Die Kirche
Altwriezen ist eines von vier alten Fischerdörfern im nördlichen Oderbruch. Erstmals wurde Altwriezen 1412 erwähnt. Im Jahr 1606 wurde den Altwriezenern erlaubt, sich mit eigenen Mitteln eine Kirche zu bauen. Die für das Oderbruch typische Fachwerkkirche, wurde wohl 1630 errichtet. Bereits 1684 war vor allem der Turm wieder baufällig. 1692 wurde ein neuer, stolzer, 27 Meter hoher Turm vollendet. 1842 wurde sie umgebaut und erhielt das Aussehen, welches sie bis 1973, also bis zum Abbruch, besaß. Sie war die größte Fachwerkkirche im Oderbruch.
Obwohl die Kirche als eine der wenigen Kirchen im Oderbruch den Zweiten Weltkrieg mit geringen Schäden überstand, mangelte es in den 1960er Jahren der Kirchengemeinden an Kraft, Geld und Material, um die Kirche instand zu halten. Nach Sturmschäden wurde schließlich auf Druck der Baubehörde beschlossen, die Kirche abzureißen. Der Abriß erfolgte mit technischer Unterstützung der örtlichen LPG und Freiwilligen Feuerwehr. Gesichert wurden neben wenigen anderen Objekten die drei Glocken aus den Jahren 1814 und 1922. Sie hängen heute in einem Glockenschauer neben der Kirchbaracke.
Nach dem Abriss wurde 1974 bis 1976 eine Not- oder Ersatzkirche, im Dorf auch “Baracke” genannt, erbaut.
Ein Förderverein arbeitet seit einigen Jahren für einen schrittweisen Neubau der Kirche. Das Fundament des alten Turms wurde bereits wieder sichtbar gemacht und auch ein Baugrundgutachten liegt mittlerweile vor. In den letzten Jahren wurden diverse Baumaterialien gesammelt und gespendet, Ziegelsteine abgeklopft und gereinigt, Spenden bei Märkten und Veranstaltungen gesammelt.
Die Glocken
In Altwriezen wurde 1973 die Kirche aufgrund von Baufälligkeit abgetragen und lediglich die drei Glocken aus dem Turm wurden gesichert. Diese hängen seit 1974 neben den Fundamentresten der ehemaligen Kirche in einem sog. Glockenschauer, der von den Kirchenältesten finanziert und gebaut wurde.
Die größte Glocke ist zugleich die älteste: Sie stammt von 1814 und ist verziert mit zwei Porträts, vermutlich Napoleon und Luther, sowie den Inschriften „mich Goss Joh. Carl Hackenschmidt in Berlin“, „1814 gab EuroPa Friede Daseyn mir“ „Superintendent Riemschneider, Schul Inspeector Hein, Cantor u. Organist Lüben“ „D. Lut.“. Die beiden anderen Glocken wurden 1922 als Ersatz für zwei Glocken ergänzt, die im Ersten Weltkrieg konfisziert und zu Waffen-Zwecken eingeschmolzen wurden. Sie stammen aus der Glockengießerei Ulrich in Apolda und tragen jeweils eine Inschrift – die kleine Glocke: „Ein‘ feste Burg ist unser Gott“, die mittlere: „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“
Jeweils zwei Personen (Mitglieder der Familie der Kirchenältesten) läuten die Glocken von Hand, hauptsächlich anlässlich von Gottesdiensten. Diese wurden zuerst in einem geweihten Raum einer naheliegenden Gaststätte ausgerichtet und finden inzwischen in einer Baracke neben dem Glockenschauer statt. Geläutet wird vor Beginn des Gottesdienstes etwa 5 Min. bzw. solange, bis alle eingetroffen sind – denn da außen geläutet wird, sind alle zu sehen, die zum Gottesdienst kommen.
Das Plenum ist ebenfalls anlässlich eines Todesfalls (ca. 12 Min.) und im Rahmen von Beerdigungen beim Gang zum Grab (ca. 15 Min.) zu hören. Da die Friedhöfe außer Sichtweite liegen, erfolgt eine Abstimmung per Mobiltelefon. Außerdem wird zum Jahreswechsel geläutet, wozu sich dann manches Mal einige Gemeindemitglieder am Glockenschauer versammeln.
Audio: Vollgeläut an der Ersatzkirche Altwriezen
Die Objekte
Modell der alten Dorfkirche Altwriezen
Dieses Modell der 1973 abgerissenen Fachwerkkirche des Dorfes Altwriezen wurde als Erinnerung an den alten Kirchbau vom ortsansässigen Architekten Axel Persiel im Maßstab 1:150 entworfen und 2016 gebaut. Es ist auch als Bastelbogen entstanden, der käuflich über den Förderverein Kirche Altwriezen-Bauregard e.V. zu erwerben ist. Im Bastelbogen lassen sich die Fenster öffnen und die Kirche erleuchten. Der Erlös geht in das Projekt Neubau der Kirche Altwriezen als Multifunktionshaus des Fördervereins.
Die Pläne für den Neubau sind in der Ersatzkirche zu sehen.
Foto Alex Schirmer
Historisches Foto eines Hochzeitszuges von Altwriezen nach Bauregard
Dieses Foto stammt aus dem Besitz der Familie Dannenberg, die früher in Bauregard lebte.
Dieser Hochzeitszug des Ehepaares Dannenberg zieht von der Altwriezener Dorfkirche in Richtung Beauregard. Die letzten Trauungen in der Kirche waren jene der Ehepaare Urban und Kroop im Juli 1970. Die letzte Taufe fand Ostern 1971 statt.
