange unbeachtet in einer Ecke.
In der Kirche werden in einer Vitrine eine Reihe historischer Bibeln ausgestellt, aus denen in der Sietzinger Kirche gelesen wurde oder die der Gemeinde geschenkt wurden, darunter auch Repliken älterer Bibelausgaben. In einer anderen Vitrine sind Reste von Bauhölzern zu sehen, die 1803 im Turm und im Dachstuhl verbaut worden waren, was dendrochronologische Untersuchungen belegen. Ansichtsexemplare der alten Hölzer finden sich auf dem Dachstuhl. Es handelt sich um bis zu 235-jährige Kiefern, die Untersuchungen des Holzes zu Folge in den Jahren 1800 und 1801 ganz in der Nähe von Sietzing eingeschlagen wurden sein müssen.
Gedenktafeln für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 sowie der beiden Weltkriege (1914-1918 und 1939-1945) finden sich ebenso in der Kirche, wie eine Gedächtnistafel zum Andenken an den Patron der Kirche Graf Heinrich von Itzenplitz (geboren 1799 Groß Behnitz bei Nauen und 1883 in Kunersdorf gestorben). Von Itzenplitz war Minister, unter anderem für Ackerbau, Naturwissenschaftler und Jurist.
Grabungen am Standort der Kirche ergaben, dass die Kirche auf einem alten slawischen Siedlungsplatz steht. Die Grabungsfunde lagern im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg in Wünsdorf.

Foto Alex Schirmer

Quellen

G. Bauer, Gisela Sommer, Dirk Steffens und Udo Schagen (Hrsg): Kirchen im Nieder-Oderbruch Zentren unserer Dörfer, Altwustrow 2024

Reinhard Schmook: Kirchen und Gemeindehäuser im Evangelischen Kirchenkreis Oderbruch. Findling Verlag. Kunersdorf 2012
CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg (Hrsg.): Gloria. Kirchen in Brandenburg. Texte: Ingo Senftleben und Andreas Wien; Fotografien von Klemens Renner. Potsdam 2017.

https://www.kulturerbe-oderbruch.de/orte/kolonistenkirche-sietzing

Vielen Dank Karl-Heinz Sommerfeld, Sietzing


Diese Kirche war auch Teil des Projektes „Klingende Kirchen im Oderbruch“, , das Anne Göhring von LAND-LAB in Zusammenarbeit mit örtlichen Vereinen und Gemeindekirchenräten im Jahresthema 2024 KIRCHE für ausgewählte offene Kirchen umgesetzt hat. Die sakralen Kirchenräume wurden zum Klingen gebracht, um interessierte Besucherinnen und Besucher auf akustisch-emotionaler Ebene ansprechen. Dazu wurden (Laien-) Musiker bzw. Musikvereine eingeladen, gemeinsam eine kleine Musikauswahl aufzuzeichnen. Hören Sie die Ergebnisse.

Nr. 8 aus „L‘ Organiste“ von César Franck
Nr. 4 aus „L‘ Organiste“ von César Franck
Nr. 15 aus „L‘ Organiste“ von César Franck
Nr. 11 aus „L‘ Organiste“ von César Franck

Anja Liske-Moritz, Kantorin im Kirchenkreis Oderland-Spree (Region Seelow), spielt Stücke von César Franck auf einem Harmonium von Johannes Straube, dem Vater des berühmten Thomaskantors Karl Straube.