„Hier habe ich im Frieden eine Provinz erobert“
Friedrich II. 1756
Alltagsgeschichten
Vorwort
„Ein Paradies für Radfahrer und Geologen: Flach wie ein Brett und ohne Wald liegt das Oderbruch, von der Brandenburger Hügellandschaft eingerahmt, zwischen Frankfurt an der Oder und Bad Freienwalde – an seiner breitesten Stelle bei Seelow 18 Kilometer messend. Im Osten grenzt das Bruch heute an die Republik Polen. Die höchsten Erhebungen sind Menschenwerk: Die Oderdeiche. Spricht der Brücher vom Barnim, sagt er „Auf der Höhe“, will er in den Wald, dann fährt er „In die Heide“ um Bad Freienwalde. Die etwa 100 bis 200 Meter messenden Randhügel gelten im Sprachgebrauch schon als „Berg“. Heute liegt die Landschaft im 1993 gebildeten
Landkreis Märkisch-Oderland.“ Johannes Jänike
Mit so wenigen Worten kann die Landschaft des Oderbruchs heute prägnant und treffend beschrieben werden. Dass es so und nicht einfach als sumpfiges, ungenutztes und teilzeitbesiedeltes Ödland beschrieben wird, verdankt das Oderbruch vor allem den Meliorationsmaßnahmen und der Kolonisierung unter Friedrich dem Großen, hierzulande besser bekannt als der „Alte Fritz“. Doch wer waren diese Kolonisten? Wo kamen sie her? Wie und warum kamen sie ins Oderbruch? Welche Erfolge und Schwierigkeiten gab es zu verzeichnen und warum? Wie haben sie ihr Leben im Bruch bewältigt? Welche materiellen Schranken gab es?
Während meines Praktikums im Oderbruch-Museum hatte ich die Möglichkeiten mich diesen Fragen zu widmen. Dabei hatte ich Zugriff auf das Archiv des Museums. Die hier zusammengetragenen Materialien sind dokumentiert in alten Amtsbüchern, Rechtssprechungen, Briefen oder Tagebüchern und spiegeln einen essentiellen, jedoch oftmals unterschätzten Teil der Kultur- und Sozialgeschichte wieder: die Geschichte von unten. Der Anspruch der Alltagsgeschichte liegt darin, nicht soziale und politische Systeme, sondern die in diesen Systemen lebenden „kleinen Leute“ zu erforschen, also ihre individuellen und vor allem subjektiven Geschichten, Erlebnisse und Handlungen. Diese sind wichtig um historische Kultur zu bewahren und zu vermitteln, um zu einem besseren Verständnis der Geschichte, gerade auch im Kleinen, beizutragen.
Lassen Sie sich also von den Darstellungen und Einzelschicksalen an die Lebenswirklichkeit der Kolonisten heranführen. Lassen Sie sich zeigen, wie die Kolonisierung des Oderbruchs „von unten“ aussah.
Tim Biesdorf
Gliederung
- Einsatz würtembergischer Kolonisten bei der Oderverwallung 1750
- Nachlässe verstorbener Kolonisten im Jahr 1751
- Auswanderung von Kolonisten des Oder-Etalissements nach Däneamrk 1760 – 1761
- Stellungnahme des General-Directoriums zur Auswanderung von Kolonisten
- Kolonisten aus Polen und der verärgerte Polenfürst
- Zustand der Kolonistendörfer
- Komplikationen bei der Errichtung der Etablissements für 50 Weberfamilien in Wrietzen 1765 – 1768
- Brief von Friedrich II. über die Finanzierung der Oder-Etablissements an von Retzow
- Kampf für die Kantonsfreiheit für Kolonistensöhne in den Oderbruch Etablessements 1801 – 1806
- Feuerschäden von Kolonisten-Etablissements in Neutornow 1802 und 1805
- Reisepässe für Kolonisten 1782
- Übergabe der Wirtschaft des Kolonisten Böse, Neuküstrinchen an den Kol. Christian Bruchmüller in Friedrichswalde 1768 – 1781
- Tischler aus der Pfalz bittet um Zuzug 1758
- Etablissements von 100 Spinnerfamilien im Hohenbusch zwischen Wollup umd Friedrichsaue
- Rudolph Friedrich Sprockhoff über die Jahre 1770 & 1771
Einsatz würtembergischer Kolonisten bei der Oderverwallung 1750
- Akten (Teil I/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 Dom.-Reg. Nr. D 2338, S. 149 ff.
