Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg

Stadt, Land, Fluss – zum Leben an und auf der Oder-Havel-Wasserstraße.

Das Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg

Wer die kleine, etwas über 2.000 Seelen zählende Stadt Oderberg an der nördlichen Grenze des Oderbruchs besucht, trifft auf einen recht stillen Ort, der dabei ist, die eigene Rolle in der Landschaft über das Bürgerforum „Perspektive Oderberg“ neu zu bestimmen. Seine wirtschaftliche Bedeutung als Standort von Holzindustrie und Schiffbau hat der Ort verloren, die Hoffnungen richten sich auf den Tourismus. Der Ort kann in diesem Findungsprozess auf eine Institution setzen: das von engagierten Bürgern getragene Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg im Zentrum der Stadt. Es präsentiert den historischen Referenzraum der Stadtentwicklung, bildet gleichsam den kulturellen Anker des Ortes. Ein Besuch lohnt sich, beschreibt die Sammlung doch neben der Industrialisierung der Oderschifffahrt auch, wie eine Kleinstadt an diesem Prozess erst erfolgreich Teil hat, dann von der Entwicklung überholt wird und letztlich an landschaftlicher Bindung und Bedeutung verliert.

Das Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg
Seit 2008 in Trägerschaft eines gemeinnützigen Vereins: das Binnenschifffahrtsmuseum in Oderberg. Das Gebäude hat eine bewegte Geschichte, war eine Wagenbauerei, beherbergte das Gefängnis der Stadt und diente zeitweise auch als Kirche.
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Zum Museum gehört auch das Museumsschiff RIESA. Der Raddampfer an der Alten Oder ist das Prunkstück des kleinen Museumsparks.

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Die Mündung des unscheinbaren Flüsschens Behnitz in die Alte Oder. Die Behnitz markierte einst die Grenze zwischen der Mark Brandenburg und Pommern.
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Die Ausstellung spannt den Bogen von der eiszeitlichen Entstehungsgeschichte der Landschaft bis in die jüngste Vergangenheit des Ortes. Grafik: Museum Oderberg

Rundgang mit Blicken aus den Fenstern

Das Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg wurde 1954 durch eine Gruppe von Heimatforschern unter Federführung des Lehrers und Hobbyarchäologen Hermann Seidel (1904 – 1980) ursprünglich als Heimatstube gegründet. Vor dem Hintergrund, dass die Geschichte Oderbergs „als Stadt der Schiffer, Sägewerksbetreiber, Schiffsausrüster, Seiler und Schiffbauer, der Fischer, Fischhändler und Flößer“(Ivers 2010, S. 147) eng mit der Oder und ihrem Ausbau zu einer wichtigen Wasserstraße verbunden ist, erfolgte bald eine Profilierung erst zu einem Regionalmuseum und später schließlich zu einem Binnenschifffahrtsmuseum mit dem Schwerpunkt auf dem Wasserwegenetz der Oder. Das Museum ist das älteste Technikmuseum Brandenburgs. Es gliedert sich in drei räumlich getrennte Bereiche: das Hauptgebäude, den zur Alten Oder hin liegenden kleinen Museumspark und das Ausstellungsschiff RIESA. Lange in kommunaler Obhut, wird das Museum seit 2008 von einem Förderverein geführt.

Ein Museumsrundgang sollte in der obersten Etage beginnen, hier wird auf die Geologie sowie die Ur- und Frühgeschichte der Landschaft und die Fischereitradition Oderbergs eingegangen. Ein geologisches Relief verdeutlicht die Lage Oderbergs. Die Stadt Oderberg steht mit dem Rücken an den Hängen der Uckermärker Endmoräne, nachgerade auf der landschaftlichen Grenze zur Uckermark, die hier an der Oder ihr südliches Ende hat. Von hier oben sieht man herrlich über die Niederung des Oderbruchs, das sich zu Füßen der Stadt jenseits der Alten Oder ausbreitet. In der Ferne ist der Neuenhagener Sporn zu sehen, ein kleiner Hügelzug, um den sich Jahrtausende die Oder herum wand, bis der Sporn im Zuge der Trockenlegung des Oderbruchs 1747 bis 1753 durchstochen und der Oderstrom in ein künstliches Bett verlegt wurde. Westlich schließt sich, durch das Eberswalder Urstromtal von der Endmoräne getrennt, die Barnimer Platte an. Östlich liegt das Neumarker Hügelland.

Zahlreiche ausgestellte Bodenfunde, darunter eine 6.000 Jahre alte Geweih-Axt, belegen die Besiedlung der Gegend seit der Mittelsteinzeit. Im Zuge des Landesausbaus östlich der Elbe durch deutsche Siedler im 11. und 12. Jahrhundert wurde Oderberg zum Grenzstandort zwischen Germanen und Slawen. Ein unscheinbares Flüsschen, die gegenüber dem Museumsdampfer in die Alte Oder mündende Behnitz, galt als Grenze. Es wundert nicht, dass Oderberg erstmals 1231 in einer Urkunde eines Klosters erwähnt wird, waren Klöster doch treibende Kräfte der Kolonisation.

