Die Kirche
Altwustrower Bauernfamilien errichteten im Jahre 1789 ohne königliches Einverständnis ihre eigene Kirche. Sie wurde am 18. Oktober 1789 eingeweiht. Außen wirkt der verputzte Fachwerkbau eher schlicht. Im Inneren der Kirche ist das Gestühl und der Kanzelaltar im barocken Stil sowie eine in Norddeutschland einzigartige Papierdecke zu bewundern.
Vor der Trockenlegung ab 1752 mussten die Altwustrower mit Kähnen zum Gottesdienst ins über zehn Kilometer entfernte Wriezen. Zur Zeit des Alten Fritzen 1750 wurden 133.000 Morgen Acker- und nutzbares Land für 40 Dörfer mit ca. 8.000 Neusiedlern gewonnen. Auf den vorher nur zur Weide tauglichen Fluren von Wustrow entstanden 1752 die ältesten Neudörfer im Oderbruch: Neulietzegöricke und Neuwustrow. Auch wegen vielem Streit unter den Neusiedlern unterschiedlicher Herkunft gab der König Baumaterial für Kirchen in den Neudörfern, nicht aber in den Altdörfern. Gottes Wort zu hören, war den Bauern aber so wichtig, dass die 13 Familien gegen den Willen der Obrigkeit und ganz aus eigenen Mitteln, im Revolutionsjahr 1789 einen Emporensaal in den Maßen einer Scheune und ergänzten ihn 1832 um einen Turm.
Da für den Kirchbau 1789 keine königliche Erlaubnis vorlag, konnten die Bauern, nachdem dies der Verwaltung bei einer Visitation der Gemeinde aufgefallen war, einen Abriss der Kirche nur verhindern, indem sie dem König damals versicherten „für alle Zeit“ die Kosten für den Erhalt zu tragen. Daher kam die Kirche im Zuge der Kollektivierung der Landwirtschaft der DDR in den 1960er Jahren in den Besitz der örtlichen LPG. Eine Auseinandersetzung über die Nutzung der Kirche als Stall wurde auf Betreiben der SED-Kreisleitung in Bad Freienwalde mit der Schenkung des Kirchbaues an die Evangelische Kirche gelöst.
Das Kircheninnere ist bis heute größtenteils unverändert erhalten. In den 1960er Jahren wurde die Farbgebung im Kirchenschiff von Malermeister Alfred Anders geändert. Ursprünglich war die Kirche in blaugrauen Tönen gehalten. An einer Säule sind diese Farben noch zu sehen. Zwischen 2000 und 2019 erfolgte eine denkmalgerechte Erneuerung. Die Kirche war mit der Zeit gesackt und wurde 2001 mit Hilfe mehrerer hydraulischer Pressen um 15 cm gehoben.
Die Glocken
Bild und Ton: Anne Göhring / LAND-LAB
1789 wurde die Fachwerkkirche in Altwustrow um den Turm mit einer Glocke ergänzt. Laut Inschrift wurde sie „gegossen den 6ten Juli 1832 von E.L.W. Thiele in Berlin“ und finanziert von den damals 13 ansässigen Bauern, die auch die Kirche im sog. Schwarzbau mit eigenen Mitteln errichtetet hatten.
Geläutet wird anlässlich des Gottesdienstes, sowohl zu Beginn als auch zum Ende. Früher, als es noch kein vierteljährliches Merkblatt und Aushänge zu den Gottesdienst-Terminen gab, wurden die Anwohner mit dem 9-Uhr-Läuten auf den eine Stunde später stattfindenden Gottesdienst aufmerksam gemacht. Ebenfalls geläutet wird bei Beerdigungen von Angehörigen der Kirchengemeinde, zu nächst wenn der Sarg an der Kirche vorbei zum Friedhof geleitet wird und ein zweites Mal, wenn er von der Halle zum Grab gebracht wird.
Früher wurde im Turm auf Augenhöhe der Glocke von Hand geläutet, und es wird berichtet, dass hörbar war, wer die Glocken schlug. Heutzutage wird die Glocke auf Knopfdruck elektrisch betätigt.
Die Objekte
Der Innenraum der Kirche ist im Gegensatz zum schmucklos verputzten Fachwerk außen reichlich ausgestattet.
Die Kirchendecke
Die Decke wurde 1789 das erste Mal bemalt, damals wurde direkt auf das Holz gemalt. In einer Ecke ist die originale Farbgebung zu sehen, die nach den Restaurationsarbeiten freigehalten wurde. Die Decke, die heute zu sehen ist, ist aus Papier und um 1890 aufgebracht und bemalt worden. Dafür wurde die Decke mit Zeitungspapier beklebt. Die Bewohner ließen mit Adler, Sonne, Strahlenkranz und weißer Taube farbenfrohe und gewichtige Symbole des Glaubens aufbringen. Solche handbemalten Papierdecken sind im norddeutschen Raum sehr selten. Sie wurde im Jahre 2007 von drei Papierrestauratoren aufwendig restauriert.
Das historische Kastengestühl
Das historische Kastengestühl mit einer umlaufenden bordürenartigen Verzierung reichte bequem für 100 Einwohner und auch die Neuwustrower.
Links und rechts vom Altar saßen die Eigentümer der Kirche, also die Bauern des Dorfes. Diese Sitzordnung wurde über die Generationen weitergegeben. Die Frauen saßen im Mittelschiff, die Knechte und die Jugend oben auf der Empore.Das historische Kastengestühl mit einer umlaufenden bordürenartigen Verzierung reichte bequem für 100 Einwohner und auch die Neuwustrower.