„Anlaufpunkt für viele Kolonisten, die freiwillig oder geworben kamen, war Berlin. Die Kriegs- und Domänenkammer arbeitete sehr schnell um die oft mittellosen „blutarmen Leuthe“ schnellstens zu vermitteln und anzusiedeln. Am 24.5.1750 wurden von Berlin aus 24 Familien per Kahn zum Oderkanalbau dem „Unternehmer“ Rottengatter geschickt. Dieser mußte für Unterkunft sorgen. Im Amt Freienwalde waren es inzwischen 44 württembergische Familien […] “
„ […] Für 7 württembergische Kolonistenfamilien wurden Bauernhöfe gebaut. Dabei halfen Cantonisten (freigestellte Soldaten aus Pionierseinheiten unter Leitung von Genieoffizieren). Diese mittellosen Familien baten, ihnen die Reisekosten zu ersetzen, „da sie nicht mehr Rath wissen“. Wer freiwillig kam, hatte keinen Anspruch auf Reisekosten. Sie erhielten auch die versprochenen Höfe nicht (weil mittellos), sondern wurden Rottengatter zur Arbeit zugewiesen. Die Familien wurden in Freienwalde bei dem Schreiber Felgmann untergebracht […] “
„ […] Ähnliche Versprechungen, einen Hof zu bekommen, machte man den Nachfolgern anderer württembergischer Familien, nur sagte man nicht wann? Vordringlich war die Bewallung der Oder, um den Familien einen Verdienst zukommen zu lassen und das besiedelte Gebiet gegen Oderüberschwemmungen zu sichern […]“
„ […] Das „Citisime“ der Kriegs- und Domänenkammer zeigt, wie außerordentlich eilig und dringend die Unterbringung der neu eintreffenden Württemberger war. Es wäre aber ein Trugschluss anzunehmen, daß hier soziale Belange im Vordergrund stehen […] Vordringlich war die Bewallung der Oder, das Bauen von Abzugskanälen und Innendeichen, wozu die neu ankommenden Kolonisten eingesetzt werden sollten. Damit erwarben sich diese einen bescheidenen Lebensunterhalt für sich und ihre Familien. Dennoch häuften sich die Klagen wegen mangelnder Nahrung, was Veranlassung war, 16 neu eingetroffene Familien zu schicken […] “
„ […] Zu den württembergischen Familien, kamen auch 8 aus der Pfalz, die ebenfalls bei Dammarbeiten untergebracht wurden […] „
Nachlässe verstorbener Kolonisten 1751
- Akten (Teil I/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 Dom. – Reg. – Nr. D 2339, S. 150Rff.
„ Im Dez. des Jahres 1750 verstarb in Oderberg die Kolonistenwitwe Haffner, deren Nachlaß einen Wert von 5 Talern 11 sgr 6 Pfg hatte. Das am 29.12.1750 aufgestellte Inventar wurde am 8.2.1751 meistbietend versteigert […] Ebenfalls öffentlich versteigert wurde der Nachlaß des verstorbenen Kolonisten Anthon Pechlin, der nur 5 Taler 8 sgr 3 Pfg erbrachte. Das war außerordentlich wenig […] Recht schlecht sah es für ein 9-jähriges Mädchen aus, dessen Eltern gestorben waren. Es wurde “in Pflege“ gegeben, d.h. in ein “Weysenhauß“ gesteckt. Der Vater hatte dem Kinde etwas hinterlassen, was auf Befehl der Kurmärk. Kammer dem Kinde bis zur Volljährigkeit erhalten bleiben mußte […]“
Auswanderung von Kolonisten des Oder-Etalissements nach Däneamrk 1760 – 1761
- Akten (Teil I/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 Nr. D 2988, S. 264ff.