Oberhalb der Stadt befand sich die Albrechtsburg, eine 1349 von den Pommern belagerte und zerstörte Feste, die nicht wieder aufgebaut wurde. Heute zeugen nur noch Rudimente von Burgwall und Graben von ihr. Der Blick von dort auf die Stadt, die Stühlerkirche, das Museumsschiff und das Bollwerk an der Alten Oder ist bemerkenswert. Auch die Ruine der Festung Bärenkasten ist auszumachen. Sie wurde 1351 bis 1355 als Ersatz für die Albrechtsburg auf der anderen Oderseite errichtet, um den Oderübergang und die Grenze des brandenburgischen Vorpostens zu sichern und Zölle zu erheben. Sie half der Stadt, die ihr verliehenen Niederlags- und Stapelrechte für alle auf der Oder transportierten Waren durchzusetzen (vgl. Nietzen 1903). Im 30jährigen Krieg belagerten die Schweden die Festung und brandschatzten die Stadt, die daraufhin von 1638 bis 1645 wüst lag. Mit der Wiederbesiedelung ab 1645 und verstärkt um 1680 begann der wirtschaftliche Aufstieg der Stadt. Sie wurde nach Wriezen zum zweitgrößten Fischmarkt in der Mark Brandenburg und zum größten Holzlagerplatz Norddeutschlands.

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Im Baasee bei Bad Freienwalde wurde dieser Einbaum gefunden. In solchen Booten waren die Fischer bis ins 19. Jahrhundert hinein auf der Oder und den Binnengewässern unterwegs.
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Nachbau eines leichten Fischerkahns mit Fischkasten, wie er im 19. Jahrhundert Einzug hielt. Im Museum sind zahlreiche Fischereiutensilien zu sehen.
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Die zentrale wirtschaftliche Bedeutung der Fischerei in der Region wurde unter anderem in Holzschnitten festgehalten. Foto: Museum Oderberg
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Reicher Fang. Die Arbeiter der Fischereigenossenschaft Oderberg holen die Netze ein. Foto: Museum Oderberg (um 1960)
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Fischer auf dem Oderberger See. Foto: Museum Oderberg

Fischerei

Auf die Fischereigeschichte wird ebenfalls im Obergeschoss eingegangen. Ein 1200 Jahre alter Einbaum, im Baasee bei Freienwalde 1910 gefunden und in den 1950er Jahren geborgen, steht für die Fischerei der Slawen, die mit solchen Booten die Oder und die Binnengewässer befuhren. Einbäume wurden zwar noch bis ins 18. Jahrhundert hinein von den Fischern der Region genutzt, aber bald setzte sich der aus Brettern gebaute Handkahn mit Rudern und eingebautem Fischkasten durch. Neben allerlei Reusen, Netzen, mehrzackigen Speeren zum Aalstechen und anderen Fischereiutensilien ist auch ein nachgebauter Handkahn in der Sammlung zu sehen. Die Liste der gefangenen Fische ist eindrucksvoll: Kaulbarsch, Blei, Hecht, Zander, Äsche, Stichling, Aal, Quappe, Bitterling, Lederkarpfen, Plötze, Karausche, Steinbeißer, Modderließchen, Wels, Schlammpeitzker – natürlich auch Edelkrebse. Ein Fischreichtum, den Fontane eindrucksvoll beschrieben hat (vgl. Fontane 1998).

Der Fischfang war die Hauptnahrungsquelle der Oderberger. Mit der Trockenlegung des Oderbruchs durch die Verlegung der Oder war ein Prozess in Gang gesetzt worden, der dem bedeutenden Wirtschaftszweig in der Region die Grundlagen entzog. Schon im Gutachten zur Vorbereitung der Trockenlegung des Bruchs hatte der Deichbaumeister van Haerlem deutlich gemacht, „dass der etwas bey der Fischerei sich äußerende Abgang durch die Verbesserung des Bodens reichlich dürfte ersetzt werden, und wohl ungleich nutzbarer ist, dass auf solchem Fleck, wo jetzt einige Fische ihre Nahrung haben, künftig eine Kuh erhalten werden kann“ (zit. bei Herrmann 1997, S. 107). Mit der Kappung der Alten Oder vom Oderstrom bei Güstebiese 1832 und dem Bau der Schleuse Hohensaaten 1853 nahm der Fischreichtum rapide ab. Der Preis für Fisch stieg und gute Fische zu essen, gehörte ab diesem Zeitpunkt zum Luxus, wie es auf einer Schautafel heißt. Hinzu kam, dass die ohnehin an ökonomischer Bedeutung verlierende Fischerei die aufstrebende Holzindustrie behinderte, da die Stellnetze und Reusen der Flößerei im Wege standen.

Aber nicht nur der Fischreichtum wurde in Mitleidenschaft gezogen. Die aufstrebende Landwirtschaft im Oderbruch brachte auch erste Umweltprobleme mit sich. Die im Bruch nach 1860 zahlreich entstandenen Zuckerfabriken ließen im Herbst zur Hochzeit der Rübenverarbeitung die Produktionsabwässer meist ungeklärt in das nächstliegende Gewässer fließen. Da letztlich im neu angelegten Gewässersystem der eingedeichten Niederung alle Entwässerungsgräben in die Alte Oder und damit in den Oderberger See mündeten, kam es häufiger zu Fischsterben. Die Fischer klagten 1903 das erste Mal gegen die Fabriken in Altranft und Thöringswerder, aber erst 1921 erging der Beschluss, dass den Fischern der bis dahin entstandene Schaden von 2.000 Reichsmark je Rübenkampagne zu ersetzen sei.

