Eine erste Ausstellung
Nach sechs Jahren versucht das Büro für Landschaftskommunikation eine Zwischenauswertung des Oderbruchpavillons im Sinne einer Agenda für die Regionalentwicklung.
Vor drei Jahren stellte das Büro für Landschaftskommunikation das Projekt des Oderbruchpavillons zum ersten Mal öffentlich vor. Das war 2006 – Gastgeber dieser Veranstaltung war das Autohaus Oderbruch in Altranft, das kurzerhand für ausreichend Platz für die Gäste und für eine Suppe gesorgt hatte.
Inzwischen ist viel passiert. Ein Liederfest in Kienitz, eine Wasserroute rund um den Glietzener Polder, ein Blick in die Zukunft der Landschaft mit verschiedenen Szenarien sowie eine Bühnencollage haben unseren Blick auf die Landschaft vertieft und bereichert.
Eine erste Auswertung dieser Erfahrungen wollten wir in Form einer Pinnwand-Ausstellung vornehmen: Welches sind die zentralen Fragen, denen sich die Landschaft stellen muss, was lässt sich aus der Geschichte der Landschaft lernen, welche Aspekte sollten eine Agenda für die Zukunft des Oderbruchs bestimmen? Gastgeber ist wiederum das Autohaus Oderbruch.
Die Ausstellung ist bis auf Weiteres im Autohaus Oderbruch in Altranft von Montag-Freitag von 8-18 Uhr und Sonnabend von 8-12 Uhr öffentlich zugänglich.
In der Ausstellung sind Poster und Banner auf einer Pinnwand platziert, um die Inhalte flexibel handhaben zu können.
Die Ausstellung besteht aus verschiedenen Elementen.
1. Landschaft hinter Glas:
In einem Vitrinenschrank sind Dinge ausgestellt, mit denen man das Oderbruch gut erschließen kann.
Sie haben eine unmittelbare haptische und eine symbolische Qualität:
- eine Flasche Oderwasser (Entnahme: Neuranft)
- eine Flasche Drängewasser (Altmädewitzer Landgraben)
- ein Biber Fraßspan (Zollbrücke)
- eine Kranichfeder (Croustillier)
- 1 kg Auenlehm (Herrenwiese)
- ein Stück Wellasbest ( immer noch beliebter Baustoff im Oderbruch)
- ein Biberschwanz-Dachziegel (historisch bedeutsamer Baustoff im Oderbruch)
2. Plakatcollagen:
Auf vier Plakaten werden zentrale Fragen der zukünftigen Entwicklung des Oderbruchs thematisiert:
Während alle Welt auf die Sicherheit der Deiche blickt, gerät das tägliche Geschäft mit dem Wasser im Oderbruch fast aus dem Blick. Denn weil das Bett der Stromoder heute höher liegt als die Felder und Siedlungen, drücken ununterbrochen große Mengen an Drängewasser über die Grundwasserleiter ins Bruch.
Dieses Wasser wird mit Gräben und Schöpfwerken wieder abgeführt. Das Oderbruch ist also eigentlich nicht vor 250 Jahren trockengelegt worden, es wird vielmehr jeden Tag trockengelegt – mit großem Aufwand und mit erheblichen Kosten, die neben den Bewohnern und Nutzern der Landschaft auch das Land Brandenburg trägt.
Es gibt kaum einen Flusspolder auf der Welt, dessen Landschaftswasserhaushalt so akkurat gesteuert wird wie das Oderbruch. Deshalb gibt es auch immer wieder Fragen, die beantwortet und Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Das tägliche Management des Wassers sollte deshalb jeden Oderbrücher interessieren.
In der Tat kann sich eine kleine Hofwirtschaft heute nicht mit der großen Geschäftswelt messen. Der Ankauf von Kleinvieh, Schweinen und landwirtschaftlichen Produkten hat mit dem Ende der DDR aufgehört, zur gleichen Zeit warteten ALDI & Co mit bodenlos billigen Lebensmittelpreisen auf.