„ Vier Pfälzer Kolonisten aus “dem Oder Etablissement mit ihren Weibern und 14 Kindern“ wurden in Wittstock “arretiert“, weil sie “ außer Landes sich begeben wollen.“ Sie konnten sich im Oderbruch nicht ernähren […] Die Auswanderer berichteten über die inzwischen erfolgte Abwanderung (heimlich) von 5 Familien aus Neuküstrinchen […] Es wurde geschildert, wie sich diese Familien “bereits über Jahr und Tag aufgehalten in Ermangelung zureichenden Verdienstes nicht zu ernähren vermögten“, da das 10-Morgen-Land ständig überschwemmt war und nicht und beackert werden konnte. Es fehlte diesen Familien an Mitteln zur Beschaffung des nötigen Viehs, überhaupt an Mitteln, “wozu noch diese komt, daß sie wie die mehrsten Pfältzer und Würtenberger Colonisten eben nicht von die fleißigsten Arth Leuthe sind, sondern ihrer Arbeith zu beschwerlich halten kann, sonst sie auch leicht ihr Brodt zu verdienen im Stande seyn würden …“
Stellungnahme des General-Directoriums zur Auswanderung von Kolonisten
- Akten (Teil I/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 D 2988, S. 266a
„Das General-Directorium hat […] ersehen, daß 4 Pfälzer Colonisten aus dem neuen Oder-Etablissement mit ihren 4 Weiber und 14 Kindern, welche, ihrem Vorgeben nach, in Ermangelung zureichenden Vedienstes, sich nicht sollen ernehren können, außer Landes sich begeben wollen, zu Wittstock arretiert und wieder zurückgeschickt worden, auch äußerlich verlaute, daß noch mehrere kleine Colonisten sich aus den Oder-Etablissements außerhalb Landes zu begaben Vorhabens syn sollen, und wie die Königl. Cammer angefragt, ob solche, nebst denen obbemeldeten 4 Familien weggelaßen, und denselben allenfalls Gesundheitspäße ertheilet, oder selbige mit ihrem Gesuch abgewiesen werden sollen?
Es findet nun das General-Directorium diensahm, diese und alle diejenigen Familien, von welchen verlauten will, daß sie aus denen Oder-Etablissements sichaußerhalb Landes begeben wollen, auf alle Weise Güthe von ihrem Vorhaben ab- und dahin anzumahnen, in gedachten Etablissements zu bleiben […]
Dann diese Leute mit Gesundheits-Päßen gehen zu lassen, scheint dem General-Directori bedenklich […]“
Kolonisten aus Polen und der verärgerte Polenfürst
- Akten (Teil I/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 D 2988, S. 153ff.