1933 waren die Fischbestände soweit zurückgegangen, dass den Oderberger Fischermeistern das Recht der Lehrlingsausbildung abgesprochen wurde. Der Rückgang der Fischerei erlaube keine sachgemäße Berufsausbildung mehr, so die lapidare Begründung. Der Niedergang des Gewerbes in der Region war kaum mehr aufzuhalten. 1945 übten noch acht Fischer ihren Beruf aus, nach dem verheerenden Winterhochwasser 1947 waren es noch vier. 1960 traten sie der Wriezener Fischerei-Genossenschaft bei. Der letzte Oderberger Fischer stellte seine Arbeit 1979 ein. Eine prägende Landnutzungsform war damit an ihr Ende gelangt. Wo einst dicht an dicht die länglichen, von Teer schwarzen Kähne an den befestigten Ufern der Stadt lagen, wächst heute das Schilf und Hobbyangler bestimmen das Bild. Durch den Bau von Kläranlagen und den Niedergang der Industrie – die letzte Zuckerfabrik im Oderbruch stellte 1994 ihren Betrieb ein – hat sich zwar der Fischbestand erholt, aber das Fischereigewerbe in Oderberg nicht.

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Holzlager auf dem Lieper See. Nach dem Niedergang der Fischerei mit der Trockenlegung des Oderbruchs übernahmen die Holzindustrie und der Kahnbau die führende Rolle im Wirtschaftsleben der Stadt. Foto: Museum Oderberg
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Karte der Sägewerke und Kahnbauereien in und um Oderberg. Zwölf Kanbauereien und neun Schneidemühle stehen für die Bedeutung der Holzverarbeitung in der Region.

Holzindustrie

Der Kernbereich des Museums ist das zweite Obergeschoss: Hier werden die Binnenschifffahrt, der Schiffbau und die Flößerei in den Mittelpunkt gerückt. Die um 1900 aufgenommenen Bilder eines über und über mit Holzflößen bedeckten Oderberger Sees verdeutlichen die Bedeutung der Holzindustrie und des Holzhandels für Oderberg eindrücklich. Die Verbindung von guter Infrastruktur mit dem Finowkanal, der Chaussee nach Eberswalde sowie der Eisenbahnlinie über Oderberg und dem Holzreichtum des Umlandes bot beste Voraussetzungen für die Errichtung von Sägewerken und Holz verarbeitender Industrie. Die Kleinstadt wurde zum größten Holzlagerplatz im Norden Deutschlands.

Die Nachfrage nach Bauholz in Berlin und Stettin war enorm. An der Alten Oder wurden bis in die Gründerzeit des Deutschen Reiches insgesamt 11 Schneidemühlen und Sägewerke errichtet. Was an Werkholz nicht in die expandierenden Großstädte verbracht wurde, nutzen die 15 Kahnbauereien vor Ort und steigerten so die regionale Wertschöpfung. Bald reichte das heimische Holzdargebot aus den um Oderberg gelegenen Staatsforsten nicht mehr aus. Stammholz wurde in großen Flößen und in Schiffsladungen auf der Oder aus Nord- und Osteuropa heran transportiert. Außerhalb der Flößerei wurden rund 1.000 Kahnladungen jährlich mit etwa 200.000 Festmetern Holz umgeschlagen. Eine eigens eingerichtete Seilzugdampferlinie zwischen Hohensaaten und Liepe sorgte für einen zuverlässigen Transport der Flöße zum Absetzplatz im Oderberger See. Das Holz im Schlepptau zog sich das von den Oderbergern liebevoll UHLE genannte Dampfschiff Jahrzehnte an Stahlseilen, die auf einer Länge von 13 km in der Alten Oder versenkt worden waren, die Wasserstraße entlang. Das monotone Gerassel der Seilrollen soll das Leben in den Orten wie ein Grundton begleitet haben. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ging die Flößerei zurück. 1924 war das Aufkommen an Floßholz so gering geworden, dass der Schleppbetrieb eingestellt wurde. Vier Jahre später wurde die UHLE in Stettin verschrottet. Ein Modell des Schiffes wird in der Sammlung zeigt, ebenso das einer mit Wasserkraft betriebenen Schiffmühle. Hinzu kommen verschiedene Sägen und Arbeitsmaterialien der Flößer.

Welchen Reichtum die Holzindustrie nach Oderberg brachte, zeigt die Uniform eines Kutschers des Unternehmers Stoltz. Er war der größte Sägewerksbesitzer der Region. Zum Besitz gehörte auch die heutige Museumsinsel in Berlin, die er als Holzablageplatz an der Spree nutze. Wie die meisten Sägewerke fiel auch die Firma Stolz der Weltwirtschaftskrise zum Opfer.

1945 schien es mit der Holzindustrie zu Ende zugehen. Die SS zündete die Holzablage und das gesamte noch vorhanden Floßholz an. Es soll wochenlang gebrannt haben. Reste der gesunkenen Flöße liegen noch heute auf dem Grund des Oderberger Sees. Nur die Fahrrinne wurde beräumt. Mit veralteten Maschinen wurde nach Kriegsende der Sägewerksbetrieb wieder aufgenommen. Eine Schautafel erläutert knapp die wichtigsten Arbeitsschritte: die Aufnahme der Stämme aus dem Wasser am sogenannten Holzfang, das Ausmessen und Ablängen des Holzes, das Aufsägen der Stämme zu Brettern und Kantholz und schließlich das Aufstapeln der Ware zum Trocknen, um die Blaufäule fern zu halten.

