„Erbarmungslos große Schraubstöcke“ und 1000 andere Wunder
Das Dorfmuseum Friedrichsaue ist ein großartiges Kabinett der Agrargeschichte
Friedrichsaue ist ein Dorf, dem man seine Vergangenheit als preußische königliche Staatsdomäne immer noch anhand seiner strengen Gliederung ansehen kann. Das Dorfmuseum befindet sich in einem ehemaligen Kulturhaus, das in der DDR-Zeit auf Geheiß Walter Ulbrichts erbaut wurde. Dieser hatte Friedrichsaue 1956 besucht und die schäbige Gasthofbaracke am Dorfanger zum Anlass genommen, ein gönnerhaftes Versprechen zu machen: „Ihr bekommt eine neue Kulturstätte!“ Die Friedrichsauer LPG stand nämlich unter der besonderen Patenschaft des ZK der SED – und sie hatte es wohl auch nötig. Denn die meisten der unmittelbar nach dem Krieg hier ansässig gewordenen Bauern hatten sich auf den fetten Oderbruchböden gut eingewirtschaftet und wehrten sich mit Händen und Füßen gegen die Kollektivierung. Es folgten Schauprozesse, einige Bauern wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, andere verließen das Dorf, weil sie sich nicht beugen wollten. Helmut Hulitschke, der mit seiner Familie über Umwege aus Schlesien nach Friedrichsaue gekommen war, erinnert sich: „Das war der Untergang unseres starken bäuerlichen Friedrichsaue!“
Die Familie Hulitschke entschied sich damals dennoch, in Friedrichsaue zu bleiben. Vom zugeteilten Acker hatte man 48 tote Soldaten geborgen. Die Familie hatte eine Gärtnerei eingerichtet und sich an das Dorf gebunden. Hulitschke machte in der Region Musik. In Fürstenwalde studierte er Landwirtschaft und wurde Anbauberater für Zuckerrüben, zugleich entwickelte er eine Leidenschaft für die alten landwirtschaftlichen Geräte. Er fing an zu sammeln – und als die Leute merkten, dass er die Dinge in Ehren hielt, brachten sie ihm das, was andernfalls auf dem Müll gelandet wäre. Als in den neunziger Jahren das geräumige Kulturhaus leer stand, hatte Hulitschke einen riesigen Bestand geschaffen, der er hier ausgestellt werden konnte. Hinzu kamen Dokumente, Karten, Kuriositäten – sowie das, was Hulitschke an Wissen und Erfahrung im Kopf hat. Und das ist eine Menge.
Das Dorfmuseum bietet Informationen zur Siedlungsgeschichte des Amtes Friedrichsaue und eine Fülle an gut sortierten Maschinen und Gerätschaften, die nicht nur den agrarischen Fortschritt illustrieren, sondern auch viel über die handwerkliche Kunst und den Erfindungsreichtum ihrer Schöpfer aussagen. „Unsere alten Handwerker haben nicht 08-15 gearbeitet!“ sagt Hulitschke – und er kann den Besuchern zeigen, dass immer noch mindestens ein letzter Hammerschlag in der Fertigung der der Schönheit des Produktes diente. Die in Komplexen geordneten Gerätschaften zum Kartoffel- und Rübenanbau, die Schuffelgeräte und Häcksler, die Ackergeräte und Transportutensilien, das Schuhmacherhandwerkszeug und viele andere Artefakte zeugen von einer großen technologischen und kulturellen Kraft des ländlichen Lebens. Und was man nicht selbst sieht, kann einem Helmut Hulitschke gern zeigen und in plastischer Sprache erläutern. Das Dorfmuseum ist mehr als ein Blick in die agrarische Vergangenheit des Oderbruchs, es ist ein Schatz an Erfahrungen, die einen begeistern können und nachdenklich machen. Wer es nicht offen vorfindet, kann sich unter 033473/3251 bei Helmut Hulitschke zu einer Führung anmelden.
Kontakt:
Helmut Hulitschke
Neuer Weg 11
15328 Zechin OT Friedrichsaue
Telefon (033473) 3251