„ […] Einer der mächtigsten polnischen Fürsten der damaligen Zeit war Peter v. Sapichs, Erbherr von Filehne. Ihm gehörten große Gebiete im Warthe- und Netzdistrikt, nur durch die Drage von der preußischen Kurmark geschieden. Unter seiner Knute wie auch unter dem Hasse des Propstes von Filehne hatten die deutschen Protestanten viel zu dulden. Der in Eichberg (Preußen) wohnende Pfarrer Licht stand den Bedrückten tröstend und ratend zur Seite, und da er ein warmer Verehrer des großen Preußenkönigs war, macht er seine leidenden Pfarrkinder auf die Schöpfungen des Königs, in denen allerlei Freiheiten winkten, aufmerksam. Auf seine Veranlassung sandten die Deutschen dann die beiden Landwirte Hilbner und Tesmer ins Oderbruch, es zu besichtigen und einen günstigen Wohnplatz auszuwählen. Sie kehrten bals zurück und waren voll des Lobes über das neue Land. Viele verließen nun ihre armseligen Hütten, überschritten im Dunkeln der Nacht die Drage und entkamen glücklich nach Wriezen. Als der polnische Fürst von der Desertion seiner pflicht- und trauvergessenen Untertanen hörte, ward er sehr zornig und ließ […] die Ufer der Drage scharf überwachen. Den Pfarrer Licht ließ er als Anstifter jener Abwanderungen verhaften, von der neumärkischen Kammer forderts er die Auslieferung des Schelm-Packs – natürlich vergeblich […]“
„ […] Als dann 1757 die beiden entlaufenden Erzschelme Sommer und Schlender von Neulitzegöricke aus heimlich ihre in Selchow (Ortschaft in Filehne) zurückgelassenen Hofwehren geholt hatten, beschwerte sich der Fürsten abermals über diese „Erzdiebe“. Der beleidigte Kolonist Schlender sandte daraufhin dem zornigen Polenfürsten folgendes „mechante Schreiben“ zu: […]“
Lieber Herr, nehmt mir nicht ungüthig, denn ich weiß nicht wie ich Euch titulieren soll, ist dsl. (Derselbe): ein Edelmann oder dsl. Sonsten einer. Ihr habt mir vor Diebstahl gehalten, daß ich mir meines Vaters Erbe geholet habe, und es mir Niermand vor Uebel nimmt. Ihr mögelt selber Diebe sein, die ihr mich es vor Diebstahl erkennet: Diebe werden nicht angehalten. Komt holt mir, ist euch Spandow nicht bewußt, es soll euch bewußt werden. Hiermit verbleibe ich ein ehrlicher braver Cavalier.
Anno 1757, den 11. Juni Johann Schlender
Zustand der Kolonistendörfer um 1755
- Akten (Teil I/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 Kriegs- u. Dom.-Kemmer Nr. D 2893, S. 153R & 175R ff.
„ […] Die ausgewanderten Polen wurden in Neu-Lewin, Neut-Trebbin, Neu-Lietzegöricke, Neu-Wustrow, Neu-Rüdnitz und Neu-Küstrinchen angesiedelt. Eine rein polnische Kolonie scheint Neu-Reetz zu sein […]“
„ Am 9.6.1755 begannen v. Retzow, v. Haerlem und Petri eine große Bereisung des Oderbruchs. In Neu-Bahren sind sämtliche Häuser gerichtet und 20 davon mit österreichischen Emigranten besetzt. Dazwischen wohnten sächsische Kolonisten. Die österreichischen Familien waren außerordentlich arm, weil sie aus der alten Heimat nicht mitbringen konnten (durften!). Für diese sollte Zucht- und Zugvieh beschaffen werden, denn sie waren sehr fleißige Wirte […] Ebenso schlechtging es dern Pfälzern Neu-Lewin […] In Neu-Trebbin waren bereits 15 Häuser gerichtet und übergeben. 30 Häuser waren noch im Bau. Das bewilligte Bauholz für den Dorfkrug sollte in den nächsten Tagen herangefahren werden […] In Neu-Reetz waren 36 Häuser größtentheils gekleidet. Noch vor dem Winter sollten sie bezugsfertig sein […] In Neu-Wustrow waren all Häuser bis auf das Weißen fertig. Die Kolonisten hatten in ihren Gärten schon einiges bestellt […]“
Komplikationen bei der Errichtung der Etablissements für 50 Weberfamilien in Wrietzen 1765 – 1768
- Akten (Teil I/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 Nr. D 2992, S. 277ff.
„ […] Beim Bau der Weberhäuser gab es viel “Verdrießlichkeiten“, weil mit den Schiffen nicht genug Steine herangebracht worden waren. Nun sollte die Festung Oderberg abgebrochen und und die dort geborgenen Steine nach Wriezen geschafft werden. Um zumindest die Zimmerleute zu beschäftigen, mußten diese die Stämme “von Hand“ schneiden, was wiederum Ärger gab, weil das geschnittenen Holz gestohlen wurde, was zur Einstellung der Arbeiten führte […]“
Brief von Friedrich II. über die Finanzierung der Oder-Etablissements an von Retzow
- Akten (Teil I/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 Nr. D 2995, S. 280.