Prunkstück der Etage ist ein in Holz ausgeführtes Schnitzdiorama, dass den wirtschaftlichen Betrieb auf der Oder und das dem Fluss zugewandte Leben der Stadt Oderberg zeigt. Hier geben dutzende von kleinen Modellen einen Eindruck von der wirtschaftlichen Prosperität der Stadt um 1900.

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Wenngleich nicht maßstabsgerecht lässt das Schnitz-Diorama die einstige Wirtschaftskraft Oderbergs doch erahnen. Der Seilschlepper UHLE ist ebenso zu sehen wie einige Kaffenkähne.
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Blick auf den Schiffsverkehr auf der Alten Oder. Im Hintergrund ist der heute nicht mehr vorhandene Aussichtsturm auf dem Pimpinellenberg zu sehen.  Foto: Museum Oderberg
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In der zweiten Etage ist die umfangreiche Sammlung an Modellschiffen untergebracht.

Schiffbau

Der Schiffbau an der Oder begann vor über 1.000 Jahren mit dem bereits erwähnten Einbaum. Holz blieb zwar bis Mitte des 19. Jahrhunderts der einzige Baustoff für die Schiffskörper, aber in den Kahnbauereien entstanden mit wachsenden Transportaufgaben unterschiedliche Bootstypen: die leichte, nicht sehr dauerhafte Zille von 40m Länge aus Fichtenholz für maximal 70t Ladung, die etwas kürzere, aber solidere Schute mit 100t Kapazität oder der schon erwähnte, auf Oder, Havel und dem Finowkanal verbreitete Kaffenkahn, der bis zu 200t Ladung aufnehmen konnte. Die in der Ausstellung gezeigten Bilder der Kahnbauereien am Ufer der Alten Oder lassen erahnen, wie agil das Wirtschaftsleben an der Schwelle zum 20. Jahrhundert gewesen sein muss.

Als die Dampfmaschine das Segel als Antrieb zu verdrängen begann, zog Eisen auch in den Schiffbau ein. Um 1885 war die Technologie soweit entwickelt, dass die ersten Schiffe komplett aus diesem Material gebaut werden konnten. An der Oder entwickelten sich Stettin und Breslau zu den Zentren des Schiffbaus. Während in Stettin Hochsee taugliche Schiffe gebaut wurden, konzentrierte man sich in Breslau auf Kähne, Schlepper und Personendampfer für die Binnenschifffahrt. Die Eisenfertigung war für die Bootsbauer mit hohen Investitionen verbunden. Viele der kleinen Kahnbauereien und traditionellen Schiffbauer konnten dies finanziell nicht leisten, beherrschten die neue Technik nicht und wurden so vom Markt verdrängt. Damit veränderte sich auch die Oderberger Wirtschaftsstruktur. Die Kahnbauer der Stadt mussten nach und nach aufgeben. An ihrer Stelle etablierte sich die Oderberger Werft. Anlässlich einer Gewerbeausstellung lief 1928 der erste eiserne Finowmaßkahn vom Stapel. Kurz darauf wurden bereits motorisierte Kähne derselben Größe gefertigt.

1945 von den Sowjets konfisziert und unter staatlicher Aufsicht instand gesetzt, begannen 1948 auf der Werft 180 Mitarbeiter mit Reparaturen an Binnenschiffen. 1952 wurde der VEB Schiffswerft Oderberg gegründet, der Mitte der 50er Jahre rund 450 Arbeitsplätze bot und zum größten Arbeitgeber vor Ort avancierte. Neben Maßkähnen für die Binnenschifffahrt baute die Werft auch Stahlkutter für die Küstenfischerei, die als Reparationsleistungen für Kriegsschäden in die damalige Sowjetunion geliefert wurden. Ab 1961 beschränkte sich die Werft zunehmend auf die Produktion von Lukendeckeln für verschiedene Bootstypen. Das letzte neu gefertigte Boot lief 1963 vom Stapel. Anfang der 1990er Jahre ging die Werft in Konkurs. Damit endete ein langes und prägendes Kapitel der Oderberger Geschichte. Heute nutzen ein Stahlbaubetrieb und eine Marina den Standort.

Die umfangreiche Schiffsmodellsammlung des Museums bietet viel zum Schauen: ein an Bug und Heck aufgebogener Kaffenkahn, ein Finowmaßkahn, ein Odermaßkahn. Hinzu kommen Modelle von Dampfern, Schleppern unterschiedlicher Maße und Schubschiffen mit Dieselaggregat, die auf der Oder verkehrten. An den Wänden fassen Tafeln ausgewählte Eckdaten zur Dampfschifffahrt auf der Oder und die Geschichte einzelner Dampfboote zusammen. Selbst die Könige der Oderschifffahrt, die Zweischornstein-Heckrad-Schleppdampfer, werden vorgestellt. Auch technische Details zur Entwicklung der Antriebstechnik kommen zur Sprache. Ein Modell erklärt die Funktionsweise eines Dampfmaschinenantriebs. Eine Reihe von Aquarellen mit Schiffsmotiven rundet die Sammlung ab.

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Die RIESA war ursprünglich unter dem Namen HABSBURG als Eildampfer auf der Elbe unterwegs.

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Der Seilzugdampfer UHLE vor der Kulisse der Stadt. Die Uhle zog sich an einer 13 km langen Eisenkette die Alte Oder entlang, und transportierte so die großen Holzflöße zwischen Hohensaaten an der Oder und dem Holzabsetzplatz bei Liepe.
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Alte Schleusentreppe Niederfinow. Der Aufbau der Infrastruktur für die Binnenschifffahrt wird im Museum ebenfalls verdeutlicht. Bevor das erste Schiffshebewerk in Betrieb ging, wurden die Schiffe über eine Schleusentreppe auf das Niveau des Kanals gebracht.

