„Ich finde es gut, wenn Menschen näher zusammenrücken.“
Ein Beitrag aus dem Projekt „Brücke der Wünsche“ 2004
Meine frühesten Erinnerungen an die Oder sind die Kriegskämpfe 1945. Die Stalinorgel pfiff über unsere Heimat und wir mussten sie ja dann verlassen. Nach Beendigung des Krieges wurde die Oder zum Grenzfluss, sie hatte nun eine völlig andere Bedeutung! Die Brücken waren gesprengt und der Fluss war nicht mehr zu überqueren.
In den fünfziger Jahren wurden die Brücken in Hohenwutzen und Neurüdnitz-Bienenwerder wieder erbaut, jedoch für den Grenzverkehr nicht geöffnet. Dieser Brückenbau hatte für mich eine besondere Bedeutung. Eine Stahlbaufirma aus Niesky/Oberlausitz war mit der Montage der Brückenbogen der Neurüdnitzer Brücke beauftragt. Die Brückenteile kamen auf dem Schienenweg von Niesky nach Hohenwutzen, wurden hier von den Monteuren entladen und per Verladekahn nach Neurüdnitz transportiert. Die Monteure versorgten sich in der Konsum-Verkaufsstelle in Hohenwutzen mit Lebensmitteln. In dieser Verkaufsstelle war ich als Verkäuferin tätig. Hier lernte ich einen dieser Monteure näher kennen, dann lernten wir uns ganz nahe kennen, bis ich 1957 seine Frau wurde. Somit hat der Ort Hohenwutzen für mich eine besondere Bedeutung – hier wurde das Band gespannt, an dem wir noch heute ziehen.
Die deutsch-polnische Grenze habe ich am 4. Februar 1990 das erste Mal überschritten. An diesem Tag wurde die Brücke für nur einen Tag geöffnet, wir hatten Kerzen und für die Kinder Süßigkeiten mitgenommen und wollten unseren Willen zum „Händereichen“ bekunden. Doch es war ein vorsichtiges Näherkommen und auch die Kinder waren zurückhaltend, aber doch sehr dankbar. Diese Gefühle haben sich sehr geändert, durch den häufigen Kontakt, den man jetzt mit seinen polnischen Nachbarn hat.
Ich kann gar nicht sagen, ob die Oder einen anderen Eindruck auf mich machen würde, wenn sie kein Grenzfluss wäre. Ich lebe mit ihr fast 60 Jahre als Grenzfluss und habe mich einfach daran gewöhnt, dass es so ist.
Ich kann mir nicht vorstellen, auf der anderen Seite der Oder leben zu wollen. Ob ich da arbeiten würde kann ich nicht beantworten, da ich schon lange aus dem Arbeitsleben ausgeschieden bin.
Ich finde es gut, wenn Menschen näher zusammenrücken – wenn sie guten Willens sind. Ob unser Lebensumfeld davon profitiert, will mir eigentlich nicht einleuchten. Ich befürchte sogar, dass die Polen-Betriebe als Billiganbieter kommen werden und dass die deutschen Betriebe dadurch noch gefährdeter sind.
Es ist zu vermuten, wenn die Grenzen zu Polen geöffnet sind, dass sich Deutsche in Polen ihre ehemaligen Besitzungen zurückkaufen werden.
Ich glaube, die „andere Seite“ hat auch nicht nur gute Vorstellungen. Vielleicht fürchtet sie bei uns Deutschen die Ausländerfeindlichkeit.
Mein innigster Wunsch ist, dass in Zukunft für alle Menschen bessere Zeiten anbrechen. Dass für alle Menschen genug Arbeit da ist, ohne dass der Mensch durch den Menschen ausgebeutet wird und dass der Mensch nicht von den Maschinen ausgeschaltet wird.
Möge unsere Welt von guten Mächten wunderbar geborgen sein, so dass alle Menschen getrost den neuen Tag erwarten können.
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