„Mein lieber Obrister v. Retzow. Nachdem ich nunmehro Meine Disposition wegen der von Mir zum Bau und Rahdung der Oder-Etablissements annoch zu bezahlenden Gelder, dergestalt gemacht habe […] daß nehmlich zufordrest die zu volligre Bezahlung der Summe von 70/m (70´000) Rthlr. so zum Bau und Rahdung der Oder-Etablissements vor das Jahr 1754 erfordert werden […] demnächst aber auch 2tens die von Euch gemeldete vor das Jahr 1755 zu volligre Anfertigung derer Oder-Etablissements noch erforderliche 200´000 Rthlr. sofort aus einem gewissen fond genommen und bey einer sichern Caße baar deponiert werden sollen, bis daß die Auszahlung derselben nötig seyn wird, und solche auf Eure Anzeige succesivement einen solchen Posten wie es die Arbeit erfordert ausgezahlt werden mußen; Als mache Ich Euch solches hierdurch nachrichtlich bekandt, declarire aber auch zugleich, wie Meine ernste Willenmeynung ist, daß von diesen Geldern auch nicht ein Groschen zu etwas andres als nur allein zu dem Behuf wozu sie destiniert seynd, verwandt nach dem Jahre wegen solchen fonds nicht miteinander meliret werden müßen, sondern auf jedes Jahr der dazu aßignirte fond nur alleine employiret und die Sa des einen Jahres mit der vom anderen Jahr, durchaus nicht confundiret werden muß.
Ich bin Euer wohl affectionirter König
FRIEDRICH
Potsdam
den 1 Mey 154
An den Obristen Retzow“
Kampf um die Kantonsfreiheit für Kolonistensöhne 1801 – 1806
- Akten (Teil I/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 Nr. D 2980, S. 258ff.
„Die Kantonsfreiheit wurde von den Kolonisten sehr pauschal aufgefasst. Diese erstreckte sich jedoch nur auf die zuerst angesetzten und die 1. Generation der Söhne. Bereits für deren Kinder galt sie nicht […] Eine Ausnahme machten diejenigen Städte und Distrikte, denen die Befreiung vom Militärdienst als Privileg ausdrücklich zugesichert wurden. Auf die 2. Generation trafen die alten Privilegien der alten Bruchkolonisten nicht mehr zu. Es ging dann auch nicht mehr über den Umweg der Heirat einer “privilegierten“ Kolonistentochter. Es war durchaus verständlich, daß man in allen Kolonistendörfern sehr mißtrauisch wurde und recht scharf gegen die Einschränkungen der von König Friedrich II. gewährten “beneficien“ opponierten in denen die Formulierung erhalten war: „von nun und immer“ und im §4 eine ausdrückliche Befreiung von Kontributionen, Kavalleriegeld, Schößen, Diensten oder Kriegsfuhren festgelegt war […]“
„ […]Mit einer Klage der Gemeinde Neubarnim gegen eine Enrollierung durch das Infanterie-Rgt. v. Winning bei der Kammer schaffte man sich Luft […] Hinter der Klage standen am 4.3.1802 14 Kolonisten des Oderbruchs und baten, sie “im Besitz des Cantons Freiheit zu erhalten“. Der Anlaß hierzu war, als Landrat v. Reichenbach den einzelnen Gemeinden “Cantons Bücher“ zugehen ließ. Die Dorfschulzen hielten die Übersendung “für einen Irrthum“, da ihnen die Kantonsfreiheit zugesichert war, sandten die Bücher zurück und baten, sie in ihren Rechten zu schützen, denn in den Kantonsbüchern waren bereits die Namen ihrer Söhne verzeichnet. Der Landrat wieß in seiner Verfügung auf “die veränderten Umstände“ hin […] Diese Nachricht verbreitete sich in den Kolonistendörfern wie ein Lauffeuer und hatte auch eine Klage der Gemeinde Neulewin gegen den Fiskus zur Folge […] “
„ […] Leider ist das Urteil der Revisionsinstanz nicht überliefert. Aus einem Aktenvermerk geht die Aufhebung des ersten Urteils sowie der Kosten hervor. Es wurde “der alte Zustand wieder hergestellt“. Erst in der 3. Instanz wurde rechtskräftig dahingehend entschieden, “daß die von den ersten Erwerbern der Colonisten Güther im Oderbruch abstammenden männlichen Nachkommen ersten und zweiten Grades, sie mögen auf den Colonien oder anderwärts gebohren seyn, vom Enrollement frey sein sollen, wogegen aber die Cantons Freiheit für die weiteren Abkömmlinge nicht Statt finden soll, welches Wir Euch hierdurch zur Nachricht und Achtung bekannt machen lassen (28.1.1806) […]“
Feuerschäden von Kolonisten-Etablissements in Neutornow 1802 und 1805
- Akten (Teil II/1) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 Kurm. Kämmer D 3134 – 3135, S.312 R ff.