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Bald nur noch ein Museumsstück: Das eiserne Schiffshebewerk in Niederfinow wird durch einen Neubau aus Beton ersetzt, um größeren Schiffen die Passage zu ermöglichen. Ob der Schiffsverkehr wie erwartet zunimmt, ist eine offne Frage.

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Die Binnenschifffahrt an der Oder auf einen Blick. Ein polnischer Schubverband passiert den Museumsdampfer RIESA während im Hintergund am Bollwerk ein kleines Fahrgastschiff fest macht. Zwischendrin ein Kanu-Verleih, der auf das Naturerlebnis an der Alten Oder setzt(Foto: L. Fischer)

Zur Binnenschifffahrt und dem Leben der Kahnschiffer

Die Schifffahrt auf der Oder war lange Zeit von Schleppzügen dominiert. Diese „Karawanen auf dem Wasser“ bestanden aus einem Dampfschiff, das bis zu acht antriebslose Kähne zog. Transportiert wurden Stück- wie Schüttgut; Kohle, Erz und Getreide bestimmten die Ladungen. Das Steuern der Verbände erforderte viel Erfahrung und genaue Kenntnisse des Strombettes.

Die Größe der Kähne richtete sich nach den Maßen der Schleusen in den Kanälen, die befahren werden sollten. Für die ersten Kanäle galt das Finow-Maß mit einer Länge von 40m als Richtwert. Gut eineinhalb Jahrhunderte später definierte der Hohenzollernkanal das Plauer-Maß mit einer Kahnlänge von 65m und einer Breite von 8m. Mit der zunehmenden Ladekapazität nahmen auch die Anforderungen an die Besatzung zu. Trotz des Einzugs von Dampfkraft und elektrischem Antrieb Ende des 19. Jahrhunderts dominierte schwere Handarbeit an Bord. Fässer, Ballen, Säcke mussten in sichernde Seile, sogenannte Stropps, eingelegt werden, bevor ein Kran sie heben konnte. Die Kohle wurde mit Kippern in die Kähne geschüttet, um Schlagseite zu verhindern, musste die Ladung per Schaufel in die richtige Lage gebracht werden.

Hatten sich die Dampfschiffbesitzer und die Kahneigner bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Genossenschaften zusammengeschlossen, um ihre Interessen durchzusetzen, waren die Binnenschiffer bis 1900 nur in Schiffervereinen organisiert. Mit dem Aufkommen von größeren Reedereien stellte sich die Frage nach einer Interessenvertretung für die Beschäftigten. In der von einzelnen Schifferfamilien geprägten Binnenschifffahrt östlich der Elbe – an der Oder gehörten zwei Drittel aller Schiffe Kleinschiffern, auf den märkischen Wasserstraßen gar drei Viertel – war es für die Gewerkschaften schwierig, Zugang zu den Beschäftigten zu finden. Und das obwohl auf den östlichen Wasserstraßen der Lohn der Bootsleute geringer war und die Unfallzahlen weit über dem Durchschnitt lagen.

War nach dem Ersten Weltkrieg das Frachtaufkommen schon einmal kurzzeitig zurückgegangen, brach es mit der Weltwirtschaftskrise ab 1929 deutlich ein. Die Reedereien kamen deutlich besser durch diese Notzeit als die Kleinschiffer, die zudem aufgrund ungewöhnlich trockener Sommer mit Niedrigwasser und langen Frostperioden zu Stillstandzeiten gezwungen waren. Wer diese Zeit als Kleinschiffer durchgestanden hatte, musste nach 1933 miterleben, wie die Binnenschifffahrt von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet wurde. Vereine und Interessenverbände wurden aufgelöst, die Reedereien in einem Zwangskartell zusammengefasst. Am Ende des Zweiten Weltkrieges war die Binnenschifffahrt wegen Personalmangels fast zum Erliegen gekommen. Obwohl gut 1.000 Binnenschiffe als Reparationsleistung in großen Verbänden über die Oder und die Ostsee in die Sowjetunion verbracht wurden, gab es in der Sowjetischen Besatzungszone noch zahlreiche „herrenlose“ Schiffe. Auch am Oderberger Bollwerk lagen 1945 viele solcher Schiffe, die einer neuen Bestimmung harrten. Sie wurden von einer „Arbeitsgemeinschaft Binnenschifffahrt“ mit staatlichen Mitteln wieder in Fahrt gesetzt. Die Besitzer erhielten ihr Eigentum meist nicht zurück, da sie die angefallenen Instandsetzungskosten nicht bezahlen konnten. Viele trieb diese kalte Enteignung in den Westen, manche mieteten ihr Schiff vom neuen Eigentümer zurück, andere nahmen von der Binnenschifferei Abschied und eine Arbeit an Land auf.