Damals stellten viele Menschen im Oderbruch ihre eigene Hofwirtschaft ein. Wer heute noch Kartoffeln anbaut und Hühner hält, tut dies aus Trotz, aus Freude oder aus Armut – und erweist damit unserer Region einen unschätzbaren Dienst. Denn in den kleinen Hofwirtschaften wird wichtiges Wissen aufbewahrt und eine tägliche Kultur der Selbstbehauptung im ländlichen Raum erprobt. Wer weiß – vielleicht kommen einmal wieder Zeiten, in denen die Subsistenzwirtschaft eine neue Blüte erlebt. Werden die Letzten dann die Ersten sein?
Die letzte Flut ist überstanden – und durch die starken und modernen Deiche könnte auch das nächste Hochwasser erfolgreich abgewehrt werden. Immer wieder haben die Menschen im Oderbruch bei Hochwasserkatastrophen ihr Hab und Gut, das Vieh und manchmal sogar das eigene Leben verloren. Kein Wunder also, dass ihre Aufmerksamkeit vor allem der Abwehr des Hochwassers gilt und sie wie gebannt auf den Deich blicken. Und doch sollte der Blick auch hinter die Deiche reichen.
Die Oderbrücher müssen sich fragen, ob sie für den Fall eines Hochwassers gut gerüstet sind: Gibt es ein Hochwassermanagement? Wird im Oderbruch den Verhältnissen entsprechend gebaut? Wo befinden sich die Elektrokästen und die Heizungsanlagen im Haus? In vielen Flusslandschaften befassen sich die Menschen neben der Abwehr des Hochwassers auch mit der Minimierung seiner möglichen Schäden. Das ist klug – denn wie auch immer die nächste Flut ausgeht – danach muss das Leben weiter gehen.
Fünf Eisenbahnstrecken erreichten früher das Oderbruch. Sie trafen sich in Wriezen, gingen in alle Richtungen und waren so etwas wie Lebensadern. Menschen kamen und gingen und ihre Produkte verließen die Landschaft meist auf der Schiene. Getreide brachte man zu den Umschlaghäfen an der Stromoder, Milch und Gänse gingen direkt nach Berlin, Kohle führte man ein. Die Schiene steht für Zeiten der wirtschaftlichen Blüte.
Heute ist nur noch eine kleine Bahnlinie übrig geblieben, die von Berlin über Eberswalde nach Frankfurt/Oder und zurück verläuft. Die Mobilität ist auf die Straße gewandert und mit ihr haben sich auch Gesicht und Klang der Landschaft verändert. Umgehungsstraßen, Grenzübergänge, Radwege, Wasser- straßen, Wirtschaftswege und die letzte Bahnlinie – ob das Nebeneinander verschiedener Nutzungen des Oderbruchs in Zukunft möglich ist, wird auch im Bereich der Mobilität entschieden.
3. Historische Serie:
In der Letschiner Heimatstube gibt es einen reichen Fundus an historischen Fotografien.
Diese wurden mit Leitmotiven und kurzen Texten kontrastiert und auf diese Weise
ein Bezug zu gegenwärtigen Erfahrungen hergestellt.
4. Leitmotive:
Auf fünf großen Bannern werden jene Forderungen deklamiert, die Grundlagen einer Agenda
für die Landschaftsentwicklung sein können:
5. Zitate:
Aus der Collage „Die schwere Kolonie“ wurden Zitate als Postkarten präsentiert, mit denen sich die Konfliktgeschichte des Oderbruchs illustrieren lässt (Auswahl:)
Das Oderbruch, die größte Landschaftsbaustelle des
18. Jahrhunderts, gehört zu den herausragenden Leistungen preußischer Zivilisation und Modernisierung.
Das Oderbruch in seiner heutigen Gestalt ist ein Werk der preußischen Staatsverwaltung.
Mir sind wie jedem, der Anteil nahm, die Bilder dieser Tage im Juli und August 97 sofort wieder vor Augen, die aufgeweichten Deiche im Oderbruch, die Sandsacklasten der allgegenwärtigen Hubschrauber… und auch die Ungewissheit, die Angst, die Tränen in diesen Tagen. … Die Frauen und Männer, die unermüdlich kämpften, damit die durchweichten Deiche halten, haben eins bewiesen, das Glück gehört immer nur und ganz besonders dem Tüchtigen. Und je häufiger wir die Erinnerung an Damals bemühen, umso klarer wird eigentlich eins, wir brauchen diesen Geist, diesen Geist des Miteinander, diesen Geist des Füreinander. Er ist der Kitt unsers Zusammenhaltes, und der Zusammenhalt wiederum der einzige Garant für eine gute Entwicklung unseres Landes.
