Die gesellschaftlichen Konflikte um die moderne Landwirtschaft auf der Bühne
Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine einzige Tochter. Da sprach die Tochter: „Wir sollten den Herrn König um ein Stück Rodeland bitten.“ Da der König von ihrer Armut hörte, schenkte er ihnen ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um und wollten ein wenig Korn und dergleichen Frucht darauf säen. Als sie den Acker beinahe umgestochen hatten, so fanden sie in der Erde einen Mörsel von purem Gold. „Hör“, sagte der Vater zu dem Mädchen, „weil unser Herr König ist so gnädig gewesen und hat uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörsel dafür geben.“ Die Tochter aber wollte es nicht bewilligen und sagte: „Vater, wenn wir den Mörsel haben und haben den Stößer nicht, dann müssen wir auch den Stößer herbeischaffen, darum schweigt lieber still.“ Er wollte ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörsel, trug ihn zum Herrn König und sagte, den hätte er gefunden, ob er ihn als eine Verehrung annehmen wollte. Der König nahm den Mörsel und fragte, ob er nichts mehr gefunden hätte. „Nein“, antwortete der Bauer. Da sagte der König, er sollte nun auch den Stößer herbeischaffen. Der Bauer sprach, den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätt‘ er’s in den Wind gesagt. Er ward ins Gefängnis gesetzt und sollte so lange da sitzen, bis er den Stößer herbeigeschafft hätte.
Das alte und rätselhaft kluge Grimmsche Märchen von der klugen Bauerntochter erzählt von einem tief sitzenden gesellschaftlichen Konflikt. Wer als Landwirt lebt und arbeitet, handelt sich Schwierigkeiten mit dem Rest der Gesellschaft ein. Denken, Sprache, Erfahrung und Vertrauen – all diese Dinge werden auf dem blanken Parkett anders gehandelt als auf dem Acker. Daran hat sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil: Im Zuge der modernen Agrardebatte ist das Missverstehen zwischen Bauern und Bürgern, die heute als Kunde König sind, weiter gewachsen.
In dem Stück sieht sich ein Bauer massiven Angriffen wegen seiner landwirtschaftlichen Praxis ausgesetzt. In seiner Not nimmt er die Hilfe einer Imageberatung an – aber es stellt sich bald heraus, dass es sich bei der Kritik, der sich heute viele Landwirte ausgesetzt sehen, nicht nur um ein Imageproblem, sondern um einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Konflikt handelt. Fortan ringen die Figuren um die Frage, ob es einen Ausweg aus diesem Dilemma gibt und wie dieser Ausweg gefunden werden kann.
Heike Mildner schreibt dazu in der Bauernzeitung: „Alles dreht sich um das Dilemma, in dem der konventionell wirtschaftende Landwirt steckt: zwischen den Ansprüchen der Gesellschaft, den Gegebenheiten von Agrarpolitik und Weltmarkt und seinen ganz konkreten Produktionsbedingungen zerrieben zu werden. Dass er in dem Stück weder angegriffen noch lächerlich gemacht, sondern ernst genommen wird, muss leider in Zeiten der Landwirtsschelte besonders betont werden. Bisher habe ich Theaterstücke mit landwirtschaftlicher Thematik nur bei der Landjugend auf der Grünen Woche gesehen, wenn Laiendarsteller vor den eigenen Leuten agieren. In Altranft jedoch waren Profis am Werk – von der Text- bis zur Bühnenarbeit. Und sie spielten vor einem landwirtschaftlich interessierten, jedoch nicht notwendigerweise involvierten Publikum. Das hat es so noch nicht gegeben.“ (Bauernzeitung, 48. Woche 2018)
Eine Produktion des Oderbruch Museums Altranft im Rahmen des Jahresthemas „Landwirtschaft“, gefördert in »TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel«, eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes, und durch den Landkreis Märkisch-Oderland.
Mit Unterstützung der Stadt Bad Freienwalde (Oder).