Das auf dieser Etage gezeigte Modell des Kaffenkahns wurde zur Blütezeit der Binnenschifffahrt als „Vortrageschiff“ auf den Umzügen des Schiffervereins in Oderberg mitgeführt. Diese Vereine gehen auf die im 16.Jahrhundert an Oder und Elbe entstandenen Schifferinnungen zurück, mit denen die Schiffer ihre Rechte auf den Flüssen vertraten, aber auch Lohn- und Frachtfragen klärten. Mit der Verkündung der Gewerbefreiheit in Preußen im Zuge der Stein-Hardenbergschen Verwaltungsreformen 1810 avancierten die Schifferinnungen zunächst zu einem wichtigen  Kampfmittel der „Privater“, der kleinen selbstständigen Schiffer, gegen die zunehmend marktbeherrschenden Reedereien. Schließlich bekamen die Innungen den Charakter geselliger Vereine zur Traditionspflege. Höhepunkt des Vereinslebens war auch in Oderberg die Feier des „Quartals“, die anbrechende Zeit der Winterruhe, in der Eisgang zu einer längeren Pause zwang. Sie begann mit einem Festumzug, an dessen Spitze Vereinsfahne und ein geschmückter Modellkahn getragen wurde. Im geschmückten Festsaal hingen diese Kähne zur Dekoration auch unter der Decke. 200 Schiffer waren um 1900 in Oderberg beheimatet, da war das Quartalsfest im Januar eines jeden Jahres ein großes gesellschaftliches Ereignis.

Ein kleiner Ausstellungsraum mit nachgebauter Wohn- und Schlafkajüte reißt das Leben der Schifferfamilien an. Die Unterkünfte befanden sich auf den Schleppkähnen, Toiletten oder gar Bäder gab es nicht an Bord, Trinkwasser wurde bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Eimern an Bord gebracht und Waschwasser dem Fluss entnommen. Etwas näher eingegangen wird auf die Schwierigkeit, den Schifferkindern Zugang zum Bildungssystem zu ermöglichen. Da die Schubverbände immer auf den Preußischen Wasserstraßen unterwegs und in den Wintermonaten selten am gleichen Ort zu liegen kamen, war vor allem der regelmäßige Schulbesuch ein Problem. Häufige Schulwechsel waren die Folge. Viele der Schifferkinder und –familien fühlten sich wie Fremde im eigenen Land. Kamen die Kinder ins Schulalter, gingen entweder die Frauen mit ihnen an Land, oder sie wurden zu Verwandten geschickt. War dies nicht möglich, blieben sie an Bord und besuchten die Schule, wenn der Kahn mehrere Tage an einem Ort lag.

Mit dem Bau von Schifferkinderheimen wollte der Preußische Staat dem etwas entgegensetzen. In Teltow eröffnete 1907 das erste Heim, eine bescheidene Baracke für dreißig Jungen und fünf Mädchen. Ein zweites folgte 1912 im schlesischen Cosel-Hafen. Die Kinder in diesen Heimen besuchten meist die örtlichen Schulen. Im Regierungsbezirk Potsdam schlug man einen anderen Weg ein und richtete an 35 Gemeindeschulen Schifferkinderklassen ein. Die Zahl der Kinder in den Klassen schwankte je nach Wasserverhältnissen und Auftragslage der Schiffseigner. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden sie meist wieder geschlossen, da viele Schiffer in größeren Hafenorten eine Wohnung nahmen und die Kinder in den Wintermonaten dort in die Schule gaben.

Wasserstraßenbau

Im Erdgeschoss befinden sich neben der Kasse und einer Touristeninformation Ausstellungsräume, die sich dem Oderausbau, den regionalen Kanalbauten und der Hochwassergefährdung widmen. Begonnen wird mit der Geschichte des ersten Finowkanals. Bereits im 16. Jahrhundert kam die Idee auf, einen Wasserweg zwischen  Oder und Havel zu bauen. Das Quertal der Finow erschien für dieses Vorhaben am günstigsten. 1603 gab Kurfürst Joachim Friedrich die Anweisung zum Beginn der Arbeiten für einen Kanal von der Alten Havel bei Liebenwalde zum Möllnsee bei Finowfurt. Von dort aus sollte das Flüsschen Finow schiffbar gemacht werden. 1609 fuhr zwar das erste Schiff bis Finowfurt, der Ausbau der Finow zog sich jedoch 12 Jahre hin. Im Dreißigjährigen Krieg zerfielen die Schleusen und die Wirren dieser Zeit tilgten den Kanal aus der Landschaft (vgl. Kaiser 2006).

Ein neuer Anfang wurde 1743 gemacht. Schon lange hatte Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. die Idee verfolgt, die 1720 erworbene Stadt Stettin und das landwirtschaftlich bedeutsame Pommern über den Wasserweg zu erschließen. Auch die Stadt Eberswalde an der Finow versprach sich davon einen Vorteil. Bereits 1746 wurde der zweite Finowkanal eröffnet. Das erste Schiff auf der neuen Wasserstraße war ein mit Salz beladener Kahn von Staßfurt nach Oderberg. Bis im April 1856 der erste Dampfer den Kanal befuhr, mussten die Schiffe per Hand oder Zugpferd getreidelt, also von Land aus gezogen werden. Auf den von Wald gesäumten Wasserstraßen war das Segeln oft nicht möglich (Vgl. ebenda).