Neue Wohnhäuser und Ställe in vierstelligen Zahlen – Spenden von Vieh, Saatgut, Maschinen und Düngemitteln – Bewirtschaftung früheren Brachlandes – Übersiedlung von Neubauern, Industriearbeitern, Lehrern und Ärzten ins Oderbruch – neue Landambulatorien, Kultureinrichtungen und Schulen – Einsatz von Baubrigaden aus der gesamten DDR – freiwillige Erntekollektive – neue Brunnen – Baumpflanzungen – Straßenbau – 5 016 Mark Geldspenden der Bauern des Kreises Seelow für die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Berlin – Traktoren und Mähdrescher aus der UdSSR – Theatergastspiele, Lehrgänge der Volkshochschule und Volkskunstarbeit. Das Oderbruch verändert sein Gesicht. Seine Bewohner spüren die Kraft der Solidarität und ihre eigene Energie.
Da das Grund-Eys den Oderstrom belegt, ist uns wegen der Verdammung der Brüche soviel Wasser zugeflossen, dass das gantze Dorff mit Waszer überschwommen gewesen. Es war ein recht erbärmlicher Zustand, keiner konnte zum andern kommen und ihm helffen, da man sich wohl gerne geholffen hätte. Das Waszer brach durch in Häusern und Ställen. Sie wollen doch so güthig sein und sich unserer Noth annehmen und sorgen, dasz die zugemachten Brüche wieder aufgemachet werden und wir dadurch von einer groszen Ueberschwemmung mögen befreyet werden.
Man ist nicht sicher, dass die mit vielen Kosten angefertigten Dämme bei großem Wasser von bösen Leuten dürften durchstoßen werden.
Man mag die Wohnhäuser …ansehen von welcher Seite man will, so haben sie nichts Empfehlendes. Es sind niedrige Hütten in Fachwerk… Die einzige Wohnstube ist klein und dumpfig, und der Fußboden ist weder gepflastert noch gedielt, sondern von schlechter Brucherde geschlagen, weder ein Keller…noch ein Kornboden… Zu allen Fehlern kommt noch, dass man die Schwellen unmittelbar ohne Fundament auf den…kaum abgetrockneten Boden legte, wodurch sie nicht allein schnell in Fäulnis übergingen, sondern auch…das Wasser bey einer nur mäßigen Ueberschwemmung in die Gebäude trat.
Der Kolonist Christian Prietz aus Neulitzegöricke war ein übertrieben sparsamer Wirt. Eines Tages machte er sich auf den Weg zum Bruchamt… und brachte dem Beamten dort seine Bitte vor. Der König habe ihm Haus und Hof, Pferd und Wagen geschenkt. Nun wolle er auch noch eine Peitsche für sein Pferd haben. Er ließ sich von dem Beamten wegen der Unbilligkeit seines Verlangens nicht abweisen, bis dieser ihm einen Groschen zur Peitschenschnur schenkte. Da zog Prietz befriedigt ab.
Die letzte und beste Hilfe wird dem Oderbruche aber nicht von außen, von keiner noch so wohlmeinenden Staatsregierung kommen können. Ständige Hilfe von außen führt zur Verweichlichung und Bevormundung. Unversiegbare Kraft strömt nur aus Selbstverantwortung und Selbstverwaltung, aus freiwilliger Unterordnung zum Wohle des Ganzen.
Nach dem, was sie mir über die ihnen zu Gebote stehenden Ackerflächen zum Rübenbau gesagt haben, können sie dreist mit der Anlage vorgehen. Sie wird sie in die Lage versetzen, dass sie jährlich eine Tochter aussteuern können.
Auf 10.000 m² wächst die Cherrytomate “Oklay”, auf weiteren 30.000 m² die Tomatensorte “ Elanto”. Die Gurken hören auf den klangvollen Namen „Shakira“ und dürfen sich auf 20.000 m² entfalten.