Links und rechts vom Altar saßen die Eigentümer der Kirche, also die Bauern des Dorfes. Diese Sitzordnung wurde über die Generationen weitergegeben. Die Frauen saßen im Mittelschiff, die Knechte und die Jugend oben auf der Empore.
Die Verbindung der Menschen mit ihrer Kirche spiegelt sich in den Texten an der Orgelempore.
Foto Alex Schirmer
Die Orgel
1845 wurde eine Orgel der Berliner Orgelbauwerkstatt Lange und Dinse in die Kirche eingebaut. Sie verfügt über 11 Register und wurde, wie der Kirchbau, von den 13 ansässigen Bauern finanziert. 1945 und in den Folgejahren führte der legendäre Orgelbauer Reinhold Klenke aus Cottbus eine Instandsetzung und vermutlich erste Umdisponierung der Orgel durch. Bereits seit den 1970er Jahren wird sie elektrisch gespielt und nicht mehr über einen zu tretenden Blasebalg. 1978 kam es zu einem Umbau, einer weiteren Umdisponierung und dem Einbau neuer Registerschilder durch eine Eberswalder Orgelbauwerkstatt. 2000 erfolgte die Auslagerung des Pfeifenwerkes im Rahmen der Kirchensanierung. 2006 wurde sie vom Orgelbau Fahlberg in Eberswalde überholt und neu gestimmt. 2008, nach einer Grundreinigung, wurde die Orgel samt des Pfeifenwerkes wieder in der Kirche aufgestellt.
Der Taufengel
Der Taufengel stammt aus dem Jahr 1790. 1999 wurde er restauriert. Er gehörte wie fast die gesamte heute zu sehende Innenausstattung zur Erstausstattung der Kirche, die seit 1790 fast unverändert geblieben ist.
Zu Taufen kann der Engel über einen kleinen Griff an der Figur und einen Seilzug mit einem Feldstein als Gegengewicht etwas heruntergelassen werden. Die ursprüngliche Taufschale, die auf die vom Engel gehaltene Unterlage gestellt wurde, ist nach dem Zweiten Weltkrieg gestohlen worden. Wird heute in der Kirche getauft, bringt die Familie eine Schale mit.
Foto Alex Schirmer
Der Kanzelaltar
Wie die gesamte Innenausstattung stammt der Kanzelaltar aus der barocken Bauzeit. Der Altar besteht aus vorgesetzten Säulen und rückwertigen Pilastern. Die mittig auskragende Kanzel ist mit Schnitzereien verziert. Am Kanzelkorb zeigt eine Rocaillekartusche das Lamm Gottes, den Schalldeckel zieren zwei Posaunenengel.
Foto Alex Schirmer
Ein Wagenheber
Dieser hydraulische Wagenheber aus dem Besitz von Klaus Schröder wurde im Verbund mit mehreren anderen 2001 für die Hebung der Kirchenmauern genutzt, die 15 cm abgesackt waren. Die Kirchendecke drückte bereits auf den Kanzelaltar, genauer auf den rechten oberen Engel mit Trompete. Die Biegung im Brett über dem Kopf ist noch heute gut zu sehen. Sie mussten heruntergenommen werden und standen zweitweise auf dem Altar. Auch über der Orgel sind in der Decke die Spuren der Sackung zu sehen.
Für die Hebung wurde die Kirche vom Turm getrennt und dann nach Anweisung des Statikers 13 solcher Wagenheber unter dem Bau platziert und dann auf Zuruf und mit Zollstock angehoben.
Foto Alex Schirmer
Modell der Kirche Altwustrow
Dieses Modell fertige der im Dorf ansässige Holzschuhmacher Klasse, von allen nur „Opa Klasse“ genannt. Das ca. 70 cm hohe hölzerne Modell entstand kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Es stand bei ihm zu Hause und wurde nach dessen Tot der Kirche geschenkt.
Foto Alex Schirmer
Quellen
G. Bauer, Gisela Sommer, Dirk Steffens und Udo Schagen (Hrsg): Kirchen im Nieder-Oderbruch Zentren unserer Dörfer, Altwustrow 2024
Reinhard Schmook: Kirchen und Gemeindehäuser im Evangelischen Kirchenkreis Oderbruch. Findling Verlag. Kunersdorf 2012
weiter Links:
www.orgellandschaftbrandenburg.de/orgelinventar/
Vielen Dank an Klaus Schröder, Altwustrow
Diese Kirche war auch Teil des Projektes „Klingende Kirchen im Oderbruch“, das Anne Göhring von LAND-LAB in Zusammenarbeit mit örtlichen Vereinen und Gemeindekirchenräten im Jahresthema 2024 KIRCHE für ausgewählte offene Kirchen umgesetzt hat. Die sakralen Kirchenräume wurden zum Klingen gebracht, um interessierte Besucherinnen und Besucher auf akustisch-emotionaler Ebene ansprechen. Dazu wurden (Laien-) Musiker bzw. Musikvereine eingeladen, gemeinsam eine kleine Musikauswahl aufzuzeichnen. Hören Sie die Ergebnisse.
Es musiziert die Instrumentalgruppe „Holz & Wind“ und Gäste unter der Leitung von Hanni Bode. In der Instrumentalgruppe der Kirchengemeinde Neutrebbin spielen Musikerinnen und Musiker im Alter von 11 – 85 Jahren zusammen, darunter auch viele Familien. Manche der Mitglieder sind erst ein Jahr aktiv.