„ In der Nacht vom 18./19. Juli 1802 brannten auf der Bergseite in Neutornow die Häuser von 6 Kolonistenfamilien […] und ein großer Stall des Schulzen. Zunächst konnte nichts weiter gesagt werden, als daß die Flammen aus der Scheune und dem Stall des Kolonisten Schreiber herausschlugen. Die in Asche gelegten Gebäude waren mit insgesamt 1950 Talern versichert […] Die Kurmärkische Kammer nahm eine “bößliche Anlegung“ des Feuer an und forderte eine strenge Untersuchung. Der Landrat vertrat die gleiche Auffassung, weil fast gleichzeitig eine Scheune in Heinrichsdorf abbrannte […] Die Untersuchungen der Brandursache durch das Justizamt Wriezen verliefen ergebnislos. Es wurde vermutet, daß ein Pfeife rauchender Fußgänger auf dem an der Scheune vorbeiführenden Fußsteig das Feuer fahrlässig verursacht haben konnte. Gegen die Eigentümer bestand nicht der geringste Verdacht […]“
„Zwischen 8 und 9 Uhr Abends vernichtete eine Feuerbrunst 13 doppelte Wohnhäuser mit den dazu gehörigen Ställen und Scheunen […] Das Feuer war in der Scheune des Kolonisten Volprecht nach 8 Uhr ausgebrochen, die schnell in Flammen stand und breiteten sich innerhalb einer halben Stunde über als Kolonistengehöfte aus. […] Die ersten Spritzen waren die aus Neuenhagen und Altglietzen. Leider waren viel zu wenig Helfer zu Stelle, denn die Bewohner mußten ihr Vieh, ihr Hab und Gut bergen, soweit es überhaupt möglich war. Verbrannt ist ein Pferd, eine Kuh und einige Schweine. Zu beklagen war der restlose Verlust von Futter, Brot und Saatgetreide. Eine Brandstiftung wurde nicht angenommen, aber einer Unvorsichtigkeit des Volprecht vermutet […] 26 Familien waren obdachlos geworden und hatten fast alles verloren […] Bauinspektor Dornstein und Kammerrat Noeldichen schlugen in ihrem Protokoll vor, künftig eine enge Bebauung zu unterlassen, das Dorf in Richtung Gabow auszudehnen oder auf einer Fläche der Neuenhagener Forst einen Teil der Familien neu aufzubauen […]“
Reisepässe für Kolonisten 1782
- Akten (Teil II/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 D 3015, S. 497.