Bild vom Wappen der von Barfuß
Diese zweiteilige, mit dem Wappen der Familie von Barfuß verzierte, hölzerne Totentafel für den am 3. September 1659 vor Greifswald gefallenen brandenburgischen Oberst Dietloff Friedrich von Barfuß, Erbherr auf Möglin, Altwriezen und Bliesdorf, war an der Emporenbrüstung der Kirche verbaut. Nach dem Abriss wurde sie in der Bad Freienwalder Marienkirche gelagert. Dort ist sie 1996 stark beschädigt aufgefunden und im Auftrag des Oderlandmuseums von Otto Schack, Maler auf dem Barnim in Ackermannshof, restauriert und als Epitaph gefasst worden. 2017 übergab die Albert-Heyde-Stiftung als Trägern des Oderlandmuseums Bad Freienwalde die restaurierten Tafeln auf Bitten des Fördervereins der evangelischen Kirchengemeinde Altwriezen-Beauregard.
Foto Alex Schirmer
Ein altes Kirchenfenster
Dieses teils hellblau und hellgelb verglaste Kirchenfenster gelangte von Privat in den Besitz des Fördervereins. Der graue, nicht mit Fensterflügeln versehene Holzrahmen ist ca. 1,90 cm hoch und 1,20 cm breit. Er war im Kirchenschiff verbaut und muss nach dem Abriss der Dorfkirche geborgen worden sein. Es ist nach derzeitigem Wissen, das letzte erhaltene Fester der Kirche.
Foto Alex Schirmer
Kronleuchter
Der sechsarmige, ca. 100 cm hohe Leuchter aus Messingblech hing höchstwahrscheinlich im Kirchenschiff. Er fand sich auch auf einem Trödelmarkt. Der Händler erzählte, der Leuchter stamme aus einer Kirche im Oderbruch, die Anfang der 1970er Jahre abgerissen worden sei. Da im Oderbruch zu dieser Zeit keine weitere Kirche abgerissen wurde, liegt es mehr als nah, dass der Leuchter aus Altwriezen stammt. Es gab wohl zwei dieser Leuchter, aber da es kaum Bilder aus dem Kircheninneren gibt, lässt sich ihr ehemaliger Standort nicht genau benennen.
Foto Alex Schirmer
Teile der Altarverzierung
Diese hölzernen Teile der Verzierung des ehemaligen Altwriezener Altars in Blätterform befanden sich in einem Privathaus. Ein älterer Herr brachte sie vor seinem Tode in die Ersatzkirche. Ein weiteres Teil des Altars brachte ein jüngerer Herr in die Ersatzkirche, der es auf seinem Dachboden fand und überließ es dem Förderverein. Dabei handelt es sich um einen ca. 20 cm hohen, aus Holz gefertigten und mit Deckel und Griff versehenen Kelch. Ihr Alter ist unbekannt. Es ist anzunehmen, dass sie zum Kanzelaltar aus dem Jahr 1708 gehören.
Foto Alex Schirmer
Orgelpfeifen aus Zinn und Holz
Es handelt sich um die letzten Teile der Orgel der Altwriezener Kirche. Die vier Zinnpfeifen und zwei Holzpfeifen waren wohl in der 1735 eingebauten Orgel aus der Werkstatt von Joachim Wagner verbaut. Diese Orgel zierte ein geschnitztes Prospekt des Mohriner Bildschnitzers Johann Bernhard Hattenkerell. 1869 erhielt die Kirche eine neue Orgel des Orgelbaumeisters Sandow aus Berlin.
Foto Alex Schirmer
Abendmahlspatene
Diese handgefertigte Patene war Teil der liturgischen Gefäße für die Feier des Abendmahls. Eine Kreuzgravur ziert den Boden der im Durchmesser ca. 25 cm großen und gut 3 cm tiefen Schale. Auf ihrer Rückseite finden sich drei unterschiedlich ausgeführte Meistermarken mit den Buchstaben E.H. im Zentrum. Wie der erhalten gebliebene, innen vergoldete Silberkelch aus dem 16. Jahrhundert, wird die Patene nur für den Gottesdienst in die Ersatzkirche mitgebracht.
Foto Alex Schirmer
Kruzifix
Das bescheidene Kruzifix stand, wie auch die Kerzenständer, ehemals auf dem Altar der Kirche.
Foto Alex Schirmer
Foto Alex Schirmer
Vier geschnitzte Apostelfiguren
Diese geschnitzten Figuren schmückten den Altar. Drei der ca. 50 cm hohen Figuren können den 12 Aposteln, den Jüngern Jesus, zugeordnet werden: Es handelt sich um Johannes, Simon den Wanderer und Thaddäus mit der Keule. Die vierte Figur könnte Petrus darstellen, da er aber keine eindeutigen Insignien wie den Schlüssel trägt, ist es nicht genau feststellbar. Der Holzbildhauer ist unbekannt, das Alter der Figuren ebenfalls. Sie wurden 1977 restauriert. Sie werden nur zu besonderen Anlässen öffentlich gezeigt.
Quellen
Reinhard Schmook: Kirchen und Gemeindehäuser im Evangelischen Kirchenkreis Oderbruch. Findling Verlag. Kunersdorf 2012
weitere Links
https://www.kulturerbe-oderbruch.de/orte/ersatzkirche-altwriezen
Vielen Dank Rosemarie Urban, Altwriezen