Kurz nach der Jahrhundertwende 1900 war die Transportkapazität der Schleusen für den stetig zunehmenden Warenstrom nach Berlin und Stettin am Ende. Ausbaufähig war der Finowkanal nicht, daher entschied man sich für den Bau des Hohenzollernkanals, dem heutigen Oder-Havel-Kanal. Keine leichte Aufgabe, denn es galt mit dem Kanalbau sowohl die Eisenbahnlinie Berlin – Stettin zu überbrücken als auch den erheblichen Höhenunterschied von 36m zwischen Kanal und Alter Oder durch eine Schleusentreppe auszugleichen. 1914 wurde der Kanal in Anwesenheit des letzten deutschen Kaisers in Betrieb genommen. Ein liebevoll hergerichtetes Diorama stellt die feierliche Situation nach. Ab 1934 ersetzte ein Schiffshebewerk die zeitaufwendige Fahrt durch die Schleusentreppe. Ein filigran ausgeführtes Modell des 1934 in Betrieb gegangenen Schiffshebewerks erläutert die Funktionsweise des im nahen Niederfinow zu bewundernden Bauwerks. Ein Besuch des Originals lohnt auch wegen der Baustelle des neuen Schiffshebewerks, das 2014 den Betrieb aufnehmen soll.

Der sich anschließende Raum ist der Hochwassergefahr vorbehalten und noch nicht abschließend gestaltet. Hier ist eine Dokumentation über das 1997er Hochwasser zu sehen. Ein kleiner Damm aus Sandsäcken erläutert eine der geläufigsten Sicherungstechniken, die für die bedrohte Deichsicherheit zum Einsatz kommt. Ein letztes Diorama gibt einen Einblick in die komplexen Abläufe, die es im Hochwasserfall am Deich zu koordinieren gilt.

Fahrgastschifffahrt

Gegenüber dem Museum befindet sich ein kleiner Museumspark. Neben einem Kajüt-und einem Stoßboot, das Finowmaßkähne die Wasserstraßen entlang schob, befindet sich hier auch die Kinderforschungsstation des Museums, die „AquaBAR ODER“. In ihr können Schulklassen etwas über das Gewässersystem der Oder lernen, Wasserproben aus der Alten Oder entnehmen und genauer untersuchen. Der Höhepunkt des Freigeländes ist jedoch die RIESA, ein auf Land gesetzter Seitenraddampfer, in dem über die Fahrgastschifffahrt auf der Oder informiert wird.

Die RIESA lief 1897 als HABSBURG in Dresden vom Stapel und tat als Elbdampfer zwischen Aussig und Dresden seinen Dienst. 741 Plätze bot der luxuriös ausgestattete Ausflugsdampfer mit drei Mann Besatzung, zwei Heizern pro Schicht und dem Kapitän. Ein Jahr nach der Revolution 1918 wurde das Schiff in RIESA umbenannt. Von der SS 1945 durch Sprengung in der Werft Laubegast versenkt, wurde der Dampfer noch im gleichen Jahr gehoben, überholt und 1947 wieder in Dienst genommen. Knapp 30 Jahre später musste er wegen einer gerissenen Kesselrückwand außer Dienst gestellt werden. 1978 erwarb das Museum die RIESA, ließ sie nach Oderberg schleppen und an Land setzen. Auf der Oder ist die RIESA nie gefahren, aber zum Wahrzeichen der Stadt ist sie dennoch geworden (vgl. Hoffmann 2011).

Eine Entwicklung der Fahrgastschifffahrt wie auf der Elbe oder dem Rhein gab es auf der Oder nicht. Es waren die Frachtschiffe, die einzelne Fahrgäste mit nahmen. Passagierboote blieben die Ausnahme und sind es bis heute. Die Reise mit dem Schiff von Frankfurt/Oder nach Stettin brauchte 10 Stunden und erfolgte meist stationsweise. „Das Publikum, wenn auch nicht zahlreich, ist immerhin mannigfaltig genug. Tagelöhner, die auf die Güter, Handwerker, die zu Markte ziehen, Kaufleute und Gutsbesitzer, dazu gelegentlich Badreisende… Nur eine Klasse fehlt, der man wohl sonst auf den Flussdampfern unserer Heimat, besonders im Westen und Süden, zu begegnen pflegt: der Tourist vom Fach, der eigentlich Reisende“, schrieb Fontane (Fontane 1998, S. 13). Es waren Berliner oder gar Dresdner Gesellschaften, die mit der Fahrgastschifffahrt auf der Oder begannen. Bald gesellten sich auch einige regionale Anbieter hinzu und richteten ständige Verbindungen zwischen Schwedt und Küstrin sowie Frankfurt und Stettin ein oder boten Lustfahrten an den Lebuser Oderhängen entlang an. Ab 1876 ging es per Schiff auch direkt bis nach Breslau.

Getragen vom wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands und einer wachsenden Zahl von Sommerfrischlern und Tagestouristen im 20. Jahrhundert verkehrten auf der Oder vermehrt Passagierschiffe, zum Beispiel der 1890 in Amsterdam gebaute Dampfer WINTERMÄRCHEN II des Berliner Eigners Friedrich Nobeling. 304 Passagiere fanden auf dem Deck des etwas über 30m langen Ausflugsschiffes Platz. 1959 übernahm die Weiße Flotte, die Fahrgastschifffahrtsgesellschaft der DDR, den Dampfer und baute ihn zum Kabinenschiff um. Er verkehrte als MS SPREE ab 1971 zwischen Berlin und Stettin. Nach 1990 scheiterten alle Bemühungen, den Dampfer zu erhalten, er wurde 1995 in Fürstenwalde an der Spree verschrottet.