„Die Kolonisten Bell und Leidinger baten das Justizamt Wriezen (Struwe/Graeve) ihnen Reisepässe auszustellen, damit sie einen Teil ihres in ihrer ehem. Heimat Österreich gelassenes Vermögens retten könnten. Bell besaß eine 45-Morgen und Leidinger 10-Morgenstelle in Neubarnim. Bei beiden bestanden keine Bedenken der “Entweichung“, da sie ihre Familien zurückgelassenen hatten. Struwe/Graeve wiesen außerdem auf den Schriftwechsel hin, den ihnen beide übergeben hatten, in welchem Vetriebenen Religionsfreiheit und Rückgabe ihres Vermögens versprochen wurde. Die Minister v. Gaudi und v. Wedell entschieden, für beide Reise anzufertigen, was durch das Justizamt Wriezen geschah […]“
Übergabe der Wirtschaft des Kolonisten Böse, Neuküstrinchen an den Kolonisten Christian Bruchmüller in Friedrichswalde 1768 – 1781
- Akten (Teil II/2) des Bruchamtes Wriezen: Rep. 2 D 3021 → S. 498ff.
„Der Kolonisten Paul Böse aus Neuküstrinchen, 48. J. Alt, verheiratet, 5 Kinder erklärt Marschkomm. Struwe in Wriezen, nicht mehr zur Bewirtschaftung seiner 45-Morgenstelle in der Lage zu sein, da er ständig krank ist, seine Frau und seine Kinder die Bewirtschaftung nicht schaffen können. Seit 11 Jahren mühte er sich ohne Erfolg, weil die Wasserjahre alles vernichteten. 46 T Kanon war er dem Amt schuldig. Außerdem hatte er bei verschiedenen Kolonisten Schulden […] In seiner Wirtschaft hatte er nur noch 1 Pferd und 2 Kühe. Die Schweine waren ihm krepiert. Struwe bezeichnete ihn in seinem Bericht an die Kammer als “fauler liederlicher Wirth“. Er hatte bereits unter den Interessanten […] eine Auswahl getroffen, die auf den Ausländer und Kolonisten Christian fiel. Auch die Kammer war mit diesem Vorschlag einverstanden. Die drei volljährigen Söhne des inzwischen verstorbenen Paul Böse machten am 2.5.1777 […] eine Eingabe an den König und schilderten die Entwicklung dieser väterlichen Wirtschaft […] Die Kriegswirren und “das grausame Verfahren der russischen feindlichen Truppen , wodurch alles Vermögen verloren ging, war die erste Ursache seines Ruins.“ Dann kamen die die großen Überschwemmungen, die ihn vollends zugrunde richteten. “Da er 30 Taler Abgaben rückständig war, wurde gegen ihn eine schwere Execution durchgeführt, wovon ihnder hefftige Gram übermächtiget und ihn aufs Kranken-lager geworfen, unter seiner hitzigen Krankheit daselben aber der Krüger Bruchmüller aus Neu Rüdnitz persuadiret habe, ihm seine Colonisten Stelle für 185 Rthlr zu verkaufen, in welcher Sache auch contrahiret worden.“ Der wieder zu Verstand gekommene Vater wollte den Vertrag rückgängig machen, kam aber nicht dazu, denn Bruchmüller hatte die Wirtschaft bereits an den jetzigen Besitzer Elwanger verkauft. Da der Vater das Haus nicht verlassen wollte, wurde ihm der Ofen eingeschlagen und damit durch die Kälte aus dem Haus vertrieben, worauf “derselbe für Kummer und Sorgen verstorben.“ Da die drei Brüder nichts über die vertraglichen Verhältnisse kannten, baten sie den König um seinen Beistand […] Struwe/Graeve berichten darauf auf Weisung der Kammer am 13.6.1777, die dem Vater wegen “seiner Faulheit und liederlichen Wirtschaft schuld(gaben), daß er so tief in Armuth und Schulden gerieth …“ Was das Wasser nicht ruiniert hat, hat Böse getan […] Die erwachsenen Söhne hätten Gelegenheit, im Warthebruch oder bei Neustadt/Dosse ein Etablissement “durch Fleiß zu erwerben.“ Diesen Rat wiederholte die Kammer in einer “Resolution“. Damit wurden die drei Böseschen Söhne mit ihrem Gesuch abgewiesen
Tischler aus der Pfalz bittet um Zuzug 1758
- Landeskunde – Kolonisten im Oderbruch: Briefe aus dem geheimen Staatsarchiv Potsdam
Allerdurchl.
