Vier Postkarten als Collagen aus Fotos vom mittleren Oderbruch und Grafiken
Ich grüße Sie aus dem Oderbruch!
Das Oderbruch ist die Gegend, in der ich schon lange wohne. Ich bin vertraut mit Erde und Wasser, Luft und dem Licht, mit den Tätigkeiten auf dem Land, der Substanz des Bodens, den Beschneidungsphilosophien der Alleen, mit den Orten und ihren Fluchten, ihren Zeichen und den Wettern.
Die Horizontale ist stark und prägt Ruhe und Gelassenheit. Mit der Vertikalen werden wir sehr behutsam umgehen müssen, um uns die Weite zu erhalten.
Antje Scholz, 2012
Feuer, Wasser, Erde, Luft – zu den elementaren Grüße der Antje Scholz
In Zeiten von E-Mail, Twitter und SMS sind Postkarten wohl nur noch etwas für den kurzen Urlaubsgruß: Uns geht es gut, ein herrlicher Himmel, die Tage auf dem Rad waren toll und am Deich kann man vortrefflich in der Sonne liegen, wenn nur der ständige Wind nich wär, wie geht’s euch? – etwas in der Art. Entsprechend oberflächlich sind meist auch die Bilder auf den Vorderseiten der Grußkarten, da findet sich kein Widerhaken.
Die Grußkarten aus dem Oderbruch von Antje Scholz haben einen anderen Charakter. Jede für sich, und alle zusammen erst recht, verweisen auf das durchaus zerbrechliche Grundgefüge dieser Landschaft und erzählen von der heiteren Sorgfalt und Tatkraft der Leute, die das Land nötig hat und haben wird.
Feuer: Brennholz hat man im Oderbruch oft aus Weiden gemacht, sie wachsen gut an den Entwässerungsgräben. Weiden prägen das Bruch. Kopfweiden wurden über Jahrzehnte gepflegt, bevor sie verfeuert wurden. Weidenruten waren ein begehrter Rohstoff. Wer sie nur als Brennholz betrachtet, verkennt ihre natürliche und kulturelle, eben ihre landschaftliche Bedeutung – und wird seine Heimstatt anzünden, ein Brand, den keine Freiwillige Feuerwehr löschen kann. Mit der Axt in die Obstbaumalleen zu hauen, ist keine Alternative. Ein dauerhaft wärmendes Holzfeuer wächst aus der Landschaft.
Wasser: Die hohe Zeit der Hechtreißer und Fischer ist im Oderbruch Geschichte und wird nur mehr in Wappen zitiert. Der sinnierende Angler am Oderdeich ist ohne Hochwassergefahr und den Gewässer- und Deichverband, dem im Zeichen der Nixe die Entwässerung des Bruchs obliegt, nicht zu haben. Der Blick des Anglers geht auf die Naturschutzeule, seine Angel zeigt auf die Nixe und im Rücken der Deich – ein spannungsgeladenes Dreieck.
Erde: Eine Mauer (eine Friedhofsmauer?), dahinter blühende Obstbäume, in Verlängerung der Mauer Staudengewächse, vielleicht ein Gemüsebeet. Ein Feldweg geht von hier aus in die Äcker. Eine Frau bückt sich hinunter zur Erde und setzt sorgfältig eine junge Pflanze in den Boden. Das macht ihr offensichtlich Freude. Mit ähnlicher Sorgfalt hat sie sich ihre Fußnägel lackiert. Ein starker Gruß; kümmert euch mit Lebenslust und kenntnisreicher Sorge um die landwirtschaftlichen Flächen, als wären sie ein Garten, euer Garten.
Luft: Der weite Himmel, unter dem hier immer ein Wind geht, gegen den man anstrampelt und das Kopftuch fest zu binden gelernt hat, lässt alle Vertikalen zerbrechlich erscheinen. Selbst die Strommasten drohen jeden Moment umzufallen. Was in dieser Landschaft, die offensichtlich ihren Schwerpunkt im Auenlehmboden hat, über die tief liegende Horizontlinie nach oben strebt, erheischt Aufmerksamkeit, ob Kirchturm oder Windkraftanlage. Das menschliche Maß ist in jeder Landschaft ein anderes. Es braucht in der Tat Behutsamkeit im Umgang mit diesem Himmel, will man am Ende nicht mit zerzaustem Kopf, unbehütet dastehen, entfremdet von Haus und Herd, einen Schatz des Oderbruchs durchs Ofenrohr gejagt.
Ein kleiner Satz Postkarten, der einiges über das Oderbruch zu erzählen vermag.
Antje Scholz lebt und arbeitet als Malerin, Grafikerin und Objektkünstlerin seit 1990 in Ortwig bei Letschin.
Lars Fischer
Link: www.antjescholz.de