Einige ältere Anwohner Oderbergs erinnern sich noch heute an die ANNA II, einen 30m langen Dampfer, der nach dem Zweiten Weltkrieg zum Haupttransportmittel zwischen Berlin und Schwedt wurde. Die Eisenbahnverbindungen waren überwiegend zerstört und fahrtaugliche LKW Mangelware, daher wurden alle erdenklichen Waren auf dem Dampfer transportiert, darunter das eine oder andere auf Hamsterfahrten ergatterte Kilo Kartoffeln. Außerdem fungierte sie als Schlepper für die reparierten Kähne und wurde als Eisbrecher eingesetzt. Später, als die Infrastruktur wieder ihre angestammte Leistungsfähigkeit erlangt hatte, baute der Schiffseigner Herr Stolzenburg aus Oderberg den Dampfer in einen „Kahn der fröhlich Leute“ um, der 200 Personen Platz bot und zwischen Niederfinow und Berlin verkehrte. 1956 ging auch dieses Schiff an die Weiße Flotte in Berlin und befuhr später als CAPUTH Berliner Gewässer.

Auch die Fahrgastschifffahrt blieb von der zwangsweisen Verstaatlichung der Produktionsmittel in der DDR nicht verschont. Die meisten Brandenburger und Ostberliner Schiffe waren spätestens seit den frühen 1970er Jahren in den Besitz der Weißen Flotte übergegangen oder wurden von den Verkehrsbetrieben der Bezirke Frankfurt/Oder, Brandenburg, Potsdam und Berlin betrieben. Die DDR ließ auch Fahrgastschiffe neu bauen. 1977 wurde als erstes Schiff der sogenannten Vogelklasse die BUSSARD übergeben. Das kleine Schiff für 128 Personen war für alle Flüsse und Binnengewässer geeignet.

Ein Schiff für Oderberg?

Wer sich auf die Suche der jüngeren Geschichte der Oderschifffahrt macht, wird enttäuscht sein“, schreibt Uwe Rada über das Oderberger Museum und konstatiert, „dass sich der Blick 1945 von der Oder und ihrer Schifffahrt abgewandt hat“ (Rada 2009, S. 170). In der Tat scheint es, als habe sich der wirtschaftliche Bedeutungsverlust der Binnenschifffahrt auf der Oder in die Sammlung eingeschrieben; wo der Gegenstand der eigenen Arbeit verschwindet, welche Handlungsspielräume hat dann das Museum? Sicher, die Lücken der Sammlung zu schließen, wäre eine lohnenswerte Aufgabe. Aber wäre es nicht ebenso sinnvoll, sich der Anfänge als Heimatmuseum zu erinnern und Brücken zu anderen Landnutzungsformen zu schlagen? Ließe sich mit Blick auf den historischen Landwirtschaftsverschönerungsverein nicht etwas zur regionalen Landwirtschaft oder dem Tourismus heute sagen? Das Museum erzählt neben der Geschichte der Binnenschifffahrt auch die, wie mit dem Verlust der Sägewerke und Schiffbaubetriebe der Ausbau der Wasserstraßen zur wirtschaftlichen Marginalisierung Oderbergs führte. Wäre der Salon des Museumsdampfers nicht ein charmanter Ort, um mit kleinen Ausstellungen und Gesprächen auf der RIESA die zukünftige Entwicklung der Stadt mit kleinen Ausstellungen und Gesprächen zu begleiten?

Zum Schluss dieses kurzen Rundgangs durch das Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg möchte ich Herrn Hartmut Ivers ausdrücklich danken. Ohne seine Führung durch die Ausstellung hätte der Text nicht entstehen können. Viele Detailinformationen verdanken sich darüber hinaus den Ausstellungstafeln, von denen auch ein Großteil der Grafiken und Bilder abfotografiert wurde.

Lars Fischer

Literaturliste:
Fontane, Theodor, 1998: Das Oderland. Wanderungen durch die Mark Brandenburg Band II. Große Brandenburger Ausgabe hrsg. von G. Erler und R. Mingau. Berlin.
Herrmann, Bernd, 1997: „Nun blüht es von End zu End all überall“. Die Eindeichung des Nieder-Oderbruchs 1747 – 1753. Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt Band 4. Berlin.
Hoffmann, Günter, 2011: Die letzte Reise der „Riesa“. In: VIADRUS. Heimatbuch für Bad Freienwalde (Oder) und Umgebung et terra transoderana. 3. Jg. S. 14 – 19.
Ivers, Hartmut, 2010: Das Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg. In: VIADRUS. Heimatbuch für Bad Freienwalde (Oder) und Umgebung et terra transoderana. 2. Jg. S.145-151.
Kaiser, Günter, 2006: Wasserwege und Bauwerke zwischen Havel und Oder. In: Entdeckungen entlang der Märkischen Eiszeitstraße, Heft 11, hrsg. von der Gesellschaft zur Erforschung und Förderung der Märkischen Eiszeitstraße. Eberswalde.
Kirsch, Kerstin, 2004: Slawen und Deutsche in der Uckermark. Vergleichende Untersuchungen zur Siedlungsentwicklung vom 11. bis zum 14. Jahrhundert. Stuttgart.
Nietzen, Peter von, 1903: Städtisches und territoriales Wirtschaftsleben im märkischen Odergebiet bis zum Ende des 14. Jahrhunderts. In: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte Bd. 16. S. 1-162. Hrsg. von Otto Hintze im Auftrag des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg. Potsdam.
Rada, Uwe, 2009: Die Oder. Lebenslauf eines Flusses. München

Kontakt
Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg
Hermann-Seidel-Straße 44
16248 Oderberg

Von April bis Oktober von 10.00 bis 17.00 Uhr und von November bis März verkürzt bis 15.00 Uhr geöffnet.