Ew. königl. Majt. gereihen allergnädigst zu vernehmen, wie ich mich mit meiner Frau, und 3 unerzogenen Kindern als Meister und Tischler mich Ew. Königl. Majt. Residentz begeben aus der Pfaltz aus dem churfürstl. Orthe Niederflörsheim aus dem Oberamte Altzey, d… Ew. Königl. Majt. denen ausländer allergnädigst per Edict publicieren lasse, welche sich in Ew. Königl. Majt. Landen etablieren wollen, ihnen alle königliche Gnade angedeyen soll, benebst 6 jährige Freyheit und Reise Kosten, ihnen … orter angewiesen werden sollen, wo sie ihr brodt haben können, benebst frey. Meister und Bürger Recht, so habe ich mich auf meine Kosten … begeben, da ich zu Hause noch etliche 100 … zu fordern habe … allerunterthänigster Bitte Ew. Königl. Majt. gereihen allergnädigst, mich in Friedrichsthal oder zu Freyenwalde an der Neuen Oder mich allergnädigst placieren zu lassen und mich die Beneficia angedeyen zu lassen, und ersterbe
Ew. königl. Majt.
Berlin David Peter Lindner
d. 21. Juli Meister, und Tischler
1758 aus der Pfaltz
Etablissements von 100 Spinnerfamilien im Hohenbusch zwischen Wollup umd Friedrichsaue
- Landeskunde – Kolonisten im Oderbruch: Hauptstaatsarchiv Potsdam Rep. 2 D 19626.
Aktenvermerk vom 20. August 1764, Kurmärkische Kammer, Kriegs- und Domänenrat H. v. Kriele
„ […] Kgl. Majestät haben Zahlungen an Kammern angewiesen, so daß durch dero Landbaumeister umgehend mit dem Bau von 50 Häusern begonnen werden kann […] 50 Häuser worin 100 Familien wohnen sollen, mithin in jedem Haus zwey Familien wie der Kriegs- und Dom: Rath Kriele bereits informiert und den Riß anfertigen lassen, wozu an Baukosten auf ein dergleichen Doppel-Hauß gerechnet wird 160 Rthlr also ingesamt 8000 Rthlr […] Vor jede Familie eine Kuh anzukauffen, weile die Leute sich solche selbst anzuschaffen nicht im Strande sind: 11 Rthlr … 1100 Rthlr. Zu Spinräder, Getreyde und Graßense, Axt, Spaten, Randhaue und Dreschflegel, so denen leuten ebenfalls angeschafft werden, müssen a 9 jeder Familie 900 Rthlr. Summa 10000 Rthlr. Gerechnet werden […] Auch soll jeder Familie dieser Leute ½ Morgen Gartenland und 2 Morgen Wiesenwachs zur Wimterfütterung und soviel Hütung gegeben werden, daß sie den Sommert durch 2 Stück Rindvieh auf der Wiese halten können […] nach 2 Freijahren, in denen sie boch mit der Rodung der Stämme zu tun haben, soll jede Familie an Erbzins und Hausmiete 6 Rthlr. Entrichten […]“
Rudolph Friedrich Sprockhoff über die Jahre 1770 & 1771
Tagebuch und Chronik des Rudolph Friedrich Sprockhoff 1718 – 1783
„In den 1770 und in den 1771 Jahren sindt solche teure Zeiten gewesen. Also das ein scheffel rocken 2 rthl 6 gr ein scheffel weitzen 2 rthl 16 gl ein scheffel Erbßen 2 rthl 16 gl ein scheffel gerste 1 rthl 16 gl ein scheffel hafer 1 rthl 3 gr und das Wasser ist auch in dieén schon erwähnten Jahren so groß gewesen das es über alle Dämme gegangen und die unter Dörfer im Bruch haben bis an die Dächer im Waßer gestanden im Neu Torno und in Neu Glietzen haben daß Wasser Beynahe eine Elle in den stuben gehabt und haben die Leute die Dächer müßen abdecken vor daß Vieh zum unterstellen“