Industriegemüse hat den Vorteil: ich mach spätestens im Januar einen Vertrag, dann weiß ich die Menge, dann weiß ich den Preis, dann weiß ich die Lieferzeiträume. Und wenn ich das erfülle, krieg ich mein Geld. Frischgemüse ist wesentlich komplizierter. Da fahr ich zu Edeka nach Minden irgendwann im Januar und wir machen ein Angebot nach Kulturen, nach Mengen, nach Wochen, Verpackung. Marktpreis. Ja, was ist denn der Marktpreis? Das weiß im Januar keiner. Das kann mal so und mal so ausschlagen. Aber eines haben Sie immer wenn Sie Frischgemüse produzieren, dann ziehen Sie los mit 30, 40, 50 Leuten, um Salat zu schneiden, um das und das und das zu machen. Beim Industriegemüse: ein Mann und eine Maschine. Also, das Risiko ist wesentlich geringer als beim Frischgemüse.
Seit meiner 16jährigen Amtsführung habe ich diese Folgen vor mir gesehen und sie mitgetragen, acht Wasserjahre erlebt und darunter zwei vorzüglich harte, aber keins, in dem nicht die untersten Dörfer Überschwemmungen gehabt hätten.
Die Straßen vom Bruch nach Berlin waren dauernd mit fetten Vieh belegt, das jeden Freitag und Montag auf den Viehmärkten verkauft wurde. Das Oderbruch war der wichtigste Lieferant auf dem Berliner Frühgemüsemarkt.
Das Oderbruch hat seine volkswirtschaftliche Notwendigkeit eingebüßt, es wird von niemandem mehr gebraucht als von seinen Bewohnern selbst.
Wir bitten sie herzlich, durch die gelebte Landespolitik, aber auch durch Optimismus und sichtbares Vertrauen in uns und unsere Heimat, unser Bemühen um eine positive und hoffnungsvolle Grundstimmung zu unterstützen. Zeigen Sie bitte weiterhin, dass unser Oderbruch auch aus landespolitischer Sicht in seiner Einzigartigkeit und Vielfalt als Kulturlandschaft unverzichtbar ist und Heimat und Lebensraum bleiben wird.
Es wäre für den allgemeinen Wohlstand der größeren Landwirthe wohl zu wünschen, dass mehrere Arten von Fabricationen aus selbst erzeugten Produkten in Gang kämen.
Als ich die Kirche verlassen will, geschieht etwas Unglaubliches. Die Menschen erheben sich, beginnen rhythmisch zu klatschen, spenden Beifall, rufen Bravo. Hände strecken sich mir entgegen, die ich schütteln muss. Ich schäme mich nicht, den Tränen nahe zu sein. Wann hatte ein deutscher General so etwas je erleben dürfen?
Mit unverkennbaren Merkmalen der inneren Zufriedenheit, reinlich gekleidet, mit Weib und Kindern, blickten sie auf ihren erhabenen Wohltäter und Vater und brachten ihm so das Opfer ihrer ihm ganz ergebenen Herzen. Ihm war das ein rührendes Schauspiel. Bald ruhte sein Blick auf diesem frohen Volkshaufen, bald wandte er ihn auf die reiche, fruchtbare Gegend, die mit den neuen Dörfern und zahlreichen Heerden hier so besonders vorteilhaft in die Augen fiel, und dann rief er mit der innigsten Bewegung: Ich habe eine Provinz gewonnen!
Guck auf die Felder, so viel Wasser stand noch nie, die lassen uns alle absaufen.
Die Ausstellung ist im Autohaus Oderbruch in Altranft ohne Voranmeldung zu besichtigen.
Autohaus Oderbruch
16259 Altranft
Zur Eiche 1
Montag-Freitag von 8-18 Uhr und Sonnabend von 8-12 Uhr
Wenn Sie Interesse an einer ähnlichen Lösung für öffentliche Räume haben, sprechen sie uns an.
Kenneth Anders
Das Poster „Das Oderbruch sind alle die es gestalten“ ist für 3 € erhältlich.
Der Aukleber „Das Oderbruch – als wär’s eine Insel“ ist für 1 € erhältlich.
Ausstellungseröffnung 30.April 2009